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James Gruntz

«Musik ist etwas Intimes»

Beste Kritiken, ein Pop-Preis, zwei Swiss Music Awards: Mit seinem vierten Album «Belvedere» hat James Gruntz endgültig den Durchbruch geschafft. Die ersten 16 Jahre seines Lebens verbrachte er in Nidau. Bereits als Jugendlicher schrieb er erste Songs – in Kauderwelsch.

James Gruntz’ Lässigkeit und Gelassenheit widerspiegeln sich auch in seiner Musik. Bild: zvg

Simone Tanner


Er braucht nur zwei Worte zu singen und man ist ihr verfallen. Dieser Stimme, in der soviel Soul steckt. Und Wärme. Wie ein KoKon lullt sie einen ein, gleich im Vocal-Opener «Countless Roads» seines aktuellen Albums «Belvedere». Doch James Gruntz hat nicht nur eine aussergewöhnliche Stimme, sondern auch ein Händchen für eingängige Melodien. Mit «Belvedere» hat er dies endgültig bewiesen. Die Stadt Basel ehrte ihn dafür – nach fünf vergeblichen Nominationen in Folge – Ende 2014 mit dem Pop-Preis, und an den Swiss Music Awards erhielt der gebürtige Nidauer in diesem Jahr gleich zwei Trophäen (das BT berichtete). In diesem Sommer geht fast kein Festival in der Schweiz ohne ihn über die Bühne.
Dabei hat es dem eher introvertierten jungen Mann lange nicht behagt, vor Publikum zu stehen, wie er an diesem lauen Sommernachmittag in einem Oltener Café an der Aare erzählt. «Musik ist etwas Intimes», sagt er. Das Publikum gebe ihm zwar viel Energie während eines Konzertes, doch «die intensivsten Momente erlebe ich nach wie vor alleine, zuhause am Klavier».

Zum Talent gesellt sich der Charme
Musikalisch sozialisiert wurde Jonas Gruntz, so sein bürgerlicher Name, mit den Blues-Platten seines Vaters. John Lee Hooker und Buddy Guy hatten es ihm angetan. Mehr als Mani Matter, dessen Plattencover mit Zigarette ihn eher abschreckte.
«Musik ist in mir seit ich denken kann», sagt Gruntz. Erste Versuche tätigte er am Cembalo der Eltern. Später schrieb er seine ersten Songs. Mit Hilfe eines Keyboards, das ein paar Rhythmen gespeichert hatte, über die er seine Melodien legte. Englisch sprach er damals noch nicht. «Ich sang in einem Kauderwelsch, das tönte wie Englisch. Ein bisschen peinlich», erzählt er und lächelt ein Lächeln, das zwischen Schüchternheit und Kalkulation oszilliert. Er scheint mittlerweile um seinen Charme zu wissen, der sich zu seinem Talent gesellt und von unschätzbarem Wert ist für eine Karriere im Popmusik-Business. Genau wie seine Lässigkeit. Man könnte gar von Gelassenheit sprechen, die sich manch einer oder eine älteren Semesters wünschte. Ihm geht vieles leicht von der Hand und so schnell bringt ihn nichts aus der Ruhe. Ein Grundvertrauen in die Welt und in sich.

