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Biel

Mit Fördergeld schafft sich’s leichter

Die Kunstschaffenden Rea Dubach, Jérôme Stünzi und Andrea Marioni werden von der Stadt Biel über die nächsten zwei Jahre mit 40'000 Franken unterstützt. Wofür brauchen sie die Summe?

Gefördert: Rea Dubach, Andrea Maroni und Jérôme Stünzi.  zvg
Tobias Graden
 
Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit: Diesen (fälschlicherweise) Karl Valentin zugeschriebenen Spruch würden Rea Dubach, Jérôme Stünzi und Andrea Marioni sicherlich unterschreiben. Sie sind zwar in unterschiedlichen Sparten tätig, aber eines ist ihnen gemein: Ihre Kunst verursacht viel Arbeit, und zwar oft auch solche, die das Publikum gar nicht wahrnimmt. Noch etwas haben die drei gemeinsam: Diese Arbeit wird ihnen für die nächsten zwei Jahre erleichtert. Sie kommen nämlich in den Genuss der sogenannten «Unterstützung für die Karreiereentwicklung» der Stadt Biel. Das sind insgesamt je 40000 Franken über die nächsten zwei Jahre. 
 
Geld gegen Leistung
Es ist erst das zweite Mal, dass die Stadt dieses noch relativ neue Förderinstrument anwendet. Letztes Jahr gingen die Beträge an Laurent Güdel, Guadalupe Ruiz und Antoine Rubin. Während für jene Förderperiode von 2020 bis 2022 insgesamt 25 Gesuche eingingen, waren es dieses Mal 18. 
Dass es nicht mehr sind, dürfte auch mit dem Aufwand für das Gesuch zusammenhängen. Dieses ist aufwändig zu erstellen. Die Kunstschaffenden erhalten das Geld nämlich nicht einfach so in die Hand gedrückt, sondern sie schliessen mit der Stadt eine Leistungsvereinbarung ab. Sie müssen aufzeigen, welchen Effekt die Förderung für die weitere Entwicklung ihrer Karriere hat. Bei den letztes Jahr bedachten Künstlern jedenfalls geht diese voran, trotz Pandemie, wie Vust an der gestrigen Pressekonferenz aufzeigte. So war Laurent Güdel beispielsweise kürzlich für die Swiss Art Awards nominiert, Guadalupe Ruiz war Teil der Bieler Fototage und Antoine Rubin hat mehrere Projekte abschliessen können. 
Denn auch darum geht es bei dieser Förderung:Dass Biel (noch) stärker sichtbar wird auf der Kulturlandkarte der Schweiz. «Biel zieht an», sagt Kulturdirektorin Glenda Gonzalez Bassi (PSR), «man kennt Biel nicht zuletzt wegen der Kultur.» Zudem sei die Beziehung zwischen Kunstschaffenden und Stadt eine Art Symbiose: Die Stadt unterstütze ihre Kulturleute, diese unterstützten dafür den sozialen Zusammenhalt. 
 
Sichtbarkeit kaufen
Damit sie das tun können, braucht es aber viel Tätigkeiten hinter den Kulissen. «Das Geld erleichtert tatsächlich einiges», sagt beispielsweise Rea Dubach. Die Musikerin mit Jahrgang 1992 ist vielseitig engagiert: In ihrem Soloprojekt Rea, als Sängerin und Gitarristin der Jazzband Omni Selassi, sie komponiert und produziert Tonspuren für Film-, Tanz- und Theaterproduktionen. Derzeit arbeitet sie an zwei Alben, wovon eines nächstes Jahr erscheinen soll. Die Pandemie habe in dieser Hinsicht geradezu geholfen – die Verringerung der Auftrittsmöglichkeiten erhöhte das Zeitbudget für Studioarbeit.
Obwohl ihr Schaffen zunehmend wahrgenommen wird – letztes Jahr war sie etwa «Associated Artist» in der Dampfzentrale Bern –, fehlen ihr die Ressourcen, sich besser in den für sie relevanten Netzwerken zu positionieren. «Das braucht Zeit und Geld», sagt sie, «eines dieser beiden Elemente fehlt meistens.» Die 40000 Franken will sie darum auch dafür einsetzen, sich Hilfe bei jemandem zu holen, der sich genau damit auskennt. «Das sind Arbeiten, die neben der Bühne erledigt werden müssen, die man nicht sieht», sagt Dubach, «die aber am meisten Geld und Planung benötigen.» Ein Management im herkömmlichen Sinne meint sie nicht damit – es geht ihr nicht um kommerziellen Erfolg in einem Popmarkt, wohl aber um Sichtbarkeit. «Gerade in der Musik gibt es so viele Neuerscheinungen», sagt sie, «vieles davon geht rasch wieder unter. Darum braucht es Leute, die Künstler unterstützen.» 
 
Theater und Kunstradio
Jérôme Stünzi, Jahrgang 1981, hat zwei Schaffensfelder. Er arbeitet einerseits als Bühnenbildner für die darstellenden Künste. Er hat das Kollektiv OldMasters mitgegründet, dessen Stücke auch schon im Pariser Centre Pompidou gezeigt worden sind. Anderseits schafft er Skulpturen, bewegte Installationen und Bilder und hat dafür letztes Jahr den Prix Anderfuhren erhalten.
Auch ihm verhilft die Förderung der Stadt in erster Linie zu mehr Zeit für seine Kunst. Als nächstes wird er ein Denkmal für Saisonniers gestalten, das Neue Museum Biel hat ihn damit beauftragt. Es wird eine Ausstellung zum Thema zeigen. Und er will ein neues Theaterstück für junges Publikum schreiben. Er betont:«Alles, was vor und nach der Präsentation eines Werks passiert, benötigt Arbeit ausserhalb des Scheinwerferlichts. Es ist nötig, die Künstler in diesen Momenten zu unterstützen.» 
Andrea Marioni (1986) schliesslich wird das Geld dafür nutzen, sich auf sein Radio-Kunstprojekt Lumpenstation.art zu konzentrieren. Der bildende Künstler, Performer und Kurator hat in Biel von 2018 bis 2020 den Espace libre geleitet. Lumpenstation.art sei im Wachsen begriffen, so Marioni. Demnächst weilt er in Stockholm, wo er an der Supermarket Art Fair teilnimmt, einer Messe für unabhängige Kunst. Er wird dort jeden Tag live senden. Das städtische Geld wird es ihm erlauben, die technische Basis von Lumpenstation zu verbessern, aber auch mehr Zeit für die künstlerische Recherche aufzuwenden und Kollaborationen mit Stellen wie Museen aufzugleisen. Um den Effekt der Förderung zu verdeutlichen, greift er zu einer Star-Wars-Metapher: «Biel ist das Mutterschiff, nun werden weitere kleine Raumschiffe möglich.» Und er vergleicht das zu erwartende Resultat mit den Covid-Impfstoffen: «Es sieht aus, als seien sie ganz plötzlich da gewesen. Aber dahinter steckt jahrzehntelange Forschungsarbeit.» 

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