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Filmpodium

Kompromisslos bis zum Schluss

Während vieler Jahrzehnte hat Jaques Dutoit Filme gemacht – nun ist der Bieler 85 und steht in «En cheminant avec Jaques Dutoit» selber im Zentrum. Es ist sein letzter Film. Dutoit wird bei der Aufführung diesen Sonntag in Biel anwesend sein.

Regisseur, Produzent, Dramaturg, Journalist und vieles mehr: Jaques Dutoit hat sein Leben der Kultur gewidmet.
von Raphael Amstutz
 
Jaques Dutoit ist einer der fleissigsten Bieler Filmemachern – und trotzdem kennen gerade die Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer seine Werke kaum. 
 
Das soll sich nun ändern mit dem Dokumentarfilm «En cheminant avec Jaques Dutoit», den die Filmemacherin Perla Ciommi, die frühere Mitarbeiterin im Bieler Filmpodium, gemeinsam mit Peter Fasnacht von Mémreg, dem historischen Archiv der Region, und Dutoit selber realisiert haben.
 
Dutoit war Gymnasiallehrer in Biel und hat mit seiner vielfältigen Arbeit in Theatern, im Kino und mit seinen Filmkritiken für das «Journal du Jura» das Bieler Kulturleben massgeblich mitgestaltet. Heute ist der Experimental- und Dokumentarfilmer über 85 Jahre alt und zunehmend sehbehindert. Es werde keinen weiteren Film mehr von ihm geben, sagte er.
 
Wie sehr das Feuer aber noch brennt, wird im Film deutlich, den das Filmpodium diesen Sonntag zeigt. Dutoit sinniert über das Leben – zugeneigt, melancholisch und weiterhin kämpferisch. Er denkt laut über das Wesen der Kultur nach, über das Filmemachen und über vergangene Zeiten.
 
Ciommi hat Dutoit vor fünf Jahren kennengelernt. 2016 stellte sie im Filmpodium mit der Geschäftsführerin Claude Rossi eine Retrospektive mit Werken des Bielers zusammen. Sie sei fasziniert gewesen von seiner Energie, so Ciommi. «Und ich habe mir gedacht, es wäre schön, ein filmisches Porträt über ihn zu realisieren.»
 
Vor zwei Jahren war es dann so weit. Als Peter Fasnacht daran war, Jaques Dutoit zu interviewen, sassen die drei zusammen und der Entscheid fiel: «Wir machen diesen Film gemeinsam», so Ciommi. «Ich mag den partizipativen Ansatz». Bald begannen die Dreharbeiten – in Paris und in Biel. 
 
«Jaques hat uns mit seinem wachen Kopf beschenkt», erinnert sich die Filmemacherin. «Sein Denken ist trotz seinen über 80 Jahren enorm frisch, schnell und vernetzt.»
 
Nach einer coronabedingten Zwangspause ist der Film nun fertig – «es ist ein Werk ganz im Sinne von Jaques geworden», sagt Ciommi und lacht. «Sehr improvisiert, sehr spontan, frei von jeglichen Systembeschränkungen.»
 
Obwohl Dutoit stark verbunden war mit dem Bieler Kulturleben und seinen Protagonisten und Macherinnen, den Veranstaltern und den Organisatorinnen, war ihm die künstlerische Freiheit seit jeher der zentrale Pfeiler seiner Arbeit. Er machte keine Kompromisse, arbeitete immer selbstständig, ohne Subventionen und ausserhalb der bekannten (Förder)systeme.
 
So kam es auch, dass seine Filme nicht untertitelt wurden und damit in der Deutschschweiz nie ein grosses Publikum fanden.
 
«Er ist ein Experimentalfilmer durch und durch», so Ciommi «und hat die Schweiz in diesem Bereich in den 70er- und 80er-Jahren massgeblich mitgestaltet.»
 
Sie hofft, dass dank des Porträtfilms der Name Jaques Dutoit auch in der Deutschschweiz bekannter wird. «Es lohnt sich, sich auf seinen zärtlichen und eigenwilligen Blick auf die Welt einzulassen», so Perla Ciommi.
 