«Kunst ist kein Kampf»
Seine Platten hat James Gruntz, der auch als Produzent für andere Sängerinnen und Sänger in Erscheinung tritt, bisher alle in Eigenregie produziert. Er lässt sich ungern von anderen reinreden, zumindest nicht bei der Entstehung seiner Songs. Und wenn, dann nur von einer Person, der er absolut vertraut. Diese Person hat er bisher noch nicht gefunden.
«Ein Song stimmt, wenn er sich für mich richtig anfühlt», sagt er. Er forciere selten etwas. Mit Zeit und Aufmerksamkeit entstehe mehr als mit Druck und Wille. «Kunst ist für mich kein Kampf. Wenns nicht einfach geht, ist etwas falsch», sagt er.
Diese Lässigkeit oder Gelassenheit widerspiegelt sich auch in seiner Musik. Sie kommt leicht, gefällig, ungekünstelt daher ohne simpel zu sein. So, wie Pop im besten Fall  sein soll. Gute-Laune-Tracks wie der leichtfüssige Ohrwurm «Heart Keeps Dancing» oder das groovige «Always Never» wechseln sich mit ruhigeren Liedern ab, wie dem melancholisch-mystisch angehauchten «Dark Side of the Moon» oder der Ballade «Belvedere», in der Gruntz’ Stimme nur von einem Piano begleitet wird.
Vieles hat sich Jonas Gruntz selbst beigebracht. Aber nicht nur. Nach zwei Jahren Trompetenunterricht bei einem «viel zu lieben Lehrer, der mich immer gelobt hat, obwohl ich nicht geübt habe», durfte er an der Musikschule in Biel endlich Schlagzeugunterricht nehmen. An der Zürcher Hochschule der Künste liess er sich später im Bereich Pop in Gesang und Piano ausbilden. «Die Theorie war mir aber immer ein Graus. Eigentlich wollte ich gar nichts damit zu tun haben.» Er habe sich dann durch das Studium geschlängelt und sein Theorie-Desinteresse mit seinen Stärken im Gesang und anderswo wettgemacht.

«Englisch ist so schön unkonkret»
Obwohl ihm die Musik näher ist, faszinieren ihn auch Worte. Er lese viel. Besonders mag er die Büher des japanischen Autors Haruki Murakami, aber auch jene des Berners Michael Fehr.
Seine Songtexte schreibt er in Englisch. «Englisch ist so schön unkonkret und erlaubt mir mehr Freiheit als Deutsch oder gar Schweizerdeutsch», sagt James Gruntz. Zudem töne er in Schweizerdeutsch wahlweise wie Ritschi oder Kuno Lauener. Das Tönen wie jemand anders will er tunlichst vermeiden. Auf den ungezählten Wegen, die er in «Countless Roads» besingt, hat er deshalb genau seinen gefunden. Für seine letzte Platte hat er sich bewusst viel Zeit genommen. Zeit, um zu sich selbst zu kommen, wie er sagt und in «Freight Train» mit den Zeilen «I’m On My Way Now» singt. Sich nicht nach aussen zu orientieren war sein Ziel,  um so die Gefahr des Kopierens zu umgehen. Die Popmusik hat er sicher nicht neu erfunden, aber seine Popmusik-Schiene gefunden, auf der er nun auch Richtung Deutschland fahren will. Das Album wurde im Nachbarland lanciert. Es sei aber noch zu früh, um eine erste Bilanz zu ziehen. Gruntz ist sich bewusst, dass dies kein leichtes Unterfangen werden wird. Das musikalische Zeug zum Erfolg ennet der Grenze hätte er. Die nötige Ausdauer auch.

Jetzt wohnt er im «Gjätt» draussen
Zurück zu den Worten: Das Finden der passenden Texte zu seiner Musik sei wohl die grösste Herausforderung, sagt Gruntz. Er versuche einfach, seine Gefühle in Worte zu fassen. Herauskommen dann so poetische Zeilen wie «Everywhere Else Is Better, But Nowhere Is As Good As Here» aus dem Song «Belvedere». James Gruntz spricht von der Sehnsucht nach dem Anderswo und dem gleichzeitigen Bleiben-Wollen, weil es Zuhause womöglich doch am schönsten ist.
Bis zu seinem 16. Lebensjahr war James Gruntz in Nidau und Biel zuhause. Noch heute verbinden ihn viele Freundschaften mit seiner alten Heimat. Seit Ende des Studiums lebt er in einem Vorort von Olten, «im Gjätt» draussen. Da, wo er fast niemanden kennt und im konzertreichen Sommer zwischendurch etwas ausspannen kann. Er geniesse manchmal auch die Langeweile. Und oft passiere genau in jenen Momenten, in denen eigentlich nichts passiere, ganz viel. Ideen für neue Songs sind jedenfalls schon vorhanden. Diese «Fetzen» will er demnächst durchgehen. Allein, zuhause am Klavier.


Info: James Gruntz: «Belvedere», Bakara Music, 2014. Gruntz tritt am 1. August im Rahmen der Beachmania Music Session in Biel auf. Tickets unter www.ticketcorner.ch

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