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Pasquart

Optimistisch und international

Planen trotz Pandemie ist eine Herausforderung – auch für das Team des Kunsthauses. Felicity Lunn will aber im zweiten Coronajahr optimistisch bleiben und vor allem weiterhin internationale Kunst zeigen.

Das Bieler Duo Ritzwirth zeigt im Sommer im Kunsthaus eine Einzelausstellung. ZVG

Interview: Simone K. Rohner
Felicity Lunn, wie stark ist Ihr Gefühl von Déjà-vu derzeit?
Felicity Lunn: Ich denke, für alle Menschen ist die Situation im Moment ein Déjà-vu. Für das Jahresprogramm des Kunsthauses ist es aber etwas anders als letzten Frühling. Der Lockdown damals war kürzer als erwartet, wir mussten nur zwei Monate schliessen. Corona war dann ein Novum und die Energie war eine andere. Wir bleiben natürlich engagiert und zuversichtlich, aber mit der Zeit wird es schwierig zu planen, weil es unabsehbar scheint. Für die Kultur bedeutet die jetzige Lage die totale Unsicherheit. Das ist überall so, aber für uns im Kanton Bern ist die Situation jetzt schon sehr lange so. Seit dem 24. Oktober 2020 konnten wir nur vier Tage offen sein.

Welche Bilanz ziehen Sie aus dem letzten Jahr?
Die genauen Besucherzahlen liegen noch nicht vor. Aber es waren ganz klar weniger. Der Sommer war gut. Wir konnten die Sommerausstellung durchführen – es kamen sogar mehr Menschen als sonst in den Sommermonaten. Aber es war frustrierend, dass wir die zwei Herbstausstellungen nach der Hälfte der Laufzeit schliessen mussten. Ich finde es schlimm, dass kulturelle Einrichtungen im Kanton so lange schliessen mussten, während Läden und die Skipisten offen sein konnten. In dieser Zeit haben wir sehr viel über den Stellenwert der Kultur in der Schweiz gelernt.

War das ernüchternd für Sie?
Auf jeden Fall! Es ist diese Haltung, dass wir eigentlich nicht so wichtig sind. Natürlich wurde finanzielle Unterstützung angeboten. Aber es wurde nie erklärt, warum wir schliessen mussten. Es hatte ja nichts mit den Ansteckungszahlen in kulturellen Institutionen zu tun. Die Schliessung kam mir sehr willkürlich vor.

Welche Erfahrungen aus dem letzten Jahr konnten Sie mitnehmen für das 2021?
Das Homeoffice ist dieses Mal viel einfacher und läuft glatter ab. Ich habe aber gelernt, dass der Kontakt zu allen Mitarbeitenden wirklich wichtig ist. Vor allem auch zu denen, die gar nicht mehr arbeiten können. Dazu machen wir jetzt alle zwei Wochen eine digitale Teamsitzung mit allen. Was auch klar geworden ist nach diesem letzten Jahr, ist, dass das Digitale und die Präsenz auf Social Media sehr wichtig ist, aber es kein Ersatz ist. Diese online Angebote eröffnen auch für uns neue Möglichkeiten.  

Mit welchem Gefühl schauen Sie dem Frühling entgegen?
Ich glaube nicht, dass wir Anfang Merz wieder öffnen können. Ich hoffe nicht, dass wir Mitte April noch geschossen bleiben müssen. Sodass wir die Ausstellungen Mitte April eröffnen können. Das würde aber natürlich die Cantonale beeinträchtigen, die wir bis zum 21. März zeigen können. Geht der Lockdown noch viel länger oder müssen wir während des Jahres noch einmal schliessen, müssen wir natürlich auch das folgende Programm, so gut es geht, ändern, damit wir nichts absagen müssen. Das ist meine Priorität.


Wie behalten Sie die Motivation, wieder aufs Neue ein Jahresprogramm zu planen?
Wir sind dafür da, Ausstellungen zu zeigen, die Menschen zu empfangen und eine Plattform für Kunstschaffende zu bieten. Wir müssen di Hoffnung behalten und daran glauben, dass wir, auch wenn es weitere Verschiebungen geben sollte, alle geplanten Ausstellungen irgendwann zeigen können.

Zeigen Sie 2021 Ihr Wunschprogramm?
Nein. Das Programm ist kürzer als sonst. In diesem Jahr zeigen wir zwei Ausstellungen, die letzten Frühling geplant waren. Dafür haben wir letzten Dezember wieder neu planen müssen und die zwei ersten Ausstellungen 2021 auf den Sommer verschoben. Dafür mussten wir wiederum die für den Sommer geplante Malereiausstellung auf 2022 verschieben.

Was war am schwierigsten bei der Planung des diesjährigen Programms?
Diese absolute Offenheit, was passieren wird und wann wir wieder öffnen können. Dass wir ein internationales Programm haben, macht es auch wesentlich komplizierter. Wir haben Leihgaben aus dem Ausland. Und Kunstschaffende, die aus dem Ausland einreisen.

