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Ausstellung

Je heller das Holz, desto neuer das Haus

Im Neuen Museum Biel ist das Bieler Stadtmodell nun dauerhaft zugänglich. Es ist grundlegend aufdatiert worden. Vereinzelt zeigt es sogar Gebäude, die in der Realität noch nicht fertig sind.

Stadtpräsident Erich Fehr sieht das Bieler Stadtmodell zum ersten Mal in seiner ganzen Pracht.  copyright: barbara héritier/bieler tagblatt
Tobias Graden
 
Welches ist Ihr Lieblingsort in Biel? Das werden die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung «Biel macht Museum» des neuen Museums Biel gefragt. Sie können auf einem grossen Stadtplan, der im Haus Schwab aufgehängt ist, den Ort mit einer Nadel markieren und verraten, was sie mit ihm verbindet. Es kann beispielsweise der äusserste Punkt der Schiffländte sein, wo eine Frau ihren Mann zum ersten Mal geküsst hat. Oder die Gurzelen, wo laut einem mutmasslich jüngeren Besucher die beste Skateboardbahn weit und breit steht. 
Wenige Meter entfernt, im Hauptbau des NMB, wird man sich künftig diese Lieblingsorte in 3-D anschauen können. Hier ist nämlich neu das Bieler Stadtmodell ausgestellt – die ganze Stadt als Modell aus Holz und Kork, Biel auf einer Fläche von 20 Quadratmetern im Massstab 1:1000. Und das Modell soll nicht einfach nur da stehen, es soll bespielt werden. Bereits jetzt lassen sich an einem Panel Adressen eingeben, die dann auf dem Modell aufleuchten. Die Lieblingsorte der Bielerinnen und Bieler auf diese Weise darzustellen, ist eine weitere Idee. 
 
Erstmals fertig 1975
Es ist das erste Mal, dass dieses Stadtmodell öffentlich ausgestellt wird. Sogar damit vertraute Amtsträger wie Stadtpräsident Erich Fehr oder die Leiterin Stadtplanung, Florence Schmoll, sehen es zum ersten Mal in ganzer Pracht. Wenn die Stadtplanung mit dem Modell arbeitete, kamen bislang nur einzelne der insgesamt 35 Elemente zum Einsatz. 
Wie kommt die Stadt überhautp zu einem solchen Modell? Seine Ursprünge liegen in den 1970er-Jahren, nicht zuletzt sollte es dazu dienen, Strassenprojekte zu planen. Ungefähr 1975 dürfte es nach damaligem Stand fertig gewesen sein. Im Jahrzehnt darauf beschäftigte die Stadt einen Modellbauer, der es in seinem Atelier à jour hielt. Er arbeitete überaus präzise, wie etwa ein Blick auf die Altstadt zeigt. Auch heute noch führt laut Florence Schmoll in der Stadtplanung nichts über die Arbeit mit dem Modell: Digitale Techniken und Computeranimationen seien zwar weit fortgeschritten, ein reelles Gefühl für den Raum sei aber nur mit dem Modell möglich. 
 
Unerklärliche Lücken
Ein erstes Mal rundum erneuert wurde das Modell im Jahr 2016. Anlass war die Planung des A5-Westastes. Allerdings ist einerseits auch in den letzten paar Jahren in der Bieler Stadtentwicklung einiges gegangen, anderseits blieben 2016 auch ältere Stadtteile vom Update unberücksichtigt. Das Mösliquartier zum Beispiel wies Lücken auf, die Heilpädagogische Tagesschule im Ried fehlte auch. 
Im letzten Jahr wurde das Modell darum erneut grundlegend aktualisiert. Welche Gebäude entweder real neu entstanden sind oder im Modell hinzugefügt wurden, lässt sich am Farbton der «Holzklötzchen» ablesen: Je heller, desto jünger. So prangt also nun auch die Swatch-Schlange mitten in der Stadt, der Innovationspark ist hinzugekommen, im Industriegebiet Bözingenfeld sind nicht nur die Stadien, sondern ohnehin viele der dortigen Gebäude neueren Datums. Kurz: Die tiefgreifende Entwicklung von Biel seit dem Jahr 2000 lässt sich auch im Modell sehr gut nachverfolgen. 
Manche Gebäude, die im Modell bereits stehen, sind in Realität noch nicht einmal fertig gebaut, so zum Beispiel die Erweiterung des Rolex-Komplexes. 
 
