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Konzert

Mix it, Baby!

Aus dem Volkshaus überträgt das Opernstudio am Montag und Dienstag live «Opernskizzen». Unter der Leitung Marena Whitchers werden Opernarien mit viel Pep und Glitzer zur Pop-Party.

Oper kuschelt mit Popkultur. Bild: Clara Gauthey

Clara Gauthey

Bei der Probe im Bieler Volkshaus versammeln sich raschelnd und summend elf Gestalten mit silbernen Glitzerhosen und brasilianisch anmutendem Federkopfschmuck. Eine barocke Ballrobe fegt an einem Tierpelz vorbei und ein Aerobic-Outfit mit abgebrochenen Gitarrenhälsen, die aus dem Busen ragen, führt zu hochgezogenen Brauen und einem Schmunzeln. Fast könnte man den Mundschutz der Künstler in Anbetracht ihrer Maskerade vergessen. Während sich die Streichinstrumente einstimmen, verhaut Nicolas Stocker sein Schlagzeug kräftig zum Synthesizer und der zart schmelzenden Stimme von Gina Été alias Gina Corti, alias «die Schweizer Antwort auf Björk». Die beiden sollen ein bisschen Pop-Chaos in die klassischen Opernarien mischen.

 

Gesamtkunstwerk Whitcher

Endlose Tüllmeter treffen auf bunte Federtiere à la Papagena – so toll, irr und bunt sahen die Sängerinnen und Sänger des Schweizer Opernstudios noch nie aus zu ihren «Opern-Skizzen». Der Hang zum theatralen Disco-Outfit stammt von Marena Whitcher, welche die Aufführung diesmal begleitet und arrangiert. Die Performerin aus Zürich ist selbst eine Art Gesamtkunstwerk. Obwohl sie bei diesem Projekt ausnahmsweise nicht auf der Bühne steht, sieht die schweizerisch-amerikanische Doppelbürgerin verkleidet aus: Sie trägt ein clowneskes, buntgemustertes Sakko, dazu lässige, noch buntere Hosen und unter den Augen dick aufgetragenen, silbernen Glitzer. «So fühle ich mich wohl», erklärt sie nüchtern und kein bisschen lächelnd.

Mit sieben Jahren sang Marena schon in der Beatles-Band ihres kalifornischen Vaters. Nach dem Studium in Jazzgesang an der Zürcher Hochschule der Künste und einem Master in Jazz-Performance und Komposition erhielt die Multiinstrumentalistin und Klangkünstlerin ein Stipendium für New York und unter anderem den Kunstpreis der Berliner Akademie der Künste. Berührungsängste mit anderen Musiksparten hat sie keine. Mal trällert sie wie eine Volksmusikantin, dann wieder exzentrisch, mit zartem Schmelz, elektronisch, jazzig, klassisch, nichts scheint unmöglich, aber immer ist es ein bisschen, manchmal schwer verrückt und mit falschen Wimpern, Perücke und Glitzersternchen garniert. «Ich mag die Schubladisierungen in der Musik nicht», sagt sie.

 

«Sie sollen wilder werden»

Mathias Behrends, Leiter des Schweizer Opernstudios in Biel, hat die Bühnenkünstlerin angefragt. Für ihn stand hinter ihrer Rekrutierung auch die Hoffnung, dass seine Studierenden nach der Zusammenarbeit, nach diesem «Clash» der Kulturen etwas offener und wilder würden, performativ und stimmlich etwas ausprobieren, ohne ihre klassische Technik dabei am Bühnenrand abzugeben. Und ja, wilder als sonst sind sie. Und wo nicht, spornt sie Marena Whitcher dazu an, ein wenig auszuflippen.

Auf der Bühne fuchtelt gerade eine Art Disco-Kleopatra mit ihrem goldglitzernden Lamettastab herum und erinnert dabei an einen Puck, der die bizarren Gestalten eines Sommernachtstraums von seinem Plüsch-Himmelbett aus dirigiert. Die «Keepers of Disorder», bezeichnenderweise die beiden «Pop-Eindringlinge» Gina und Nicolas unter den Opernstudierenden, sollen das Chaos aufrechterhalten, welches sich in diesem Gerichtssaal namens Bühne zu verringern droht.

Chaos bis zum Schluss. Monster. Traumgestalten. Zerbrochene Herzen. Kläger, Angeklagte und Verteidiger. «So weit entfernt sind Oper und Pop gar nicht voneinander», findet Whitcher. Eine hechelnde Opernsängerin klopft sich rhythmisch auf die Brust und stösst dazu helle Töne aus: theatralisch, wie es sich für Avantgarde-Pop gehört. Marena Whitcher hat sich eben doch ein wenig auf die Bühne gebracht, wenn auch ihr Song von Kollegin Gina Été vorgetragen wird. Und dann verschmelzen in diesem irren Tanzschuppen unter ihrer Ägide Pop, Discosound und Geigen exzellent zu einem exzentrischen Ganzen.

Stichwörter: Oper, Musik, Konzert, Pop, Fusion, Kultur

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