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Biel

«Ich würde mir wünschen, dass sich die Menschen bei meinem Auftritt ihre Augen verbinden»

Delia Gnoni ist eine der wenigen Schweizer DJanes in der Elektro-Szene, die auch im Ausland bekannt ist. Die Bielerin ist bekannt als She Nionika. Gefragt ist sie nicht nur wegen ihrer Musik, sondern auch, weil sie eine junge Frau ist.

Während des Auftritts ist die 26-Jährige in ihrer eigenen Welt. Die Blicke der Partygäste lassen sie kalt. Bild: zvg

Interview: Hannah Frei

Delia Gnoni, wie erklären Sie Ihrem sechsjährigen Sohn, was Sie bei den Auftritten hinter dem DJ-Pult machen?
Delia Gnoni: Für ihn ist das längst nichts Neues mehr. Seit er denken kann, weiss er, was ich als DJane mache. Meine Mutter, sein Vater, ja sogar all seine Onkels sind als Elektro-DJ unterwegs und wir haben ihm früh gezeigt, wie wir am Mischpult Platten auflegen und die Übergänge zwischen zwei Musik-Stücken vorbereiten. Auch weiss er, dass wir unsere Musik selbst im Studio produzieren. Heute muss ich ihm nur noch sagen: Ich gehe mixen.

Wollte er Sie bereits bei einem Auftritt begleiten?
Ja, er war auch schon oft beim Soundcheck dabei – immer mit Schutz-Kopfhörern. Aber sobald es dämmert und langsam die Gäste bei den Elektropartys erscheinen, wird es für ihn Zeit, nach Hause zu gehen.

Wo schläft Ihr Sohn, wenn Sie in der Nacht hinter dem DJ-Pult stehen?
Entweder bei meinen Grosseltern, seinem Vater oder bei Freunden. Meine Eltern leben heute beide im Ausland, sie in Italien, er in Spanien. In den letzten zwei Jahren gab es Phasen, in denen ich fast an jedem Wochenende unterwegs war. Ich rannte nur noch von einem Auftritt zum anderen – Zürich, Brüssel, Berlin, Biel – habe meinen Sohn dabei kaum mehr gesehen. Und wenn ich dann montags wieder nach Hause kam, war ich viel zu müde, um ihm die Aufmerksamkeit zu geben, die er verdient hat.

Das ist also der Grund für Ihre dreimonatige Pause.
Ja, ich will wieder mehr Zeit mit ihm verbringen und mich von dieser anstrengenden Phase erholen können. Sonst würde ich wahrscheinlich nicht weitermachen wollen.

Ab April sind Sie beim Musik-Label Modvlar unter Vertrag. Dort sind Sie, wie bei den meisten Elektro-Musik-Labels, als Frau deutlich in der Minderheit. Weshalb hat sich das Modvlar Basement für Sie entschieden?
Sie kamen auf mich zu und sagten mir, dass sie meine Arbeit als DJane in der letzten Zeit verfolgt hätten und mich gerne bei ihnen aufnehmen würden, auch weil sie explizit eine Frau suchten.

Was halten Sie davon, dass Sie nicht nur wegen Ihrer Musik, sondern auch aufgrund Ihres Geschlechts aufgenommen wurden?
Ehrlich gesagt versuche ich, mir darüber nicht allzu viele Gedanken zu machen. Sonst würde ich dies nur hinterfragen. Ich bin froh, dass ich bei diesem Label aufgenommen wurde. Schliesslich gefällt ihnen ja auch meine Musik. Aber es gab auch schon andere Anfragen, die für mich zu weit gingen.

Weil Ihre Musik nur eine kleine Rolle spielte?
Sie wussten nicht einmal, welche Stilrichtung ich auflege. Und sie sagten mir, dass Sie mich aufgrund meines Aussehens für einen Auftritt wollen. Sie fragten mich sogar, ob ich nicht auch Hip-Hop auflegen und knappe Kleidung anziehen könne. Das hat mich unheimlich genervt und ich habe die Anfrage sofort abgelehnt.

Bei Ihren Auftritten sind Sie meist schlicht gekleidet: schwarzes Shirt, lange Hose, Sneakers. Steckt da eine Absicht dahinter?
Nein, das ist einfach mein Stil. Ich trage eigentlich immer schwarz. Ich style mich nie extra für einen Auftritt, sondern lege in denselben Kleidern auf, in denen ich am Nachmittag auch in den Supermarkt gehe.

