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«Man versteht mich – egal, wo ich hinkomme»

Im Oktober hat Gianna Nannini ihr neues Album «Amore Gigante» lanciert, ein Rock-Pop-Werk mit elektronischen Einflüssen.
Diesen Freitag stellt sie das Album auf der Bühne des Bieler Kongresshauses vor. Der Anlass: die Christmas Sessions 2017.

Energiegeladen: Gianna Nannini live. Bild: zvg

Interview: Luca D’Alessandro

Gianna Nannini, dem Bieler Publikum wird am Freitagabend ein besonderes Privileg zuteil: Es wird wahrscheinlich als eines der ersten überhaupt «Amore Gigante» live zu hören bekommen.
Gianna Nannini: Ja, und ich freue mich auf das Konzert. Mir wurde gesagt, es sei ausverkauft. Mal sehen, wie die Leute reagieren, wenn sie die neuen Lieder hören.

Welche Reaktionen erwarten Sie?
In der Schweiz sind die Emotionen immer sehr stark. Im positiven Sinne! Sowieso: Ein Livekonzert ist der beste Pulsmesser überhaupt. Bevor ich mit der Promotion eines neuen Albums starte, gebe ich jeweils gerne ein paar Livekonzerte. Der Kontakt mit den Fans ist sehr wichtig für mich.

Der Gigant ist Leitmotiv des Albums: Der Begriff offenbart sich nicht nur im Titelstück, sondern auch im Einleitungstext.
«Amore Gigante» verstehe ich als Symbol für die unendliche Liebe. Man kann sie als riesige, weltumspannende Umarmung verstehen, die alle Menschen mit einschliesst. «Amore Gigante» zeigt auf, dass dank der Liebe besitzbezogene Konflikte und Vorurteile keinerlei Chancen haben. Jedes Land basiert auf mindestens tausend unterschiedlichen Kulturen. Diese sind wichtig, denn nur so ist Entwicklung überhaupt möglich. Ein Land kann seine eigene Kultur nur dann entfalten, wenn es andere Kulturen zulässt. Erinnern Sie sich an meinen Auftritt in der TV-Jubiläumsshow «Nena – Nichts versäumt» im ZDF vom vergangenen 7. Oktober?

Wo Sie Nenas Lied «Liebe ist» auf 
Italienisch vorgetragen haben?
Genau genommen habe ich «Liebe ist» mit einem neuen Basistext versehen. Eine italienische Hommage an Nena sozusagen. Ich war überwältigt von der Show, den Reaktionen von Nena und dem Publikum. Nena und ich haben gemeinsam etwas Neues geschaffen. Diese Art von Kooperation ist eher selten, denn: Wenn italienische Sänger oder Songwriter etwas covern, orientieren sie sich für gewöhnlich am Amerikanischen oder Britisch-Englischen. Dabei wäre es so wichtig, auch andere Kulturen zu berücksichtigen. Insbesondere in der Rockmusik sollten wir dies öfter tun.

Im aktuellen Album setzen Sie nicht nur auf Rock, sondern auch auf die Pop- und Elektroschiene.
Drei Produzenten haben auf dem Album ihre Spuren hinterlassen: die beiden Briten Wil Malone und Alan Moulder sowie der italienische Komponist Michele Canova. Letzterer hat sich in Los Angeles niedergelassen. Er zählt für mich zu den innovativsten überhaupt. Ich habe ihn in den Vereinigten Staaten aufgesucht, weil ich von seinen Erfahrungen profitieren wollte. Er bot mir denn auch die Chance, neue Sounds auszuprobieren. Das Titelstück «Amore Gigante» sowie drei weitere Titel sind mit ihm entstanden. Die anderen elf mit Malone und Moulder.

