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Biel

«Ich war schon mit fünf Jahren im Chessu»

Er ist mit Leib und Seele DJ: Lamin Kort aka DJ Foxhound ist im Bieler Chessu gross geworden. Am Samstag legt er am letzten Abend vor dem grossen Umbau in der Kuppel auf – Zeit, zurückzublicken.

"Gerade in Biel ist es wichtig, dass du deine Nische findest", sagt Foxhound. Bild: zvg/Torvioll Jashari
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Vera Urweider
 
Rauch hängt in der Luft. Der Boden klebt. Die Wände bemalt, das Licht schummrig. Die Gedanken auch. Selbst bei eisigen Wintertemperaturen wartet man geduldig draussen, bis man endlich rein kann, vorbei am legendären Pizzamann rechts in der Ecke, vorbei an der Kasse, Stempel auf die Unterseite des Handgelenkes, vorbei an der Security, vorbei an den vielleicht hässlichsten Klos Biels, rein in die Masse, in diesen runden Raum mit ebendieser rauchverhangenen Luft und ebendiesem klebenden Bierboden unter den Füssen. Unter der runden Kuppel.
 
Der Chessu, das älteste aktive autonome Jugendzentrum der Schweiz, prägte so einige, in seinem gut 50-jährigen Bestehen. Er inspirierte. So auch Lamin Kort. «Dieser Charme darf er nicht verlieren», sagt er. «Er soll weder geputzt noch geschliffen werden und ich hoffe vor allem, dass er in einem gewissen Grade autonom bleibt». Kort ist vielmehr als bloss häufiger Chessubesucher. Er ist auch wiederkehrender Act. Und Veranstalter. Über die Stadt- oder gar Landesgrenzen hinaus ist der Bieler bekannt als DJ Foxhound und Teil der Hip-Hop-Crew Capsule Corporation. Gemeinsam mit Freunden rief er die Rap History-Reihe ins Leben – Hip-Hop-Geschichte musikalisch dargestellt, Jahr für Jahr, angefangen mit dem «Prequel» – Musik aus vor 1979, Musik also, die den Hip-Hop beeinflusst hat. «Danach ging es los», so Kort. Chronologisch wurden monatlich Rap History-Events im Chessu organisiert, bis das DJ-Team 2015 musikalisch bei 2014 angelangt war.
 
Die Anfänge
«Danach machten wir eine Pause. Wir hatten uns ja selber eingeholt.» Er lacht. Die Crew wusste damals schon, dass dem Chessu ein Umbau bevorsteht. Also wartete man ab. Und wenn das Team nach dem Chessu-Umbau noch zusammen ist, «dann haben wir wieder Material ab 2015 bis ins zukünftige Jetzt», sagt er. Nun ist es tatsächlich soweit: Am vergangenen Wochenende wurde, mit Rock am Freitag und Reggae am Samstag, und am kommenden wird im ehemaligen Gaskessel die letzten Male eingeheizt. Am Freitag mit Electro und Rave, am Samstag folgt das letzte Rap-History-Special mit Classics aus allen Epochen und DJ Foxhound im Abschieds-Line-Up, neben seinen Kollegen Ker, Nerz und Wiz.
 
«Für mich ist das eine riesen Ehre in dieser allerletzten Nacht einer langen Ära auflegen zu dürfen», so Kort. «Seit den Achtzigern ist der Chessu weltbekannt. Er prägte die Bieler, nein, die Schweizer Hip-Hop-Szene. Die Bieler Kultur und die Menschen im Allgemeinen.» Für Kort kommen viele Emotionen und Erinnerungen zusammen. Als eingefleischter Bieler zum einen. Als Gründungsmitglied der Rap-History und als DJ zum anderen. Aber auch als Sohn eines weltgereisten Musikers, der, selbstredend, auch im Chessu spielte. «Ich war schon mit fünf Jahren im Chessu. Papa spielte, ich staunte.»
 
Von Vaters Perkussionskünsten lernte Kort das Rhythmusgefühl. Der Nachbar, ein Funkplattensammler, lud den Jungen zum stunden- und tagelangen Stöbern ein. Vor 20 Jahren etwa, versuchte der heute bald 36-Jährige sich zum ersten Mal mit zwei Plattenspieler in einem «Proberüümli». Noch vor dem Internet und MP3 suchte er sich seine Musik zusammen, baute seine Sammlung auf und schulte sein Ohr ganz genau für die Wechsel zwischen den Platten und den Songs. Alles Handarbeit. 2003 folgte der erste Auftritt. «Ich war 18 und legte vor DJ Ker auf. Der war damals schon ne grosse Nummer und ich ziemlich nervös». Kort lächelt. Danach folgten immer mehr Auftritte, 2005 zum ersten Mal als Gast-DJ im Chessu. «Die ersten drei oder vier Jahre hatte ich gar keine eigenen Turntables zu Hause.» Musik holte er beim Nachbarn, geübt wurde bei Freunden.
 
Die Spezialisierung
Heute, 20 Jahre nach den ersten Versuchen, steht der Name Foxhound für zwei Dinge in der DJ-Szene: Einmal für einen DJ, der sehr polyvalent gekonnt verschiedene Musikstile zusammenmischt. Und einmal für den Breakdance-DJ der Region. «Es gibt wohl maximal zehn in der ganzen Schweiz», sagt er. «Gerade in Biel ist es wichtig, dass du deine Nische findest. Die Dichte an DJs und die Qualität jener ist sehr hoch. Da steigt der Druck, dein eigenes Ding zu machen», sagt er. Dass er so polyvalent zwischen den Musikstilen, die auch über den Hip-Hop hinausgehen, in den Jazz, Soul, Funk oder Klassik, hin und her schlängeln kann, verdankt er seinem tiefen Interesse an der Herkunft des Hip-Hops. «Die Vertiefung in diese Musik hat mich musikalisch schliesslich enorm geöffnet», so Kort. Das verschaffe ihm ganz eigene Dynamiken in seinen Sets. Denn jede Musikrichtung hat seinen Rhythmus und somit eine eigene Art und Weise, aufgelegt zu werden. «Somit kann ich die Menschen immer wieder überraschen. Und ihnen ihre Lieblingslieder zeigen, die sie noch gar nicht kannten». Er lächelt wieder.
 
Als Breakdance-DJ ist er auf vielen Jams vertreten, wo sich alle Sparten der Hip Hop-Kultur begegnen. Neben der Musik also auch Graffiti oder eben Tanz, sogenannte «Battles». «Da musst du sehr aufmerksam sein als DJ», sagt er. «Die Bewegungen der Tänzer stets beobachten und wenn der zweite eines Battles zu einem Abschluss findet, musst du zügig den Song wechseln, ohne vom Takt zu weichen, damit gleich der Erste, ohne Unterbrechung, wieder herausfordern kann.» Generell beobachte er sehr viel als DJ. Die Stimmung des Publikums aufnehmen. Vielleicht das Set anpassen. Und wieder etwas Überraschendes bringen. «Wenn ich auflege, bin ich viel sensibler und nehme die Atmosphäre viel krasser war». Pause. «Und nach einem Set, bin ich gleichzeitig emotional so voll und körperlich so erschöpft, da brauch ich eine halbe bis zwei Stunden, bis ich wieder im Hier und Jetzt ankomme. Das ist so intensiv!» Gut vorstellbar also, dass am kommenden Samstag dann gar ein paar Tränchen fliessen. 
 
Stichwörter: Chessu, Biel, DJ, Musik, Kultur

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