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Pepe Lienhard

«Ich suche doch nicht den ‹Dreck›!»

Ein Leben für den Big-Band-Swing: Pepe Lienhard ist auch nach 50 Jahren auf sauberen, perfekten Sound aus. Im November präsentiert er diesen in Biel.

Ein Leben lang Entertainer: Pepe Lienhard nimmt Stories über seinen Schäferhund in Kauf, wenn er dafür seine Musik anpreisen kann. Bild: zvg

Interview: Tobias Graden

Herr Lienhard, ich werde Ihnen keine Frage zu «Swiss Lady» stellen.
Pepe Lienhard (lacht): Das ist mir auch recht!


Spielen Sie nun Gospel?
Nein, wie kommen Sie darauf?


Ihre Tournee führt Sie just in der Vorweihnachtszeit nach Biel, wenn alljährlich die Gospelgruppen touren.
Den Gospel hat sich Bo Katzman reserviert. Wir bleiben dem Swing treu, wir spielen auch keine Weihnachtslieder, jedenfalls nicht im November.


Doch Sie wollen sich ein Stück des Vorweihnachtsmarkt-Kuchens abschneiden, darum diese Tour.
Es gibt halt Zeiten, in denen man besser keine Tourneen macht – während einer WM, während der Sommerferien. Im Dezember sind extrem viele Tourneen, da möchte ich nicht auch noch. Darum starten wir Ende Oktober.


Es gibt also geschäftliche Überlegungen.
Sicher, wir spielen dann, wenn wir davon ausgehen können, dass die Leute auch Zeit für uns haben.


Was darf das Publikum im Jahr 2013 von Pepe Lienhard erwarten?
Wir spielen Big-Band-Sound, Swing. Wir spielen aber ein komplett neues Programm und haben die alten Sachen – etwa ein Medley mit Glen-Miller-Songs – neu arrangiert. Aber wir spielen nicht plötzlich Hip Hop, wir wollen die Erwartungen des Publikums erfüllen.
In einer Gratiszeitung forderte ein Kolumnist nach Erscheinen Ihres neuen Albums «meh Dräck» von Ihnen und schrieb, es fehle der Groove. Was entgegnen Sie?
Das ist natürlich Bullshit. Diesem Herrn entgegne ich gar nichts, das ist mir zu blöd. Ich suche doch nicht den «Dreck» in meinem Sound! Sondern die Perfektion, die Sauberkeit im Klang, das macht eine gute Big Band aus. Geschliffene Bläsersätze sind nichts Negatives, sondern erstrebenswert.
 

Sie haben soviel erreicht in Ihrem Musikerleben – doch offenbar vermag Sie solche Kritik gleichwohl zu treffen.
Besagte Kritik war persönlich gemeint, das konnte ich nicht nachvollziehen.


Andere können kurz etwas Aufmerksamkeit erheischen, wenn sie Ihnen an den Karren fahren.
Vielleicht war das die Motivation, ich weiss es nicht. Auf Kritik von kompetenter Seite höre ich natürlich schon, aber solche Leute wissen dann auch, was ich suche und beurteilen es entsprechend. Ich erfinde das Rad nicht neu, sondern betreibe Nostalgie, frisch aufbereitet.


Apropos Nostalgie: Gibt es Momente, in denen es Ihnen denkt: «Jetzt hab ich’s dann auch mal gesehen mit diesem Big-Band-Swing»?
Nein, mir gefällt diese Musik. Aber ich arbeite zwischendurch auch in anderen Projekten, in denen ich modernere Musik spiele, etwa mit dem Swiss Jazz Orchestra. Dort spiele ich nicht Glen Miller. Doch auf der grossen Tournee will ich die Erwartung des Publikums nicht enttäuschen.
 

Diese Erwartungshaltung des Publikums kann auch belastend sein.
Ich kann gut damit leben, weil ich immer schon Unterhaltungsmusik gemacht habe und zwar freiwillig, dazu hat mich niemand gezwungen. Immerhin habe ich mir damit ein Publikum geschaffen, mit dem ich 15 grosse Säle fülle auf der Tournee, das kann auch nicht jeder von sich behaupten.


Eine solche Popularität könnte man auch dazu nutzen, um das Genre zu erneuern, dem Publikum musikalische Innovation schmackhaft zu machen.
Einen gewissen Mix gibt es schon, ich spiele ja nicht drei Stunden lang Glen Miller. Einzelne Stücke sind für die Musiker unter den Zuhörern, da führen wir das Durchschnittspublikum an seine Grenzen. Aber dieses würde ich enttäuschen, wenn ich nur noch anspruchsvollen, hochklassigen Jazz spielte.
 

Ich will ja nicht bereits das Ende herbeireden, doch wenn Sie dereinst nicht mehr auftreten werden, gibt es den Big-Band-Jazz in dieser Form in der Schweiz praktisch nicht mehr.
Keineswegs! Es gibt durchaus auch andere gute Orchester. Die Dani Felber Big Band hat gerade erst eine sehr gute Platte veröffentlicht, eher jazziger als wir, und es gibt noch weitere.


