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Zirkus

Magie des Zirkus trotzt der Schwerkraft

Vom 27. Juli bis am 8. August bringt Nebia ein Festival mit vier Kompanien nach Biel. Morgen wird auf dem Gurzelen-Areal drei Tage lang ein spezielles Silo errichtet, welches das Spektakel «L’Absolu» beherbergen soll. Es zu konzipieren und umzusetzen dauerte Jahre.

Der Mann mit der Krähe: Der Franzose Boris Gibé zeigt auf dem Terrain Gurzelen mit "L'Absolu" ein Spektakel der besonderen Art. Bild: zvg/Jérôme Vila
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Clara Gauthey

Es ist jedes Mal ein Sterben und Wiederauferstehen, wenn Boris Gibé eine Vorstellung von «L’ Absolu» in seinem Silo-Bau gibt. Und jedes Mal wird es existenziell: «Ich ersticke, verbrenne, werfe mich ins Leere, verschwinde, tauche wieder auf, übertreffe mich selbst», sagt der Künstler. Dabei spielt er akrobatisch und poetisch mit dem Raum, in welchem die Zuschauer in einer Art aufsteigenden Wendeltreppe ihre Sitzplätze einnehmen sollen. Seit 2017 tourt der Franzose mit dem beinahe metaphysischen Programm durch Europa. Biel wird die letzte Station auf der Tournee durch die Schweiz sein und der Künstler, der zwölfjährig auf der erstenZirkusbühne stand und die Heimatlosigkeit gewöhnt ist, sollte sich wohl inzwischen in seinem Silobau bestens zurechtfinden.

Alice und Narziss
Zu dem Spiel mit Welten wie bei Alice im Wunderland oder dem Narziss vor seinem Spiegelbild kommt ein Spiel mit den Elementen: Erde (Sand), Feuer, Wasser und Wind fliessen in die Suche nach dem «Absoluten» ein. Gibés akrobatische, tänzerische Bespielung des über Jahre eigens für das Spektakel kreierten Raums ist ein Spiel mit der Vertikalen, mit den körperlichen Grenzen und den eingebildetenGrenzen. Zwölf Meter hoch ist der Turm, in dem der Künstler waghalsig klettert, stürzt, kreist, im Sand ertrinkt und dem Licht hinterherjagt, dem Orkan entflieht und durch flimmernde Membranen bricht. Etwa hundert Zuschauer haben darin Platz.

Ab dem 27. Juli wird das Solo-Spektakel seiner Kompagnie Les choses de rien die Abende auf dem Gurzelen-Areal erfüllen. Daneben gibt es kindgerechteren Zirkus mit drei Kompanien aus der Schweiz, allerdings ist nur eines davon für die ganz Kleinen ab vier Jahren empfohlen.

Witz und Melancholie
DieSchweizer Truppe Roikkuva lädt das Publikum ein, in ihrem kleinen Zelt ihr «Empire of Fools» zu entdecken: zeitgenössischer Zirkus, genährt von Referenzen an Zirkustraditionen, doch immer bereit, sich darüber lustig zu machen. Fernab der grossen Arenen erreicht die Kompanie mit sinnlichen Arbeiten voller Humor und Witz sowohl ländliche Regionen als auch urbane Zentren. Ein grosses Zelt, ein Kreis aus Sägemehl, das Publikum rundherum und in der Mitte vier Artisten, die allerlei bieten: Akrobatik, Jonglage, Seiltanz, Clownerie, Musik und mehr. Aber es gibt keine wilden Tiere, nur ein paar ganz besondere Pferde. Das Ganze soll mal ruhig, mal wild, mal lustig, spektakulär oder melancholisch sein.

Ballett und Gabelstapler
Der Zirkus Fahraway führt ein ungewöhnliches, absurdes und gewagtes Ballett auf, garantiert ohne elegante Pirouetten und Tutus, dafür mithilfe von Gabelstaplern, Vorschlaghämmern und Paletten. Es werden Bauten hergestellt und gleich wieder zum Einstürzen gebracht. Ein ungewöhnliches, überraschendes Zirkusstück, absurd, gewagt und poetisch, nachdenklich und lustig, zu packender Live-Musik. Auch hier werden Bezüge umgelenkt und die Magie des Zirkus wirkt, den Gesetzen der Schwerkraft trotzend, in einem echten Perpetuum Mobile mit industriellem Charme. Die Künstler dekonstruieren die Welt vor den staunenden Augen des Publikums und heben dabei alle sprachlichen Barrieren auf.

Zwei Clowns für die Kleinsten
Für die Kleinsten ab vier Jahren kommen die Clowns Naïma Bärlocher und Gerardo Tetilla von der Tessiner Truppe Wakouwa Teatro nach Biel. Sie brauchen nicht viel Tamtam, um ihre Zuschauer zur Zirkusnostalgie zu verführen. Keine Sägespäne, dafür Pantomime mit Clownsnase und Schminke, immerhin, und ein paar Requisiten für Jonglage-Nummern und Ukulelengeklimper. Der weibliche Part, Naïma Bärlocher, wurde in Bern geboren und absolvierte zunächst eine tänzerische Ausbildung, besuchte dann aber auch noch die Accademia Teatro Dimitri imTessin. 2014 kreierte sie das Clownduo Very Little Circus mit ihrem Partner Gerardo Tetilla, der 20-jährig aus Argentinien einwanderte.

Ohne Covid-Zertifikat, mit Maske
Die Sommerveranstaltungen sind ohne Covid-Zertifikat zugänglich. Die Kapazität ist daher auf zwei Drittel der verfügbaren Plätze begrenzt. Bei Aufführungen im Freien wie beim Ballett ist das Tragen einer Maske nicht vorgeschrieben. Bei den Indoor-Shows im grossen Zelt oder im Silo gilt hingegen überall Maskenpflicht (Very Little Circus, Empire of Fools, L’Absolu).

Obwohl die neue Nebia-Saison erst im August vorgestellt werden wird, beginnt sie bereits mit dem Zirkus-Festival kommende Woche Dienstag. Entsprechend kann man auch schonAbonnemente erwerben, und wer sich bis Ende Monat entscheidet, erhält einen Rabatt von 20 Prozent. Der frühe Vogel fängt das günstige Abo. Ob das in solch unsicheren Zeiten als Anreiz reichen wird, muss sich noch zeigen.

Stichwörter: Zirkus, Kunst, Kultur, Gurzelen

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