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Biel

Ménage à trois macht's möglich

In der Gewölbegalerie in Biel wollen sie das Unglaubliche Wirklichkeit werden lassen. Die drei Künstler Aurélie Jossen, Maurizio Battaglia und Lorenzo le kou Meyr sind Freunde. Heute Abend ist Vernissage.

Die Künstler vor der Gewölbegalerie: Battaglia, Jossen und Meyr

cbl. Der Kreis schliesst sich in einem Dreieck. 2002 hingen in der Gewölbegalerie die Gemälde ihres Grossvaters, Pierre Stampfli. Heute, zehn Jahre später, ist es seine Enkelin Aurélie Jossen, die hier ihre Arbeiten mit zwei Freunden zeigt.
Jossen, auf Korsika geboren und dort «im Wald» aufgewachsen, kam als 17-Jährige fürs Studium nach Genf und schloss 2004 die Akademie der Bildenden Künste in Bologna ab. Kurz nach der Rétrospektive des Grossvaters in Biel kam sie selbst hierher. Sie übernahm das Atelier des Grossvaters und verband sich im Laufe der letzten Jahre immer mehr mit der Bieler Kunstszene. Kennengelernt hat sie ihren Grossvater nie. Der Maler, gebürtig aus Saint-Imier, starb 1975 in Biel – zwei Jahre, bevor sie in Bastia geboren wurde.


Der Zirkel und die Zeugin
Ein Kreis schliesst sich auch in Aurélie Jossens Skulptur namens «dessein», deutsch: die Absicht, der Plan, aber auch nah am «dessin», der Zeichnung. Es sind abgehackte Holzarme ohne Körper, die sich die Hand reichen und einen jadegrünen Reigen auf dem Kellerboden bilden. Die Handflächen sind nur ineinandergelegt, nicht zum Kreis geklebt. Ganz so, als basiere die Verbindung des magischen Zirkels auf echter Freiwilligkeit. Die entkörperten Arme bestehen aus korsischem Olivenholz.
In ihrem Raum in der Galerie zeigt Jossen aktuelle Arbeiten aus 2012 erstmals. Darunter «Der kleine Zeuge», eine Mädchenfigur in Schwarz, aus der nur zwei Punkte aus Steinen als Äuglein traumwandlerisch aufblitzen. Als habe sich ein Dunkles der Kinderseeele bemächtigt und sie auch äusserlich gefärbt. Dunkel auch die modrigen Tümpel, in denen gezeichnete Hände versuchen, «der Sache» auf den Grund zu gehen, sie herauszufischen.
Gedankliche Tiefe will Jossen mit Leichterem mischen, wie in der humorvollen Vielbein-Skulptur «L’embarras», die Verlegenheit. Viele weisse Beine, jedes läuft in eine andere Richtung, uneins die Gedanken und Positionen. Jossen hat nicht nur Olivenholz aus Korsika mitgebracht, sondern auch ihren Jugendfreund Maurizio Battaglia, den sie kennt, seit sie 12 Jahre alt ist. Mit ihrem Partner Lorenzo le kou Meyr ist die Ménage à trois vollständig. Allerdings zeigt letzterer einiges bereits andernorts Gesehenes.


Glaubhaft-Unwirklich
Das Motto der Ausstellung, «Das Unglaubliche wird Wirklichkeit» ist eine Grundtendenz von Lorenzo le kou Meyrs träumerischer Malerei. In seinen Skulpturen ist sie augenfälliger, die fantastische Wirklichkeit. Ein güldener Pferdekopf wird zum rollenden Wägeli, das zusammen mit einer Dudelsack-Pfeife eine Art seltsame Antiquität oder unheimliches Spielzeug bildet.
Das statisch Unglaubliche passiert schliesslich in der Skulptur von Maurizio Battaglia aus Italien. Er hat ein barockes Bauteil mit einer mächtigen Volutenschnecke nachgebildet, die von einem kleinen Gewicht fast unmerklich in die Schräge gedrückt wird. «Wie im wahren Leben, da wirft uns mitunter eine Kleinigkeit aus der Bahn», sagt er. Aber auch seine Hommagen an Giuseppe Arcimboldos «Vier Jahreszeiten» entstammen einer amüsanten Verdrehung des bereits unwirklichen Vorbilds. Die Gesichter bestehen aus ausgespucktem Abfall, den Kernen der Früchte, mit denen das italienische Vorbild seine Jahreszeiten-Gesichter malte. Hier kleben sie mit Bienenwachs zum etwas wurstigen «Gesicht» zusammen.
«Papier ist so schwer», findet Battaglia, am liebsten würde er in der Luft zeichnen. Geht leider nicht. Daher malt er seine Notizen häufig auf durchsichtige Folien. Hunderte dieser kleinen Zeichnungen und Ideen, die Aufzeichnungen des ganzen letzten Jahres, hat er in einem Kunstwerk namens «germogliatore», der «Keimmaschine», zwischen zwei runden Glasplatten verewigt. Wie die Samen sollen diese Gedanken keimen, reifen und natürlich eines Tages Wirklichkeit werden.


Info: Bis 26. Mai, Vernissage heute, 18 Uhr, Obergasse 6, Biel, die Künstler sind jeweils donnerstags, 18 bis 20 Uhr und sonntags, 14 bis 17 Uhr dort.

 

Das Dreigestirn
• Lorenzo le kou Meyr (*1967 Basel), Absolvent der Schule für Gestaltung Biel, Preisträger des Anderfuhren-Stipendiums 1994 und 2004
• Aurélie Jossen (*1977 Bastia), lebt in Biel, Prix Kunstverein 2010, zuletzt Weihnachtsausstellung Pasquart
• Maurizio Battaglia (*1971 Cesena), studierte an Kunsthochschulen in Ravenna, Bologna, Marseille und Rennes, diverse Einzel- und Gruppenausstellungen     (cbl)

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