Info: Der Film wird diesen Sonntag um 15 und 17.30 Uhr in Anwesenheit von Jaques Dutoit, Perla Ciommi und Peter Fasnacht im Bieler Filmpodium gezeigt

Mads Mikkelsen: Wandelbar und meisterhaft
Früher war das Kino personenzentrierter. Gerade in den 80er- und 90er-Jahre gab es Phasen, da reichte es, wenn auf einem Plakat Bruce Willis oder Kevin Costner, Julia Roberts oder Meg Ryan stand. Die Menschen gingen einen Film schauen, weil eine bestimmte Person darin spielte. Das ist heute anders. Ausser vielleicht, wenn es um Mads Mikkelsen geht. Der dänische Schauspieler reiht Erfolg an Erfolg, verblüfft mit seiner Wandlungsfähigkeit und seiner Rollenwahl und wird nicht selten als «einer der besten Schauspieler der Welt» bezeichnet.  Nun ist es dank des Filmpodiums möglich, einen Überblick über sein Schaffen zu bekommen – gezeigt werden neun Filme. Und dabei wird klar: Es stimmt. Mads Mikkelsen, 1965 geboren und ausgebildeter Tänzer, der so stilsicher zwischen Hollywood-Blockbuster und dänischem Autorenkino hin und her wechselt, ist tatsächlich einer der besten Schauspieler der Welt. In «Jagten» (2012) zum Beispiel spielt er einen zurückhaltenden Lehrer, der verdächtigt wird, ein Kind belästigt zu haben. Der Film ist schwere Kost und zeigt meisterhaft und packend, was eine Vorverurteilung alles auslösen kann. Oder vor Kurzem «Drunk». Darin macht Mikkelsen die ganze Widersprüchlichkeit, die Tragik und die Komik von Alkoholkonsum deutlich. Die Kinos waren voll – und «Drunk» gewann den Oscar für den besten internationalen Film. Der Mikkelsen-Zyklus startet morgen um 17.30 Uhr mit «Riders of Justice». Als seine Frau stirbt und Zweifel an der Ursache des Bahnunglücks aufkommen, will der Witwer, grossartig gespielt von Mikkelsen, nur eines:Rache Doch nichts ist, wie es scheint.
Info: Alle Filme in der Übersicht unter www.filmpodiumbiel.ch
 
Das Programm
Neben den Werken mit Mads Mikkelsen und der Dokumentation mit und über Jaques Dutoit sind in den nächsten vier Wochen zudem folgende Werke im Filmpodium programmiert. Die meisten Filme in dieser breit gefächerten Auswahl waren bislang noch nicht in Biel zu sehen.
«E stata la mano di dio» (2. bis 27. Dezember)
Paolo Sorrentinos Liebeserklärung an Neapel.
«The Power of The Dog» (2. bis 30. Dezember)
Ein dominanter Viehzüchter zerbricht fast an seinem eigenen Zorn.
«Harald Naegeli – der Sprayer von Zürich» (3. Dezember bis 6. Januar)
Porträt des bekannten Künstlers. Siehe auch die BT-Titelgeschichte vom 18. November.
«Burning Memories» (4. Dezember bis 10. Januar)
Filmemacherin Alice Schmid macht sich daran, einen erlittenen Missbrauch zu verarbeiten.
Am 4. Januar um 18 Uhr in Anwesenheit der Regisseurin.
«Woman» (7. Dezember, 18 Uhr/20.30 Uhr)
Frauen aus der ganzen Welt erzählen aus ihrem Alltag, der erlebten Ungerechtigkeit. Im Rahmen von «16 Tage gegen Gewalt an Frauen».
«Herr Bachmann und seine Klasse»
(9. Dezember bis 7. Januar)
Ein deutscher Lehrer und seine unkonventionellen Unterrichtsmethoden.
«ExceptionnELLES» (9. Dezember, 19 Uhr)
Die «Telebielingue»-Journalistin Helena von Beust erzählt aus dem Leben von fünf Bielerinnen. Freier Eintritt und Apéro.
«Lamb» (13. Dezember bis 9. Januar)
Eigenwilliges und mysteriöses Drama aus Island.
Zwei Kindervorstellungen: «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel» (26. Dezember und4. Januar) sowie «Le trésor du petit Nicolas» (29. Dezember und 2. Januar)
An Silvester um 20.30 Uhr «E stata la mano di dio». Mit Apéro. raz
Info: Die Spielzeiten unter www.filmpodiumbiel.ch

 

Stichwörter: Kino, Biel, Bieler Filmpodium

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