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Ausstellungen

Keine Vernissagen, dafür ein Treibhaus

Nach einem Jahr Unterbruch findet der schöne Monat Mai dieses Jahr statt. Ab heute lockt der Joli mois de mai mit 90 künstlerischen Positionen aus der Region an drei Ausstellungsorte in der Bieler Altstadt.

Jocelyne Rickli verwandelt Staub aus dem Trockner in abstrakte Kunst. zvg

Interview: Simone K. Rohner
Alice Henkes, letztes Jahr musste der Joli mois de mai coronabedingt ausfallen. Wie haben die Visarte-Kunstschaffenden dieses stille Ausstellungsjahr genutzt?
Alice Henkes: Das ist sehr individuell, denke ich. Manche sind einigermassen gut zurecht gekommen. Und für andere war es einfach ein sehr hartes Jahr, weil sämtliche Ausstellungsmöglichkeiten und somit auch sämtliche Verkaufs- und Einnahmemöglichkeiten weggebrochen sind. Es ist aber für viele nach wie vor eine sehr dramatische Zeit. Die Situation ist ja immer noch sehr ungewiss. Und auch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die durch Corona entstanden sind, erledigen sich nicht von heute auf morgen.

Wie ist die Stimmung bei den Kunstschaffenden?
Ich denke, die Verunsicherung ist gross darüber, wie es weitergehen wird, was die Massnahmen noch alles bedeuten werden für die Kunst. Es gibt aber auch Verärgerung und Enttäuschung darüber, wie von politischer Seite mit Kultur umgegangen wird. Die Kunstschaffenden, auch über die bildende Kunst hinaus, haben stark das Gefühl, dass das, was sie machen, nicht wertgeschätzt wird.

Ein Aspekt dieser Pandemie ist die Planungsunsicherheit für alle Arten von Veranstaltungen. Wie hat sich das auf den diesjährigen Joli mois de mai der Visarte ausgewirkt?
Dieses Jahr war es eine Zitterpartie. Wir haben immer auch einen Plan B an der Hand gehabt. Im Grunde haben wir die diesjährige Ausgabe doppelt geplant. Einmal, in der jetzt gezeigten Version, bei der man die Räume betreten darf, unter den gegebenen Auflagen. Und einmal als Ausstellung in den Fenstern, die von aussen zu sehen gewesen wäre. Diese Planung hat uns extrem gefordert und beschäftigt.

Der Joli mois de mai ist ja auch immer ein Ort, um sich zu treffen, auch für die Kunstschaffenden. Heuer gibt es nun aber keine Vernissagen. Wie wirkt sich die Pandemie sonst noch auf die Ausstellungen aus?
Die Stimmung wird dadurch natürlich eine andere sein. Der Aspekt der Geselligkeit kommt so nicht in dem Masse zum Tragen wie in anderen Jahren. Wir versuchen aber schon noch, eine Möglichkeit zu bieten, dass man sich begegnen kann. Denn es ist für die Kunstschaffenden gerade in der jetzigen Situation besonders wichtig, untereinander, aber auch mit dem Publikum, in Kontakt zu treten. Dazu gibt es auch ein coronakonformes gastronomisches Angebot, sodass man durchaus auch ein bisschen verweilen kann, wenn man das möchte.

Neu gibt es dieses Jahr noch einen dritten Ausstellungsort. Was ist die Idee hinter dem Kunsttreibhaus auf dem Ringplatz?
Wir wollten ein zusätzliches Schaufenster haben, einen Raum, in den man auf jeden Fall reinschauen kann. Was eignet sich dazu besser als ein Treibhaus? Die Idee entstand aus den Diskussionen um die Unsicherheit, ob wir überhaupt eine Ausgabe organisieren können, bei der man die Räume begehen kann.

Was wird dort zu sehen sein?
Da die Kunstschaffenden jeweils eine Carte Blanche für die Ausstellungen erhalten und wir keine Exposés vorab verlangen, kann ich das nicht sagen.

Kommt dieses Gewächshaus in den nächsten Jahren dann wieder zurück?
Das ist erst einmal nicht vorgesehen, da es auch sehr aufwändig ist im Auf- und Abbau. Aber das wird auch auf die Rückmeldungen ankommen, die wir dazu erhalten werden.

Wie haben Sie entschieden, wer wo ausstellt?
Die Räume haben ja sehr unterschiedliche Qualitäten. Gewisse Kunstschaffende bewerben sich schon konkret für einen bestimmten Raum. Darauf versuchen wir dann einzugehen. Normalerweise geht das auf.

Erwarten Sie viele Besuchende?
Ja, natürlich! Einerseits, weil der Joli mois de mai in Biel sehr bekannt ist. Ich habe aber auch den Eindruck, dass alle ein bisschen ausgehungert sind, dass es einen grossen Appetit gibt darauf gibt bei den Leuten, ausgehen zu können, um wieder etwas zu sehen und zu erleben. Wie gross der Publikumsandrang jeweils wird, war aber auch immer schon davon abhängig, wer ausstellt.  
 

Joli mois de mai – heute geht es los
Peter Blaser und Marlys Bratschi  stellen ihre Arbeiten in der Krone Couronne aus. «Momente einfangen und Objekte und Gegebenheiten immer wieder neu sehen, sie nach meinem Gusto ins rechte Licht rücken, mehrheitlich schwarz und weiss – das ist mein Ding», sagt Peter Blaser über seine Kunst.
Marlys Bratschi ihrerseits bricht Formen vertrauter Alltagsgegenstände auf und gestaltet Objekte mit imaginären Funktionen. Grundmaterialien sind Gegenstände aus Porzellan, Holz oder Eisen. Sie will eine vertraute Form aufbrechen und denkt zuerst die eigentliche Funktion des Gegenstandes weg. Übrig bleibt die reine Form, als Anfang einer neuen Arbeit.
Jocelyne Rickli ist in der Voirie zu sehen. In ihrer Serie «Poussière» verarbeitet sie, was im Trockner übrig blieb: Den Textilstaub, der sich während dem Tumblern so ansammelt, verarbeitet sie in grossformatige Werke.
Manette Fusenig und Marc Calame installieren im Kunsttreibhaus ein eigens dafür konzipiertes Mobile aus ihrem «On Board»-Projekt. Es ist ein Faltobjekt aus Landkarten, die von Manette Fusenig bemalt wurden und von Marc Calame in ein überdimensionales Mobile inszeniert wird.
Ab heute bis am 30. Mai gibt es jeweils von Mittwoch bis Sonntag täglich wechselnde Ausstellungen zu 90 künstlerischen Positionen aus der Region zu sehen.    mt/sro
Info: Ausstellungen jeweils von 18 bis 22 Uhr in der Krone Couronne, der Voirie und auf dem Ringplatz in der Bieler Altstadt. Drinnen ist die Anzahl Gäste beschränkt. Das ganze Programm unter: www.jolimai.ch.
 

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