Eigentlich recht flach
Und hat der Betrachter diese verkleinerten 21 Quadratkilometer Stadtfläche mit ihren 9132 Holzhäuschen vor sich, fällt es leicht, Eindrücke übers Ganze zu gewinnen und politische Schlüsse d araus zu ziehen. So geht es jedenfalls Stadtpräsident Erich Fehr. Er zeigt auf die Rolex-Produktionsstätten und sagt:«Hier arbeiten tausende Personen.» Viel weniger sind es bei Gebäuden mit ebenfalls grossem Flächenbedarf wie Hornbach oder dem Centre Boujean. Fehr folgert: «Zu Recht fordert die Stadt mittlerweile auch im Bözingenfeld Verdichtung ein.» Ein Vorschlag für die Stadien, der die Fachmärkte nicht in diese integrieren, sondern auf der Wiese nebenan bauen wollte, wurde darum nicht weiter berücksichtigt. 
Aber auch die Topographie ist im Stadtmodell gut erkennbar: «Biel ist im Grossen und Ganzen recht flach», sagt Fehr, und fügt die verkehrspolitische Schlussfolgerung an: «Es ist darum gut geeignet für den Langsamverkehr.» Apropos Topographie: Das Stadtmodell zeigt zwar Erhöhungen sehr präzis an, geht aber nicht in die Tiefe. Das ehemalige Feldschlösschen-Areal, auf dem dereinst der Campus Technik zu stehen kommt, ist als Fläche dargestellt, nicht als die monumentale leere Baugrube, die es derzeit ist. 
Leicht erkennbar ist auch, wo die Stadt noch grosses Potenzial hat: Das Areal des Güterbahnhofs nimmt eine imposante Fläche ein mitten in der Stadt. Wird dieser in Zukunft nicht mehr benötigt, dürfte um die Mitte des Jahrhunderts viel neuer Spielraum hinzukommen. «Biel kann noch wachsen», sagt Florence Schmoll. 
 
Mit dem Modell arbeiten
Sollte jemand einen Fehler im Modell entdecken, kann er oder sie dies bei der Stadt melden – am Eingang zum Ausstellungsraum ist ein QR-Code angebracht, der gleich zur entsprechenden Stelle führt. Im Raum selber sind Ansichten Biels aufgehängt, die Bilder stammen aus der Sammlung des NMB. Sie ergänzen das aktuelle Modell ideal, reichen sie doch von einem unbekannten Maler des 17. Jahrhunderts bis in die letzten Nullerjahre mit einem Werk Martin Ziegelmüllers. Entwicklungen über die Zeit werden mittels interaktiver Beleuchtungstechnologie auch am Modell selber sichtbar gemacht werden. Und schliesslich wird das Stadtmodell auch künftig als Arbeitsinstrument dienen: Expertinnen und Experten im Bereich Stadtplanung werden hier ihre Sitzungen abhalten. 
Und damit zurück zu den Lieblingsorten. Wo in Biel er seine Frau zum ersten Mal geküsst hat, das weiss Stadtpräsident Erich Fehr nicht mehr. Sehr wohl aber, wo er sie kennengelernt hat. Dieses Gebäude lässt sich im Stadtmodell aber nicht mehr anleuchten: Es ist das alte Eisstadion, das nicht mehr steht. 
Info: Das Stadtmodell kann zu den Öffnungszeiten des NMB besichtigt werden. Vernissage am Sonntag, 11 Uhr, mit Referaten von Gemeinderätin Glenda Gonzalez-Bassi (PSR) und Bernadette Walter (Direktorin NMB). Um 12 Uhr erklärt Stadtplanerin Florence Schmoll das interaktive Stadtmodell.
Stichwörter: Kultur, Biel, Museum, stadtmodell

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