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Gewölbergalerie

Menschen und deren Abwesenheit

In der Gewölbegalerie haben sich fünf Tessiner Künstler versammelt. Die Herren zeigen Frauen, die uns anschauen, und dann wieder nicht, und – Räume, die der Mensch schon lange verlassen hat.

  • 1/12 Das muss er sein, der Beuys: Steff Lüthi schuf das nackte Männchen mit Hut lässig auf einer Stele sitzend und nannte ihn «Mann mit Hut» (2012). Tanja Lander
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CLARA GAUTHEY


Ihr Körperschwung hat etwas von dem Flug eines Schmetterlings in Zeitlupe. Ein raumgreifendes Flattern geht von ihr aus, zart, aber voller Energie. Nur schemenhaft zeigt sich ihr nackter Körper in den Kohlestrichen von Künstler Pascal Murer. Fast unsichtbare Seidenschleier scheinen ihren Flug zu begleiten. Die fragile Frau hat ein Pendant in Bronze neben sich. Das feste Material aber zeigt eine ebenso fragile Form. Es ist, als hätte sich der Frauenkörper gehäutet wie eine Raupe und nur diese Hülle als bronzenen Kokon zurückgelassen.

Staubige Spinnweben

Die menschliche Gestalt beschäftigt die Tessiner Künstler, die dieser Tage ihre Werke in der Gewölbegalerie zeigen. Der menschliche Körper, seine Bewegungen – aber genauso seine vollkommene Abwesenheit. Fotograf Agostino Rossi, hauptberuflich Architekt, hat solche vom Menschen verlassene Räume gesucht und gefunden. Es sind Dachzimmer, Rumpelkammern, verlassene Estriche, die Spuren menschlichen Daseins enthalten, aber vor allem eines – Spinnweben. Die Spinnen haben sich hier breitgemacht und ihre eigenen, seltsamen Architekturen geschaffen. Treppenartige Strukturen, den Ansatz von Baldachinen. Dazwischen finden sich alte Puppen, die scheinbar menschlich auf Schaukelstühlen platziert aus kleinen Wandöffnungen schauen. Etwas gespenstisch und morbide sind diese Bilder mitunter – und dann wieder entdecken wir die Schönheit der silbernen Fäden im Sonnenlicht.

Schlafende Schönheiten

Ganz am Ende des Raumes, bevor die kleine Wendeltreppe zu den Initiatoren der Ausstellung, Ruedy Schwyn und Urs Dickerhof, hochführt, befindet sich die stumme Frau von Giancarlo Tamagni. Seine Damen sind definitiv die teuersten, die sich in diesen Räumen für Geld erwerben lassen. Und diese eine, die sollte man mindestens zwei Mal anschauen. Denn sie wird die Augen öffnen, Sie anblicken, und kaum drehen Sie sich nochmals um, da schläft sie schon...

Kleine Kerle

Preislich werden die Damen aber noch von diesen ganz speziellen Männchen getoppt. Zumindest, wer eine ganze «Welt» dieser frechen Wesen inklusive erhabener Eisenarchitektur erwerben will, muss schon mal bis zu 28 000 Franken auf den Tisch legen. Dieser spezielle Turm, «babylonisch», hat es aber auch in sich. Da kreuchen und fleuchen die kleinen Kerle aus allen möglichen Öffnungen, lassen ihre Beinchen in Schächte baumeln. Einige von ihnen sind beflügelte Ikarusse, Engelsmenschen.

Sie alle sind meist nicht grösser als Playmobilfiguren und viel zierlicher als solche. Bis auf die eine, die da frech am Eingang thront. Aber das ist ja auch Joseph Beuys, der muss natürlich grösser sein.

Hübsch ist aber auch die Wand der eingespiessten Männchen. Auf Federstahl gespiesst (um 1000 Franken) bewegen sich hier die Figuren, jede auf ihrer Mini-Bühne. Der eine bereit zum Kopfsprung, der nächste zur Begrüssung die Hand ausstreckend, einer lehnt sich gegen den Wind.

Steffs Welten entwickeln einen seltsamen Reiz, an den Miniaturen kann man sich die Nasen plattdrücken, ohne sich zu langweilen. Und sie sind auch nicht ohne Humor hingestellt. Die «Situation einsteigen» (2011), vielleicht einen U-Bahnschacht abbildend, hat auch einen, der sich zur Wand gedreht hat. Der zweite Blick sagt uns, ja, es muss wohl so sein, dass er an dieser Wand gerade imaginäre Spuren hinterlässt...

Info: «Fünf Tessiner Künstler», Gewölbegalerie, Obergasse 4, bis zum 13. Juli und dann wieder vom 31. Juli bis zum 18. August, offen Mi und Fr 14–18.30 Uhr, Do 14–20 und Sa 10–17 Uhr

 

Die Eingeladenen
Fünf Tessiner Künstler folgten der Einladung von Ruedy Schwyn und Urs Dickerhof in die Gewölbegalerie:
• Giancarlo Tamagni (*1940), lebt in Pianezzo, malt bevorzugt weibliche Aktbilder
• Steff Lüthi (*1955), lebt in Gordola, Skulpteur von kleinen Männlein, die inmitten von Türmen, Treppen, Brunnen platziert werden
• François Bonjour (*1948), lebt in Dino. Zeigt kryptische Verwebungen von Zeichen mit Bild und Collagen
• Pascal Murer (*1966), lebt in Locarno. Versteht sich auf feine Skulpturen ebenso wie auf Zeichnungen
• Agostino Rossi (*1965), lebt in Orselina. Der Fotograf und Architekt zeigt verwunschen düstere Orte der Vergänglichkeit, an denen die Spinnen seltsame Architektur weben


 

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