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Sternschnuppen

Perseus schickt seine Boten in der Nacht

Der Sternschnuppenmonat August will seinem Ruf in den nächsten Nächten wieder alle Ehre machen. Was der griechische Held Perseus damit zu tun hat und wie Autopassagiere einen Mückenschwarm erleben.

Symbolbild: Keystone
Christophe Pochon
 
Die Nachtleuchte macht mit, sie löscht ihr Licht, sie wird - so paradox das tönt - als Neumond durch Abwesenheit glänzen. Zur Freude all jener, denen die Sterne nicht schnuppe sind, warten sie doch sehnlichst auf ein alljährlich so zwischen dem 9. und dem 13. August wiederkehrendes Naturschauspiel: das Eintreffen des Perseïdenschwarms, eines Meteorstroms - mit dem vermuteten Höhepunkt 2007 in der Nacht auf Montag.
 
Schnelle Gedanken nötig
Wenn jetzt noch das Wetter seine Wolken zum Verschwinden brächte, so könnte die Sternschnuppenparade ungehindert beobachtet werden, die regelmässig für ein glühendes, kurzlebiges Spektakel am nächtlichen Himmel sorgt. Wer also in den nächsten Nächten eine Sternschnuppe mit dem Auge erhascht, der kann sich sagen, dass sich seine stillen Bitten um eine klare Sicht erfüllt haben. Und jetzt hat der Perseïdenschwärmer im Angesicht eines dieser flüchtigen Boten aus dem Weltall nach alten Überlieferungen erst noch einen Wunsch frei. Allerdings gelten dabei zwei Regeln: Der Wunsch darf nur gedacht werden, und er muss zu Ende gedacht sein, bevor die Sternschnuppe erlischt. Der Gedanke muss also schneller sein, als eine Sternschnuppe dahinfährt.
 
Die August-Irrlichter führen ihre Abstammung auf den Kometen 109P/Swift-Tuttle zurück, dessen Staubspur, entstanden auf seinem Kurs um die Sonne, die Erde jährlich im August kreuzt, was der Grund für die Leuchteffekte ist (vgl. Infobox unten). Weshalb aber heissen diese Sternschnuppen dann nicht Swift-Tuttler oder, ganz zungenbrecherisch, Swift-Tuttleïden? Eines Gaukelspiels der Perspektive wegen.
 
Auto im Mückenschwarm
Astroexperten vergleichen das Perseïden-Phänomen mit einem Auto, das durch einen Mückenschwarm fährt wie die Erde durch die Kometen-Staubspur. Die Passagiere müssen demnach zum Schluss kommen, als seien alle Mücken vom selben Punkt aus gestartet. Auf den Sternschnuppenschauer übertragen erhält der irdische Beobachter den Eindruck, als hätten sich die hochsommerlichen Wanderer aus dem Kosmos gemeinsam vom Sternbild des Perseus aus aufgemacht.
 
Es verkörpert einen ganz speziellen Helden aus der griechischen Mythologie, der so beschaffen ist, dass es irgendwie Sinn macht, wenn es als Absender der unbeschwert wirkenden Sternschnuppen gilt. Perseus ist in seiner Zeit ein Sinnbild für die Leichtigkeit des Seins. Wanderer zwischen den Welten, in der Luft ebenso zuhause wie auf Erden. Er ist bezeichnenderweise im Besitze geflügelter Sandalen und einer Tarnkappe, mit der er sich in Luft auflösen kann.
 
Die Gegenstände helfen ihm, ein lebensgefährliches Vorhaben unbeschadet zu überstehen, nämlich die Medusa zu überwinden, ein furchterregendes Geschöpf mit Haaren aus lebendigen Schlangen, das jeden zu Stein erstarren lässt, der es direkt anblickt. Durch seinen einen «Standort», die Luft, hat Perseus Geist, Köpfchen. Er sieht die Medusa nur im Spiegel seines ihm von Pallas Athene, der Göttin der Weisheit, geschenkten glänzenden Schildes an, um der Schrecklichen mit der ihm vom Götterboten Hermes zugeeigneten diamantenen Sichel mit einem Streich den Kopf abzutrennen. Hermes hat als Attribut ebenfalls Flügel an den Schuhen: Luftwesen unter sich. Dass die Medusa nicht nur Böses ausgebrütet hat, zeigt sich im Moment ihres Todes: Aus ihrem kopflosen Rumpf entspringt das geflügelte Pferd Pegasus, das ebenfalls ins Geistige, ins Reich der unbegrenzten Phantasie, weist: Es ist zum Symbol der Dichtkunst geworden, die sich im Schaffen ja keinen Zwängen unterwerfen, sondern über die Niederungen hinausreichen will. Sternschnuppen beispielsweise verdienen es, von Dichtern angerufen zu werden.
 
Das aktuelle astronomische Ereignis wird auch mit dem Christentum in Bezug gebracht: Die Perseïden heissen auch etwa «Tränen des Laurentius», in Erinnerung an den Heiligen Laurentius, dessen Namenstag auf den 10. August fällt. Er war im dritten Jahrhundert ein Märtyrer, wurde zu Tode gefoltert. Menschlicher Intoleranz wegen hätte der Himmel oft Grund, Sternschnuppen zu weinen.

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Sternschnuppen
Sternschnuppen vom August: Körner der Staubspur, die der Komet 109P/Swift-Tuttle auf seiner Bahn gelegt hat. Komet derzeit weit von der Erde entfernt, wird erst für 2126 wieder in Erdnähe erwartet. Letzter Besuch im inneren Sonnensystem von Swift-Tuttle: Ende des Jahres 1992. Eindringen der Körner mit knapp 60 Kilometern pro Sekunde oder fast 200 000 Stundenkilometern in die Lufthülle der Erde. Aufheizung durch Reibung bis zum Verglühen. Dadurch Anregung der Luftmoleküle durch die Hitze bis zum Leuchten. Resultat: eine Sternschnuppe. Anzahl der fallenden Sternschnuppen pro Stunde: über 100 Meteore. 



 

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