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Biel

Mit Asymmetrie durch galaktische Sphären

Drei Gitarren, zwei Schlagzeuge und zweimal Keyboards. Eine Frau, sechs Männer und alle singen. Das ist die Bieler Band Al-Sarwib. Zusammen mit ihr kann man am Samstag im «Le Singe» in eine psychedelisch-orientalische Welt eintauchen.

Al-Sarwib sind sechs Bieler und eine Bielerin, die mit ihren Instrumenten gerne Geschichten 
erzählen. Bild: zvg
  • Dossier
Und plötzlich ist da nur noch der Offbeat. Ganz am Ende. Faded langsam aus und bleibt dabei genauestens im Takt. Aber ist ein Offbeat denn noch ein Offbeat, wenn der Beat wegfällt? Das lauschende Ohr jedenfalls fühlt sich etwas in die Irre geführt. Oder vielleicht ist es auch einfach das Gehirn, das nach sieben Stücken ganz viel Sound, Rhythmus, sphärischen Klängen, fremden Musikwelten und weniger fremden Sprachen, folklorischen Hauchen und psychedelischen Abschweifungen, sich zu mitten versucht und ganz logisch aus dem übrig bleibenden Offbeat, schlicht ein regelmässiges Klatschen macht. Egal ob auf 1, 3 oder dem «Und» dazwischen.
 
Doch von vorne. Denn eben: Das war das Ende des neuen, Ende Dezember erschienenen Albums der Bieler Band Al-Sarwib. Die allerletzten Töne. Nicht der Anfang. «Loins des Terres» ist das zweite Album nach «Mesa» und schliesst thematisch an das erste aus dem Jahre 2017 an. «Wir erzählen eine Geschichte», so Adrien Guerne, «eine Art Heldengeschichte.» Sowohl auf «Mesa», wie auch auf «Loins des Terres» beginnt die Geschichte mit dem ersten Song und spielt sich chronologisch fortlaufend jeweils durchs ganze Album. Ist es bei «Mesa» die flüchtige Frau Leï, die von irgendwas gejagt wird, durch Wüsten und orientalische Klänge, macht sich auf «Loins des Terres» ihr Sohn Louies auf die Suche nach seiner eigenen Identität.
 
Er trifft auf Magier, eine Elefantensekte und andere Wesen, bewegt sich unter gleissender Sonne und klingt dabei orientalisch-nomadisch, manchmal gar lieblich. Seine Suche, so klar beginnt die Geschichte auch musikalisch, startet auf dem Meer. In «Sur la Mer» hört man erst nur leises, dann etwas lauter werdendes, Meeresrauschen, bis nach den ersten Sekunden eine einsame sanfte Gitarre einsetzt, die wiederum melodisch bald einmal gedoubelt wird, oder gar gedrippelt, bis das Schlagzeug und schliesslich leicht transzendierender Gesang einsetzt. Das ist der Anfang des Albums. Und der Geschichte.
 
Langer Schaffensprozess
«Es war Lucs Idee», sagt Guerne. Er sei plötzlich mit dieser Idee des Konzeptalbums daher gekommen, auch schon für «Mesa», und nun mit der fertigen Fortsetzungsgeschichte und ein paar musikalischen Vorstellungen. Das war irgendwann Anfang 2020. Dann kam die Pandemie und man hatte plötzlich zwar ganz viel Zeit zu proben, tüfteln und alles selber im Metter Proberaum aufzunehmen – Bandgründer Fabrice Pittet ist nicht nur Drummer und Perkussionist, sondern auch Toningenieur.
 
Doch war es auch eine komplizierte Zeit, denn die Band mit dem morgenländisch klingenden Namen zählt sieben Mitglieder, davon sind alle in mehreren musikalischen Ensembles und Projekten involviert. Irgendwann verliess also Geschichtenerfinder Luc Grandemange freundschaftlich die Truppe. «Wir hatten nichts aufgeschrieben, ich glaube, es können nicht mal alle Notenlesen von uns», so Guerne, der sich bei Al-Sarwib für die Keys verantwortlich zeigt. «Wir spielen ab Ohr», sagt er, «und zum Glück nehmen wir in den Proben immer alles auf.»
 