Aber diese erreichen nicht ein derart breites Publikum wie Sie.
Das vielleicht nicht. Auch wenn wir nicht von der «Swiss Lady» sprechen wollten: Das hängt eben mit ihr zusammen, sie hat uns bekannt gemacht. Und in Deutschland sind wir vor allem bekannt, weil wir seit 30 Jahren mit Udo Jürgens spielen.


Sie haben mit der Bieler Funpunk-Band QL ein eher ungewohntes Projekt realisiert. Hat auch so etwas wieder mal Platz?
Zurzeit ist nichts in der Pipeline, aber ich bin immer total offen. Ich habe auch schon Projekte mit Ländlermusikern gespielt. Ich höre mir die Bands aber vorher schon an, es ist mir wichtig, dass diese musikalisch was drauf haben. Mit einer typischen Punk-Band ginge das wohl nicht.


Betrachtet man die gesammelten Medieneinträge auf Ihrer Homepage, drehen sich diese um einen neuen Schäferhund, ein neues Haus, die neue Ehe... Sie gehören zum Schweizer Boulevard-Inventar. Warum machen Sie das mit?
Es ist so: Ich mache keine Interviews mehr, damit ich in der Zeitung erscheine, das dürfen Sie mir glauben. Aber eine Tournee muss man promoten, eben auch im Boulevard. Dann gibt es halt Stories über den Schäferhund, weil die Tournee alleine, das ist für den Boulevard keine Geschichte.


Ist es nicht frustrierend, wenn die Musik gar kein Thema ist?
Ich könnte mich dem verweigern, aber dann erschiene halt gar nichts. Der «Blick» hat jetzt aber eine Geschichte über die Musik gemacht, über meine Plattensammlung. Halleluja!


Wieviele Platten haben Sie?
Ich zähle sie nicht. Es sind etwa 2000. Nur Jazz.


Welche ist die Wichtigste?
Richtungsweisend war «Birth of a Band» von Quincy Jones. Die habe ich als Zwölfjähriger gekauft, ich habe immer noch genau diese, sie war ein Schlüsselerlebnis. Drei Jahre später habe ich Quincy Jones in Baden an einem Konzert erlebt, mit einer Hammer-Band, da reifte der Entschluss, solches auch zu tun.


Im Zuge von Sparmassnahmen steht in der Schweiz zunehmend auch der Musikunterricht zur Diskussion. Werden die kommenden Generationen weniger musikalisch sein?
Ich finde, das ist am falschen Ort gespart. Die Beschäftigung mit Musik oder mit Sport, mit einem Hobby, das einen beansprucht, das ist ein guter Ausgleich zum Schulalltag. Und was passiert andernfalls? Die Leute hängen rum oder starren nur noch ins Handy. Das hat dann ganz andere Kosten zur Folge für die Gesellschaft.


Wird die Musik hierzulande zu wenig wertgeschätzt?
Von den Politikern offensichtlich schon. Man glaubt, dort sparen zu können, wo’s einem nicht so weh tut, so dass man wiedergewählt wird. Doch man macht einen grossen Fehler, wenn man den Jungen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung wegnimmt.


Doch ohnehin finden sich selbst an den Musikhochschulen immer weniger Schweizer Studierende. Ist der Beruf des Musikers schlicht zu wenig lukrativ?
Es spielt sicherlich hinein, dass nach wie vor viele denken, es sei besser, «was Rechtes» zu erlernen – das hat mir mein Vater ja auch gesagt. Man ist in der Schweiz rationaler. Die Chance für einen klassischen Musiker, hierzulande etwa in einem Orchester einen Job zu finden, ist sehr gering.


Es werden also zuviele Musiker produziert. Das gilt auch für die Jazzschulen.
Die werden dann eben Musiklehrer, dieses Risiko besteht. Die Schweiz ist halt ein kleines Land, es gibt keine grosse Musikbranche, trotz der zahlreichen Lokale und Theater.


Gibt es etwas, das Sie unbedingt noch verwirklichen wollen?
Ich empfinde es als grosses Privileg, nach wie vor als Musiker leben zu können. Ich wünsche mir, dass dieser Traum noch möglichst lange weitergeht.

Zur Person
• geboren 1946.
• 1958 Gründung von «The College Stompers Lenzburg».
• 1963 Gründung der ersten Bigband.
• 1969 Abbruch des Jura-Studiums, Beginn der Profi-Musikkarriere mit einem Sextett.
• 1977 grosser Erfolg mit dem Hit «Swiss Lady».
• 1982 Beginn der grossen Zeit mit Udo Jürgens.
• in der Folge viele Tourneen, Gala-Auftritte, TV-Sendungen, Auftritte an Opernbällen, u.a. zwei Saisons in Monte Carlo mit Frank Sinatra.
• 2008 Musical Director für das Spezialevent zum 75. Geburtstag von Quincy Jones.
• 2010 Projekt mit der Bieler Funpunk-Band QL.     tg
Info: Konzert in Biel am 12. November um 19.30 Uhr im Kongresshaus. In Bern am 2. November in Kursaal.

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