Trotzdem sind Sie wahrscheinlich auch schon im Klub von Betrunkenen angemacht worden.
Wenn ich auflege, dann bekomme ich dies meist gar nicht mit. Und um ehrlich zu sein, ist das auch besser so für mich. Ich bin dann ganz bei mir selbst, befinde mich in meiner eigenen Welt, schaue nur hin und wieder in die Menge, um festzustellen, ob ihnen meine Musik gefällt, ob ich eher die härteren Lieder auspacken oder ruhigere Töne bringen soll. Es sind dann meine Freunde, die mir nach dem Auftritt sagen: «Die dort drüben haben dich die ganze Zeit über angestarrt, dich gefilmt und dir zugerufen, wie schön sie dich finden.»

Und nach dem Auftritt?
Meist bleibe ich dann für zirka eine Stunde hinter der Bühne. Zum einen, um mich ein wenig zu entspannen und mich mit den anderen auszutauschen. Aber auch, um zu vermeiden, dass ich nicht gleich von Männern angequatscht werde. Grundsätzlich erhalte ich jedoch sowohl von Männern als auch von Frauen hauptsächlich positive und angenehme Rückmeldungen nach den Auftritten.

Gab es einen Moment in Ihrer bisherigen DJane-Karriere, in dem Sie sich gewünscht hätten, ein Mann zu sein?
Ja, den gab es. Vor zirka zwei Jahren wurde ich für einen Festival-Auftritt in Rumänien angefragt. Sowohl das Line-Up als auch die Location wären toll gewesen. Eigentlich hat alles gepasst. Aber ich hätte ganz alleine von Bukarest weit weg bis in den Wald an dieses Festival fahren müssen, ohne Begleitung. Davor hatte ich solche Angst, dass ich die Einladung nicht angenommen habe. Für einen Mann wäre dies wohl kein Problem gewesen, für mich als junge Frau aber schon.

In den Medien gab es vor rund zwei Jahren eine hitzige Debatte wegen des Deutschen Musikers Konstantin, der das renommierte Label Giegling aus Weimar gegründet hat. Er sagte damals in einem Interview, dass Frauen meist schlechter auflegen würden als Männer, aber trotzdem mehr gefördert würden. Was sagen Sie dazu?
Das sagen nur Menschen, die leider nur die Frau hinter dem Mischpult anschauen, nicht aber ihre Musik hören. Oft würde ich mir wünschen, dass sich die Besucher bei meinem Auftritt die Augen mit einem Band verbinden und nur die Musik hören. Ich wette, dass sie dann nicht beurteilen könnten, ob nun eine Frau oder ein Mann auflegt. Denn viele Männer stehen einfach mit ihrem Handy vor der Bühne und filmen mich. Sie könnten doch auch einfach meine Musik aufnehmen. Aber darum scheint es ihnen nicht zu gehen.

Fakt ist aber, dass Frauen in der Elektro-Szene immer noch deutlich in der Minderheit sind. Sollten Frauen deshalb mehr gefördert werden?
Obwohl ich davon profitiere, wenn explizit Frauen gesucht werden, finde ich, dass die Musik immer im Vordergrund stehen sollte, egal ob Mann oder Frau.

Info: Die Sets von She Nionika finden Sie unter www.soundcloud.com/shenionika.

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She Nionika
Die Mutter Italienerin, der Vater Spanier, ist Delia Gnoni 1992 in Biel geboren. Nach der regulären Schulzeit begann sie eine Ausbildung als Coiffeuse, die sie aber nicht beendete, weil ihr die Arbeit nicht gefallen hat. Kurz darauf wurde sie schwanger und ist seither «hauptberuflich Mutter», wie sie sagt. Bereits als 14-Jährige hatte sie ihren ersten Auftritt als DJane im Klub «Legend» in Biel. Begleitet wurde sie von ihrer Mutter Letizia Gnoni, die ebenfalls als DJane tätig war. Durch den Vater ihres Sohnes und ihren Bruder, die beide ebenfalls bereits in Klubs aufgelegt hatten, kam sie mit dem Deutschen Musik-Label Deep Square Records in Kontakt. Dies öffnete ihr die Tür ins Ausland. So konnte die heute 26-jährige Delia Gnoni alias She Nionika bereits in bekannten Elektro-Klubs in Deutschland, Luxemburg, England, Rumänien, Belgien, in der Schweiz und auf Ibiza auflegen. Heute lebt sie alleine mit ihrem Sohn in Biel, getrennt vom Vater, teilt aber das Sorgerecht mit ihm. Seit Kurzem ist sie beim Musik-Label Modvlar Basement unter Vertrag. Am 30. März beendet sie ihre Karriere-Pause mit einem Auftritt auf dem Terrain Gurzelen. haf

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