Insgesamt sind es 15 Titel.
Ja, das Album ist gigantisch. Ich habe in den vergangenen Jahren auch viel gearbeitet. Bereits während der Lancierung meines Best-of-Albums «Hitstory» (2015) schwärmte ich von einem Album, das nur neue Titel beinhaltet. Dieser Wunsch war so gross, dass ich fortwährend Noten, Gedanken und Gefühle auf Papier festhielt.

Das letzte Stück Ihres Albums, «L’Ultimo Latin Lover», fällt sofort auf, da es an Ihren Hit «Latin Lover» von 1982 erinnert.
Ich habe es meinem Bruder Alessandro gewidmet. Früher war er Formel-1-Rennfahrer. Das Motorengeräusch, das man da hört, kommt aus einem seiner Rennautos. Alan Moulder hat hier alles gegeben und das Motorengeräusch in Gitarrenakkorde verwandelt. Es ist unglaublich, was man mit digitalen Hilfsmitteln alles machen kann.

Elektronik ist nichts Neues für Sie.
Ich habe schon sehr früh damit experimentiert. Man denke an die Zeiten von «Puzzle» (1984), als ich mit dem deutschen Produzenten und Toningenieur Conny Plank zusammenarbeitete. Klar ist: Ohne Elektronik könnte ich mir meine heutige Arbeit nicht vorstellen. Die meisten Kompositionen entstehen seit jeher am Synthesizer ...

... und seit ungefähr zehn Jahren auch in enger Zusammenarbeit mit dem Mailänder Songwriter Luigi De Crescenzo, gemeinhin bekannt als Pacifico.
Pacifico und ich – wir sind ein Winning Team. Wenn wir gemeinsam an den Texten arbeiten, kommt es regelmässig vor, dass mich Pacifico auf den Boden der Realität zurückholt. Oder anders ausgedrückt: Er kalibriert meine vulkanischen Eruptionen.

Ein Zensor?
Oh nein, ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Er bringt mich dazu, meine Ideen auf den Punkt zu bringen. Es ist durchaus ratsam, ein Vis-à-vis zu haben, das einem sagt, was gut ist und was nicht. Wenn ich mit englisch- oder deutschsprachigen Produzenten arbeite, habe ich zwar Profis, die meinem Sound den letzten Schliff verpassen. Was jedoch die Texte angeht, bin ich auf mich alleine gestellt.

Im deutschsprachigen Raum sind Sie äusserst erfolgreich.
Ja, man versteht mich – egal, wo ich hinkomme.

Erstaunt Sie das?
Nein, überhaupt nicht. Wie oft kommt es vor, dass wir ein englisches Lied hören ohne den Text zu verstehen? An meinen Konzerten singen die Leute aktiv mit, obwohl die meisten von ihnen die Inhalte der Lieder nur erahnen.

Wie erklären Sie sich das?
Sie spüren mein Rocktemperament und die damit verbundenen Emotionen. Auf die Emotionen ist Verlass. Sie sind universell, gigantisch ... Da braucht es keine Sprache. Dasselbe gilt für die Liebe. Die Liebe ist ein «Gigante» – «Un amore gigante».

Das wäre ein perfektes Schlusswort.
Vielleicht noch dies: In Ländern wie der Schweiz fühle ich mich verstanden. Die Leute sind gut drauf, wenn sie an eines meiner Konzerte kommen. Sie bewegen sich, tanzen, singen mit. Sie geben alles. Wie heisst es so schön auf Englisch: «There I can kick the ass!» (lacht)

Link: www.christmas-sessions.ch

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Christmas Sessions 2017

Die Christmas Sessions bringen wieder prominente Namen und einen Hauch Italianità nach Biel.

Die Konzerte:

  • Donnerstag, 20 Uhr: Alvaro Soler
  • Freitag, 20 Uhr: Gianna Nannini
  • Samstag, 20 Uhr: Natalie Imbruglia
  • Sonntag, 20 Uhr: Ritschi & Friends feat. Kunz, Marco Rima & Adrian Stern.

Alle Konzerte im Kongresshaus Biel. mt

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