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Konzert

Im Zeichen der Freundschaft

Eine unübliche Programmfolge und eine Doppelbegabung: Das sind die Kennzeichen des zweiten Sinfoniekonzerts
des Theater Orchester Biel Solothurn vom Mittwoch.

Erfüllte hohe Ansprüche: Der amerikanische Pianist Andrew von Oeyen glänzte mit elegantem und durchdachtem Spiel. Bild: zvg

Annelise Alder

Auf dem Papier wirkt das Programm schlüssig: zuerst Brahms, dann Schumann. Schliesslich waren die Komponisten befreundet. Die Rede ist von drei, nicht von zwei Personen. Denn was sich nach Robert Schumanns Freitod im Jahre 1856 zwischen Johannes Brahms und der 14 Jahre älteren Clara Schumann entwickelte, ist mehr als eine tiefe Freundschaft. Clara wurde für den von Selbstzweifeln geplagten Brahms zur wichtigsten Vertrauten. Doch es war Robert Schumann, der den jungen Komponisten zu seiner Weltkarriere verhalf. Dies mit seinem Artikel in der «Neuen Zeitschrift für Musik», wo er das Nachwuchstalent aus Hamburg einen «Berufenen» nannte. Brahms brachte das viel zitierte Diktum nicht nur Gutes, wie etwa den eminent wichtigen Kontakt zum Musikverlag Breitkopf & Härtel. Er haderte ein Leben lang mit seiner angeblichen Berufung.

 

Gemeinsamer Atem
Der Musik von Johannes Brahms merkt man das zähe Ringen, das ihr jeweils vorausging, dennoch nicht an. Das wurde am Konzert von vergangenem Mittwoch im Bieler Kongresshaus einmal mehr deutlich. Sein Klavierquintett ist nicht nur ein Höhepunkt im Schaffen des Komponisten. Es gilt als eines der gewichtigsten Kammermusikwerke überhaupt. Seine zeitlichen und klanglichen Ausmasse sind von sinfonischem Zuschnitt. Diesen Anspruch erfüllten die Solisten Augustin Dumay, Vladyslava Luchenko, Filip Michal Saffray, Brigitte Fatton und Andrew von Oeyen ohne Zweifel. Allfällige Bedenken, dass ein Kammermusikwerk den Saal im Kongresshaus klanglich nicht ausfüllen könnte, waren jedenfalls nach den ersten paar Einleitungstakten weggewischt. Das Klavier und die vier Streicher vermischten sich im Raum zu einem klangvollen und ausbalancierten Miteinander. Das entspricht ganz der Intention von Brahms. Die Streicher fielen dabei durch grosse Homogenität auf. Ihr gemeinsamer Atem liess die Musik in ihrer Erhabenheit aufblühen. Ihre Struktur blieb dennoch stets erkennbar.

 

Kammermusik im grossen Saal
Auf der Bühne sass kein eingespieltes Kammermusikensemble. Dennoch zeugte das Zusammenspiel der Solistinnen und Solisten von grosser Vertrautheit untereinander. Bei den Stimmführern des Orchesters – Brigitte Fatton, Cello, Filip Michal Saffray, Viola und Vladyslava Luchenko, 1. Violinen – liegt das nahe. Auch zum Geiger und Dirigenten Augustin Dumay, der zum ersten Mal bei Theater Orchester Biel Solothurn zu Gast war, gibt es eine Verbindung: Die Konzertmeisterin des Sinfonieorchesters Biel Solothurn hat bei Augustin Dumay an der Chappelle Musicale Reine Elisabeth in Brüssel studiert.

Dumay führte das Ensemble auf bestimmte, wenn auch nie vordergründige Art an. Die übrigen Musiker, allen voran auch der amerikanische Pianist Andrew von Oeyen fügten sich flexibel in den insgesamt zügigen und auf Transparenz angelegten musikalischen Verlauf. Doch liessen die Musikerinnen und Musiker es sich nicht nehmen, solistische Passagen auszuspielen und musikalisch motivierte Akzente zu setzen. Vor allem der Pianist erfüllte die hohen Ansprüche, die sein Part stellt, auf bewundernswert eloquente, aber immer klar konturierte Weise. Die Nachteile, die sich bei der Aufführung von Brahms Klavierquintett in einem grossen Saal ergeben, zeigten sich vor allem im langsamen zweiten Satz. Die berückende Intimität, wie sie das Werk bei aller orchestralen Dimension eben auch auszeichnet, stellte sich nie ein. Das lag wohl auch an der gar nüchternen Vorgabe Dumays. Und – um ein weiteres Beispiel zu nennen – auch die unheimliche Spannung, welche die Einleitungstakte des Scherzos auszeichnen, wäre in einem intimeren Rahmen besser zu Geltung gekommen. So überzeugte das Klavierquintett von Johannes Brahms als Eröffnung eines Sinfoniekonzerts nur bedingt.

 

Applaus auch fürs Orchester
Der Pianist Andrew van Oeyen kam nach der Pause wieder zum Einsatz. Den guten ersten Eindruck, den er davor erweckt hatte, bestätigte sich im Klavierkonzert von Robert Schumann. Sein Spiel ist elegant und durchdacht. Seine Aufmerksamkeit gilt auch musikalischen Details. Doch verliert der Pianist nie den Blick aufs Ganze. Das wurde auch in der Kadenz deutlich, die er wie ein musikalisches Relief mit unterschiedlich gewichtigen Tönen gestaltete. Andrew van Oeyen nutzte den Solopart im Klavierkonzert nie zur eigenen Profilierung. Er verlieh den vielen Laufpassagen vielmehr Struktur und ordnete sie dennoch dem thematischen Geschehen im Orchester unter, von dem es so reichlich gibt. Augustin Dumay, nun am Dirigentenpult, animierte mit höchst präziser und energischer Zeichengebung das Sinfonieorchester Biel Solothurn dabei zu Höchstleistungen. Zurecht liess der Dirigent den Klarinettisten Gérard Schlotz, den Oboisten Edmund Worsfold Vidal und die Flötistin Polina Peskina den Schlussapplaus gesondert entgegennehmen. Doch auch die die übrigen Orchestermitglieder, allen voran die Streicher zeigten sich höchst motiviert. Die Celli kosteten ihr Thema im langsamen Satz genüsslich aus. Und auch die Violinen liess der Dirigent klangvoll ausspielen, so etwa im dritten Satz.

Augustin Dumay ist vor allem als Geiger weltberühmt. Am Mittwochabend überzeugte er auch als Dirigent. Im Orchester fand er einen willigen Partner, um der ersten Sinfonie von Ludwig van Beethoven energisches Profil zu verleihen. Schliesslich hatte sich Beethoven damit dem Publikum in Wien erstmals als Sinfoniker vorgestellt. Der Originalität seiner Musik war er sich durchaus bewusst. Entsprechend zügig und konturiert spielte das Sinfonieorchester den ersten Satz. Das anschliessende Andante erinnerte an das einstige Vorbild Haydn und wurde von Dumay und dem Orchester passend als Klangrede formuliert. Dann liess der Dirigent den sprichwörtlichen Heisssporn zu Wort kommen. Menuett steht zwar über dem Satz geschrieben. Doch ganz richtig deutete Augustin Dumay den Satz bereits als ein wildes Scherzo mit einem geheimnisvoll huschenden Beginn. Grossartig, wie die Violinen die raschen, beiläufigen Figurationen im Mittelteil gestalteten. Der Schlusssatz schliesslich pendelte zwischen klassisch-heiterem Kehraus und vorwärtsdrängender Bestimmtheit.

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