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Oper

Im Krieg gibt es nur Verlierer

Theater Orchester Biel Solothurn bringt mit der Oper «Mazeppa» von Peter I. Tschaikowsky einen brandaktuellen Stoff auf die Bühne, überzeugt damit aber nicht auf allen Ebenen.

Tod und Verwüstung: Auch Andrej, der vergeblich um Maria gekämpft hat, wird die Kriegsfolgen nicht überleben. Bild: zvg/Suzanne Schwiertz

Annelise Alder

Die Oper «Mazeppa» ist nichts für zarte Gemüter. Das signalisieren bereits die ersten paar Töne im Orchestervorspiel. Dunkel und bedrohlich klingt das Thema von Celli und Bässen. Das gesamte Orchester fährt immer wieder mit heftigen Akzenten dazwischen.

Beschaulich wird es erst, als sich der Vorhang öffnet. Zu sehen sind junge Frauen, die sich arglos dem geselligen Spiel und Tanz hingeben. Einzig Maria steht abseits. Im dunkel gefärbten Sopran von Eugenia Dushina ist die düstere Vorahnung bereits eingeschrieben: Ihre verbotene Leidenschaft hat nämlich Gewalt und Tod zur Folge.

 

Im Mittelpunkt steht das Schicksal der Menschen

Das Beklemmende dabei: Der Stoff ist brandaktuell. Mazeppa ist ein ukrainischer Kosake, der sich gegen die Übermacht des russischen Zarenreichs auflehnt. Trotzdem ist es reiner Zufall, dass die Premiere der Oper von Peter I. Tschaikowsky vergangenen Freitagabend im Stadttheater Biel mit der Invasion Russlands in die Ukraine zusammenfällt (das BT berichtete). Dieter Kaegi, Intendant von Theater Orchester Biel Solothurn, setzt vielmehr eine Tradition des Hauses fort. Wieder präsentiert er dem Publikum eine eindrückliche Rarität des Opernrepertoires. Nach «Iolanta» ist Tschaikowsky ein weiteres Mal als hinreissender Operndramatiker zu entdecken.

«Mazeppa» geht auf eine literarische Vorlage von Alexander Puschkin zurück. Darin wird die historische Schlacht bei «Poltawa» geschildert. Den Krieg zwischen den ukrainischen Aufständischen und dem Zarenreich nutzt der Komponist allerdings nur als Rahmenhandlung. Im Mittelpunkt stehen Menschen und ihre Schicksale.

Die Oper liest sich deshalb wie einen Kommentar zum derzeitigen Geschehen in Osteuropa: Unter Krieg und ihren Folgen leidet in erster Linie die Zivilbevölkerung – allen voran die Frauen.

Maria ist dabei einzig einer ihr «unbegreiflichen Kraft» gefolgt. Doch ist ihr bewusst, dass die Liebe zum Kosakenführer Mazeppa, der zugleich ihr Patenonkel ist, vom Elternhaus nicht toleriert werden kann. Als Mazeppa um ihre Hand anhält, tut Askar Abdrazakov als ihr Vater Kotschubej dies mit sonorem Bass als Scherz ab. Dem Kosakenführer ist allerdings nicht zum Scherzen zumute. Aleksei Isaev in der Titelrolle spielt auch stimmlich seine Macht aus: «Ich nehme was mir gehört». Doch zeigt der wandlungsfähige russische Bariton auch Zweifel und Skrupel. Dann nämlich, wenn es darum geht, das Todesurteil von Marias Vater zu unterzeichnen. Rasch aber findet er zu seiner gewohnten Entschlossenheit zurück. Dagegen kann der weiche tenorale Schmelz des Igor Morozov als Andrej und auch das verzweifelte Ringen von Jordanka Milkova als Marias Mutter nichts ausrichten.

 

Kontraste bestimmen
die Musik und die Bühne

Tschaikowsky lässt in «Mazeppa» die Gegensätze heftig aufeinanderprallen. Die ausgelassene Stimmung im Garten Kotschubejs, in dem die Gäste ausgiebig dem Wodka frönen und Trepak tanzen (Choreografie: Damien Liger, Choreinstudierung: Valentin Vassilev), wird durch den wüsten Streit zwischen Mazeppa und Kotschubej jäh unterbrochen. Die Volksfest-artige Stimmung aus Anlass der bevorstehenden Hinrichtung von Vater Kotschubej und seinem Freund Iskra (Konstantin Nazlamov) durchschneiden die Gewehrsalven auf brutale Weise.

Nicht immer gelang dem Sinfonieorchester Biel Solothurn unter der Leitung des zukünftigen Chefdirigenten Yannis Pouspourikas eine klare Profilierung dieser Kontraste, was auf zu viele unpräzise Passagen zurückzuführen war. Und das tiefe Blech hinkte zu Beginn des grossen orchestralen Schlachtengemäldes bedrohlich hinterher.

Schön zur Geltung kamen in dieser für kleines Orchester adaptierten Version der Oper an vielen Stellen die Holzbläser. Berührend, wie eine wehmütige Klarinettenweise die Besiegelung des Todesurteils Kotschubejs musikalisch untermalt. Tschaikowsky, das wird einem einmal deutlich, ist ein Meister im Einsatz von instrumentalen Farben.

Die im Werk angelegten Gegensätze werden in der Inszenierung und in der Ausstattung durch Dieter Kaegi und Dirk Hofacker dagegen geschärft. Bunt sind die Gewänder der Freundinnen Marias, feminin ihre Erscheinung im 50er-Jahre-Stil. Dazu passt auch die auf die Leinwand projizierte Landschaftsidylle samt See und Birken.

Bedrückend dagegen der Folterkeller und seine Ausstattung, die das Grauen in ihren schlimmsten Auswirkungen erahnen lässt, und die in Militäruniform und schwarzem Leder gewandeten Schergen. Nachvollziehbar, dass für Maria am Schluss nur noch die Flucht in den Wahnsinn bleibt.

Info: Weitere Informationen zum Stück und zur Besetzung sowie Spieldaten und Tickets unter www.tobs.ch

Stichwörter: Kultur, Theater, Oper, Tobs, Biel, Solothurn, Krieg

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