Also begann eine Zeit des einsamen Arbeitens zu Hause. Jeder bekam die Soundfiles und bereitete Vorschläge für die nächsten Proben vor. «Wir wollten die Idee von Luc beibehalten, er hatte die Richtung angegeben, doch plötzlich arbeiteten zu viele Köpfe daran.» Guerne lacht. «Wenn dann jeweils alle zusammenfanden, versuchten wir die verschiedenen Ideen aus, arrangierten, krempelten um, nahmen auseinander, setzten neu zusammen. Darum hat das fast zwei Jahre gedauert, bis die Geschichte von Louies endlich erscheinen konnte.» Das Cover dazu steuerte am Ende wieder Ideengeber und Grafikdesigner Grandemange bei. Und im Booklet sind alle Songtexte, manche auf Französisch, manche auf Englisch, also die Abenteuer von Louies, nachlesbar.
 
Skurrile Namensfindung
Doch ist es nicht nur das Geschichtenerzählen, was die sieben – neben Guerne und Pittet sind das des weiteren Arnaud Carnal, Diego Company und Joachim Kaufmann an den Gitarren, Thibaud Gerber, ebenfalls wie Pittet Schlagzeug und Perkussion und Armelle Scholl, wie Guerne ebenfalls an den Keys – miteinander verbindet. Sondern viel grundlegender sind es die Buchstaben S-A-R-W-I-B. Sarwib. Der hintere Teil des Bandnamens und eigentliche Basis der Kombo.
 
«Das heisst nichts. In keiner Sprache. Das ist ein Akronym», sagt Guerne. Ein Akronym für – Achtung! – «Superimposed Asymmetric Rythme With International Bluesguitare». Aha. Überlagerte asymmetrische Rhythmen also mit einem Touch internationaler Bluesgitarre. Damals bei der Bandgründung 2016 war das der Grundstein. Pittet, Guerne und Company erst drei, später mit Gerber und Grandemange fünf Menschen zusammen, die sich diesen überlagerten asymmetrischen Rhythmen widmen wollten. Mit diesen experimentieren und spielen wollten. «Wir sind keine Kindheitsfreunde oder so wie bei anderen Bands, sondern hatten einfach alle ein grosses Interesse an diesen Rhythmen.» Auch musikalisch verband sie erst einmal nur diese Rhythmen, denn der Background ist auch da sehr verschieden. Von Jazzschule über klassische Musikhochschule zu Autodidakt, Elektroniker und Grafiker ist da alles dabei. Das klingt etwas kopfig und technisch, könnte man sagen. «Ja, vielleicht. Aber dennoch bleibt die intuitive Natürlichkeit zuvorderst», so Guerne wieder. «In aller Komplexität muss es zugänglich bleiben. Sowohl für die Hörenden, wie auch für uns.»
 
So bauen Al-Sarwib um diese überlagerten Asymmetrien eben ganze Geschichten und orientalisch-afrikanische Klänge, vor allem aus Mali abgehört und inspiriert. Daher auch der vordere Teil des Bandnamens «Al». Man hätte auch «The» oder «Le» nehmen können, doch «Al» passte schlicht viel besser zu «Sarwib» und «The» hat ja jeder, «das wollten wir nicht», sagt Guerne. Wenn Al-Sarwib live spielen, brechen sie die Chronologie und spielen nicht die Songreihenfolge wie auf der Platte. Dann nämlich gehe es um die musikalischen Energien, nicht um die Texte, die gesungen vielleicht nicht mal verstanden würden. Wer weiss also, ob «Loins des Terres» live auch – ganz asymmetrisch – mit den übriggebliebenen Offbeats aufhört. Vera Urweider
 
Info: Al-Sarwib, Samstag, Le Singe, Biel, 20 Uhr. Tickets und Info unter
 www.kartellkulturel.ch

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