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Konzert

«Meine Frau spielt immer die erste Geige»

Experimentelles stand im Mittelpunkt des 6. Sinfoniekonzerts des Tobs. Die Solisten, das Klavierduo Soós-Haag,
 überzeugten auch mit intimer Kammermusik und lockerem Smalltalk.

  • 1/12 Late Night Lounge: Adrienne Soós und Ivo Haag lassen sich sich von nah über die Schulter schauen. Bild: Tanja Lander
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Annelise Alder

Was war zuerst da: Das Paar oder das Duo? Der Pianist Ivo Haag überlegt nicht lange: «Wir waren zuerst ein Paar. Erst nach unserer Rückkehr von Ungarn in die Schweiz entschieden meine Frau und ich uns, auch ein Klavierduo zu bilden.» Das Gespräch fand in der Café-Bar im Kongresshaus statt und bildete den zweiten, ungezwungenen Teil des vergangenen 6. Sinfoniekonzerts mit dem Klavierduo Soós-Haag als Solisten.

Adrienne Soós und Ivo Haag lernten sich während ihrer Studienzeit in Budapest kennen. Inzwischen haben sich die beiden Pianisten einen international hervorragenden Ruf als Klavierduo erspielt. Zeitgenössische Musik bildet einen wichtigen Eckpfeiler im Repertoire des Gespanns. «Wir haben verschiedenen Komponisten Aufträge erteilt, Werke für Klavier vierhändig oder für zwei Klaviere für uns zu schreiben», sagt Adrienne Soós.

Theater und Provokation
Auch das Konzert von Péter Eötvös für zwei Klaviere und Orchester, das am Mittwoch den Mittelpunkt des Programms bildete, hat das Duo in enger Zusammenarbeit mit dem Komponisten erarbeitet. Das Werk, dessen letzte Version 2007 entstand, erlebte an diesem Abend seine Schweizer Erstaufführung. Zudem ergänzte es auf erhellende Weise die bitterböse Opernsatire «Radamès» von Péter Eötvös, die – allerdings nur noch für kurze Zeit – auf den Opernbühnen in Biel und in Solothurn zu sehen ist. Eötvös greift im Konzert auf eine traditionelle Form zurück. Die theatralische Geste und die musikalische Provokation, die seine Kurzoper prägen, finden sich auch in den fünf Sätzen des Werks wieder. So lässt er die Pianisten an den beiden Flügeln teils irrwitzig schwierige parallell laufende Passagen spielen. Während der Komponist im zweiten Satz mechanisch heruntergespielte Klavieretüden zu persiflieren scheint, legt er den Klavierspielern im letzten Satz mit vertrackten Rhythmen und eingestreuten Kurzpausen im Passagenwerk zusätzliche Hürden in den Weg. Doch Adrienne Soós und Ivo Haag bewältigten ihre Parts souverän.

Von Bartók inspiriert
Auch in der Orchesterbehandlung präsentiert sich Eötvös als gekonnter Gestalter und bisweilen auch provokanter Farb-abmischer. So wählt er mit hohen Violinen und tiefen Holzbläsern im ersten Satz aparte Klangkombinationen. Nicht frei von Komik wirken die gestopften tiefen Blechblasinstrumente im dritten Satz gepaart mit den gezupften Saiten der Celli. Aufhorchen lässt auch die von drei Schlagzeugern bediente breite Palette an Perkussionsinstrumenten. Wann hört man schon das reizvolle Rauschen der Ocean-Drum, der mit kleinsten Stahlkugeln gefüllten Wellentrommel. Das von Gastdirigent Zsolt Nagy angeführte Sinfonieorchester Biel Solothurn bewältigte die im Zusammenspiel anspruchsvolle Partitur dabei mit grosser Umsicht.

Das Klavierduo Soós-Haag bedankte sich für den warmen Applaus des erfreulich zahlreich erschienenen Publikums mit einem kurzen Stück von Béla Bartók, dem Ideenlieferanten dieser schillernden Komposition von Péter Eötvös.

Musikalische Experimente
Auch die übrigen Werke des 6. Sinfoniekonzerts gehorchten dem Programmmotto «musikalische Experimente», wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise. Anton Reicha wählte für seine Ouvertüre in D-Dur den ungewöhnlichen 5/8-Takt. Aufhorchen liessen im Werk des Beethoven-Freunds auch die abrupten Harmoniewechsel und die reinen Bläserpassagen inmitten von Streicherfigurationen. Das «Bizarre», das bereits Reichas Zeitgenossen feststellten, wäre indes besser zur Geltung gekommen, wenn das Orchester unter Leitung von Zsolt Nagy es zugespitzter und akkurater umgesetzt hätte.

Rundum geglückt dagegen die Wiedergabe von Joseph Haydns Londoner-Sinfonie Nr. 99. Mit hörbarer Musizierlust fächerte das Sinfonieorchester Biel Solothurn unter Leitung des ungarischen Gastdirigenten den musikalischen Reichtum der Partitur auf. Das begann mit den blitzsauber ausgeführten Flöten- und Oboen-Einwürfen in der spannnungsvoll aufgebauten langsamen Einleitung und setzte sich in den bewusst gesetzten Pausen und klar herausgearbeiteten harmonischen Überraschungen im anschliessenden schnellen Satz fort. «Haydn lässt einen immer wieder schmunzeln», meinte der Sitznachbar. Doch er lässt einen auch Staunen. Etwa darüber, mit welcher Hingabe der Komponist sich jedem einzelnen Orchesterinstrument zuwendet und jedes pointiert zu Wort kommen lässt. Auch die grosse dramatische Geste beherrscht Haydn, wie das Orchester im Mittelteil des zweiten Satzes eindrücklich vorführte, derweil die Originalität des Komponisten sich in den Begleitfiguren äussern, die bei jeder Wiederholung in einer anderen Variante erklingen. Keck spielte das Sinfonieorchester Biel Solothurn unter dem unaufgeregten, aber präzisen Dirigat von Zsolt Nagy die gegen den Strich gesetzten Akzente im dritten Satz. Leichtfüssig liess es schliesslich das Finale dahinperlen.

Stimmungsvoller Ausklang
Für einen stimmungsvollen Ausklang des Abends sorgte anschliessend die Late Night Lounge in der Café-Bar im Kongresshaus. Sie bot Gelegenheit, dem Solistenpaar des Abends in ungezwungener Atmosphäre zu begegnen. «Meine Frau spielt am Klavier immer die erste Geige», sagt Ivo Haag nicht ohne Augenzwinkern. Und worin besteht die Herausforderung, zu zweit an einem Klavier zu spielen? «Die Balance zu finden und die verschiedenen Klangfarben des Instruments sorgfältig abzumischen», sagt Adrienne Soós. Dass das Paar neben dem virtuosen Spiel auf zwei Instrumenten auch die Kunst intimer Kammermusik beherrscht, führte zum Schluss dieses in verschiedener Hinsicht eindrücklichen Abends mit einer beseelten Wiedergabe von Schuberts spätem Klavierrondo in A-Dur vor.

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