Warum kein Ausstellungsjahr nur mit Schweizer Kunstschaffenden?
Natürlich habe ich mir das letztes Jahr überlegt. Aber das ist nicht das, was wir machen. Ich wollte lieber das Risiko eingehen, auch um unser Profil beibehalten zu können. Mit der Schottin France-Lise McGurn hatten wir ja riesiges Glück letztes Jahr, weil sie unbedingt vor Ort sein musste für die Wandmalereien. Zwei Wochen später wäre das gar nicht mehr möglich gewesen.

Auf welche Ausstellung freuen Sie sich besonders?
Auf Nilbar Güreş, weil wir jetzt noch ein Jahr darauf warten mussten. In der Zwischenzeit hat sie natürlich weitergearbeitet. Das ist eine schöne Gelegenheit, auch ihre neusten Arbeiten zu zeigen.

Etwas fällt auf, es sind sehr viele Frauen vertreten.
Ja, aber das ist ja nichts Neues bei uns. Es ist eine bewusste Entscheidung, dass wir vor allem Künstlerinnen in Einzelausstellungen zeigen. Auch als Ausgleich zu den vielen Museen, die vor allem Kunst von Männern zeigen. Gerade bei den grossen Häusern ist der Frauenanteil immer noch viel zu klein.

Warum zeigen Sie das Bieler Duo Ritzwirth im Kunsthaus? Er ist Designer, sie Architektin.
Katia Ritz und Florian Hauswirth sind schon länger auf meinem Radar, weil ich es interessant finde, dass sie hybrider sind. Sie arbeiten multimedial und installativ.

Momentan läuft auf dem Instagram-Kanal des Kunsthauses das Projekt «Artist Takeover» mit Kunstschaffenden der Cantonale. Was ist sonst noch Digitales geplant?
Wir werden diese Takeover auch bei den folgenden Ausstellungen zunächst bis Ende 2022 durchführen. Dafür bekommen die Kunstschaffenden auch ein Honorar. Weil das sehr zeitintensiv ist, haben wir bis jetzt nichts Weiteres geplant. Wir haben schlicht keine Kapazität, weil die normale Museumsarbeit ja weitergeht. Für den Fall, dass die Cantonale aber gar nicht mehr gezeigt werden könnte, würden wir einen professionellen Film der Ausstellung machen lassen, der dann online zur Verfügung stehen würde.

Werden die Jubiläumsfeierlichkeiten, die ausfallen mussten, nachgeholt?
Wir konnten letztes Jahr 20 der geplanten Veranstaltungen im Rahmen des Jubiläums durchführen. Zehn Weitere mussten wir verschieben. Diese werden wir nun dieses Jahr durchführen. Dass wir das Jubiläum verlängern würden, war aber schon letzten Frühling klar.  

Dann sind Sie zuversichtlich, dass Veranstaltungen dieses Jahr wieder normal stattfinden können?
Das kann man so nicht sagen. Wir haben uns für die Ausstellungseröffnung im April gegen eine Vernissage entschieden. Ich habe mir auch überlegt, gar kein Programm zu drucken. Aber auch mit dem physischen Programm möchten wir den Menschen zeigen, dass wir trotz der Lage optimistisch sind. Es haben sich ausserdem längst alle daran gewöhnt, dass in dieser Pandemie nicht immer alles genau nach Programm stattfinden kann.


Das Kunsthausprogramm 2021
Den Anfang im Kunsthausprogramm 2021 macht Nilbar Güreş. Die türkische Künstlerin arbeitet in verschiedensten Medien wie Malerei, Fotografie, Film, Performance, Collage und Zeichnung und hinterfragt konventionelle Geschlechterrollen. Die Schau soll am 18. April eröffnet werden. Zur selben Zeit findet die Ausstellung zum Aeschlimann-Corti-Stipendium statt.
Vom 18. bis am 22. Juni findet das Diplomfestival des Masters in Contemporary Arts Practice der Hochschule der Künste Bern statt. Die Sommerausstellungen zeigen ab 4. Juli das Bieler Duo Ritzwirth und Emilija Škarnulytė aus Litauen. Im Herbst zeigt das Kunsthaus ab 12.September die Britin Emma Talbot und die Schweizer Künstlerin Vanessa Billy in Einzelausstellungen. Talbots Werk bildet stets die Zeichnung den Ausgangspunkt für ihre Auseinandersetzung mit Fragen unserer Zeit. Billy erforscht in ihren Skulpturen ökologische Aspekte, Energiekreisläufe, dystopische Visionen und transformative alchemistische Prozesse.
 Des Weiteren findet auf dem Instagram-Kanal des Pasquart die Aktion #artisttakeover statt. Und zu guter Letzt zeigt die Jahresausstellung Cantonale Bern Jura im Dezember aktuelle Positionen aus der Region. sro/mt

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