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Konzert

Mando Diao mit Windstärke Null

Mando Diao am Lakelive Festival: Fast hat man sich gewünscht, der Sturm möge noch einmal aufkommen und das unbequeme Konzert der schwedischen Rock-Pop-Band beenden.

Der Funken sprang nicht über: Mando Diao und das Publikum hoben am Freitagabend nach dem Gewittersturm nicht ab. Bild: Nico Kobel
  • Dossier

Miriam Lenz

Sie freuten sich sehr auf den Abend in Biel. Das erzählen Björn Dixgård, Frontmann von Mando Diao, und Bassist Carl-Johan Fogelklou vor ihrem Auftritt am ersten Lakelive-Festival-Abend. Denn sie würden das Schweizer Publikum lieben, weil es so gerne tanze, so wild und ausgelassen sei.

Was die beiden nicht wissen: Zu diesem Zeitpunkt haben die (noch) anwesenden Festivalbesucher ein Unwetter, eine Geländeevakuierung und eine Rückkehr in eine schlammige Pfützenlandschaft hinter sich. Mando Diao, so rechtfertigen sich die beiden Musiker, seien erst ein paar Stunden in der Stadt und hätten vom Restaurant aus lediglich mitbekommen, «dass das Wetter nicht so gut ist». Das Ausmass des Gewitters begreifen sie erst jetzt, wo ihr Konzert um rund eine halbe Stunde nach hinten verschoben worden und die Festivalcrew damit beschäftigt ist, die gröbsten Sturmschäden rechtzeitig wieder in Ordnung zu bringen.

Keiner kommt in die Gänge
Als das Konzert beginnt, ist demnach naheliegend, vorerst das Wetter dafür verantwortlich zu machen, dass unter den Pellerinen nicht die grosse Euphorie ausbricht. Doch anstatt dass sich die Stimmung mit der Zeit langsam hebt, drückt ein weiterer Dämpfer darauf. Auf den Seiten der Hauptbühne ist von der Musik kaum etwas zu hören. Hinten in der Mitte – man kann sich übrigens problemlos vom einen zum anderen Ende bewegen – ist es zwar lauter, einzelne Instrumente kommen aber kaum bis gar nicht zur Geltung. Die Soundqualität ist miserabel, das wiederum lässt auch auf Seiten der Band eine spürbare Verzweiflung aufkommen. Kurz: Keiner kommt wirklich in die Gänge, weder die Fans noch die Musiker.

Normalerweise, so hatte Carl-Johan Fogelklou vor dem Konzert erzählt, würden sie «hart spielen», um die Stimmung hochzujagen. Denn animieren und den Fans vorschreiben, was sie vor der Bühne zu tun hätten, sei nicht ihr Ding. An diesem Abend kommt Sänger Dixgård allerdings nicht darum herum, weitere Register zu ziehen. Nachdem er die Show in schwarzer, enger Jeans und zugeknöpftem weissem Hemd begonnen hat, knöpft er letzteres immer weiter auf. Er bewegt sich offensiv am Bühnenrand, kniet nieder, spricht seine Zuschauer direkt an, steht dann wieder auf und springt in die Luft. Alles eindeutige Aufforderungen, Zeichen dafür, dass es ihm die Meute gleichtun sollte. Diese allerdings ist zwar nicht vollkommen demotiviert aber eben: Der Funken will nicht springen.

Bleiben heisst ausharren
Irgendwann zieht Björn Dixgård sein Hemd ganz aus und schwingt es über seinem Kopf wie ein Lasso. Sein letztes Mittel, um wenigstens gegen Schluss Begeisterung und Applaus zu provozieren. Oder zumindest eine Tanzfreude, die nicht nur um ihn herum, sondern bis in die hintersten Reihen durchdringt. Wo die doch erst noch gar nicht so weit von ihm entfernt liegen. Doch selbst als die Band nach einem kurzen Set ihre wirklich mitreissenden Nummern «Black Saturday» und «Dance With Somebody» auspacken und der Sänger mit ausgestreckten Armen auf der Bühne herumwirbelt, als gäbe es kein Morgen, will die Konsternation nicht weichen. Dieses Konzert ist für alle Beteiligten so richtig unbequem. Unbemerkt weglaufen geht nicht. Und bleiben heisst ausharren.

Wie kann es sein, dass die Mando Diao, die nach ihrem grossartigen Zweitling «Hurricane Bar» (2004) zu Recht europaweite Popularität erlangten, feurige Shows ablieferten und selbst nach dem Ausstieg des früheren Co-Frontmanns Gustaf Norén im Jahr 2015 konstant gute Songs veröffentlichten und sich erfolgreich musikalisch veränderten, auf einmal so blass daherkommen? Eine Frage, die sich Björn Dixgård – natürlich um Welten harmloser formuliert – spätabends stellen lässt, als er sich im Tanzzelt unter die Feiernden mischt. «Das war ein ausserordentlich hartes Konzert für euch, nicht?» Dixgårds Antwort kommt fast ein bisschen zu schnell: «Nein, es war grossartig, alles super, wirklich toll.»

2012, als ihr Album «Good Times» erschienen ist, haben Dixgård und Fogelklou in einem Interview gesagt, dass die Welt eine bessere wäre, wenn sich jeder Mensch täglich bewusst eine Stunde Zeit zum Geniessen nehmen würde. Diese «Afterparty», wie Dixgård die abschliessende DJ-Session am Lakelive Festival nennt, sei ebendiese Stunde, die er sich jetzt nehmen wolle. Er lässt sich ein Bier spendieren und geht ohne zu Prosten weiter, um Leute anzusprechen und andere tuschelnd zurückzulassen.

Link: www.lakelive.ch

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