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Biel

Ich und mein innerer Aristokrat

Florian Graf präsentiert im Kunsthaus Pasquart ein faszinierendes Gesamtwerk mit teils brachialen Gesten. Maija Luutonen und Zara Idelson setzen auf Minimalismus.

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Helen Lagger

Seine Frisur ist eine Skulptur für sich. Der 1980 in Basel geborene Künstler Florian Graf wirkt in seinem adretten Jacket und dem scheinbar vom Winde verwehten Haarschopf wie ein Dandy des 18. Jahrhunderts. Doch der Mann ist ein zeitgenössischer Denker und Dichter beziehungsweise Zeichner, Installations- und Videokünstler, Fotograf und Plastiker. Im Kunsthaus Pasquart bespielt er zurzeit den Aussen- wie den Innenraum mit einer von ihm entworfenen Figur, die aus einem Kreis, einem gezackten Element und einer L-Form besteht. «Bio Diversity» (2018) nennt er die Serie. Man kann in der dreimal unterschiedlich zusammen gesetzten Figur jeweils eine Blume, einen Vogel und einen Menschen erkennen.
Auf dieser Grundfigur basierend schafft der Künstler mal kleinformatige Keramikskulpturen in Pastelltönen, mal metergrosse Figuren aus Aluminium, die in der Salle Poma einen starken Auftritt haben. Die Skulpturen wirken wie Pflanzen, denn ihre Sockel stecken in Erdhügeln. Ausserdem kann man sich in ihnen spiegeln, aber nicht in sie hineinsehen. Etwas das sie mit Menschen gemein hätten, wie der Künstler verrät. Für Graf sind seine Skulpturen so etwas wie Wesen: «Lebendig und doch nicht.»
Graf hat ursprünglich an der ETH Architektur studiert. «Ich nehme Gefühle räumlich war», erklärt er bei eine Rundgang durch die Schau. «Wenn ich wütend bin, wird alles eng. Bin ich hingegen in einem Liebeszustand, wird alles gross.» Einer der von ihm bespielten Räume wirkt wie eine Baustelle. Die von ihm geschaffene Grundfigur wird hier in Teile zerlegt. Ruine oder Spielplatz? Das bleibt dem Betrachter überlassen. Alles sei hier im Aufbau und Abbau begriffen – «wie im Leben», so der Künstler. Nach vielen Irrungen und Wirrungen in unterschiedlichen Grosstädten, wohnt Graf  heute wieder in Basel. In New York arbeitete er mit dem legendären US-amerikanischen Theatermacher, Maler und Videokünstler Robert Wilson zusammen. Auch nach Schottland und England verschlug es ihn. Zeitweise sei das Geld knapp gewesen, verrät er. In London konnte er sich keine eigene Wohnung leisten. Er habe Einkäufe für einen Arzt gemacht und konnte dafür gratis bei ihm wohnen. «Wir haben viel zusammen Brandy getrunken und philosophiert.» Aus dem Gedanken heraus, wie es wohl wäre, ein reicher Taugenichts statt ein umtriebiger Künstler zu sein, entstand Grafs «Alter Ego», der fiktive Aktionskünstler namens Graphenheim. In Videos spielt Graf Graphenheim und parodiert damit sich selbst und das Kunstmachen. «Graphenheim ist erfolgreich, faul und verdient mehr als ich», so der Künstler. «Ein Aristokrat ohne Ambitionen.»

Exzessiver Zeichner

Von Grafs tatsächlicher Schaffenskraft zeugen die erstmals ausgestellten Zeichnungsbücher (1988-2018), die Einblick in sein Denken geben. Das Spektrum des exzessiven Zeichners reicht von Skizzen für Skulpturen bis hin zu tagebuchartig festgehaltenen Experimenten. Die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Esoterik fasziniert Graf. Er habe sich mit Handlesen beschäftigt, eine zeitlang gar Geld damit verdient. Die Ähnlichkeit von Jahresringen auf Bäumen mit unseren Handlinien sei doch erstaunlich. «Alles besteht letztlich aus den gleichen Grundbausteinen», sagt Graf.
Auch die Frage ob Bild, Objekt oder Text uns stärker prägen, treibt den Künstler um. Im Trptychon «Pierre-feuille-ciseaux» (2018)  setzt er dem Betrachter das Bild von einem Stein, ein tatsächliches Papier und einen Text, der eine Schere beschreibt, vor. Ein Trugbild ist auch die «Door in Grey» (2018). Man denkt auf den ersten Blick, man habe die Fotografie einer Türe vor sich. Tatsächlich handelt es sich um die stark verwitterte Türe, die das Atelier des Künstlers in London schloss. Kurzerhand hat Graf das Objekt hinter Glas gesteckt und zum Bild erhoben.

Angestrengter Minimalismus

Etwas blass wirken die anderen beiden Ausstellungen im Vergleich zu Grafs grossem Wurf. Den zaghaften Zeichnungen der 1987 in Genf geborenen Zara Idelson und der subtilen Malerei der 1978 in Helsinki geborenen Maija Luutonen fehlt es an Wiedererkennungswert. Der maximal angestrebte Minimalismus wirkt angestrengt. Idelson liess sich von ihrem Aufenthalt in London inspirieren. Zu Fuss oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erkundete sie den öffentlichen Raum, hielt das Geschehen mit dem Handy fest und übersetzte danach ihre Beobachtungen mit Öl- oder Acrylfarbe in Malerei. Darstellen will sie «das Gefühl von Bewegung». Die Künstlerin gibt nur wieder, was nötig ist, um das Bild zu verstehen. Die selbst gesetzten Einschränkungen ermöglichen ihr angeblich eine «intensivere Beschäftigung mit dem Akt des Malens selbst». Auf den Betrachter springt der Funke nicht über. Eine angedeutete Kreuzung, Leute in der Metro, Signaletik auf den Strassen: Ja, das hat eine gewisse grafische Qualität – aber aufregend ist anders. Maija Luutonens Ausstellung «Patch» zeigt grossformatige, farbintensive Gemälde unter anderem in Airbrush-Technik. Felicity Lunn, Direktorin des Kunsthauses, spricht von «narrativem Potential», das sich in den abstrakten Gemälden verstecke. Tatsächlich sind es Emotionen, die Luutonen inspirieren. Seien es Scham, Unsicherheit oder allgemeine Müdigkeit.

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