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Noah Veraguth

Psychedelisches Seeland

Der Sänger von Pegasus veröffentlicht eine Solo-EP. «Fragmented Music»ist eine Klang-Hommage an Biel. Sie tönt anders als alles, was man von der Pop-Band gewohnt ist.

Er wandelt auf neuen Pfaden: Pegasus-Frontmann hat sein Heimweh nach Biel höchst originell vertont. zvg

Audiobeitrag

"Chasseral"

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Tobias Graden

Noah Veraguth ist gerade in England. Seine Bandkollegen sind bereits bei ihm oder reisen dieser Tage noch nach. Pegasus, die Bieler Hit-Band, schreibt an neuen Songs. «Wir fahren ein bisschen rum, haben eine gute Zeit», sagt Sänger und Songschreiber Veraguth am Telefon, «ein Tapetenwechsel hilft, um zu neuen Inspirationen zu gelangen.» Er hat es schon für das letzte Album so gehalten, als Veraguth sich nach Berlin zurückzog, um an den Liedern für das Album «Love & Gunfire» zu arbeiten.


Klangbilder Biels


Pegasus waren sehr erfolgreich und aktiv in letzter Zeit, Noah Veraguth ist viel unterwegs, zuletzt spielte man gar Konzerte in Japan. Kurz: «In den letzten Jahren war ich kaum mehr in Biel.» Mitunter kommt Heimweh auf, eine Sehnsucht nach Biel. Ein Heimkommen ist aber nicht so einfach möglich. Was also tun?
Veraguth hat sich Bilder seines Biels vor dem inneren Auge ablaufen lassen. Er hat sich einen Ausflug vorgestellt. Vom früheren Zuhause an der Schützengasse führt dieser über das Stadtzentrum; dem Flanieren durchs Zentrum während der Braderie folgt die Fahrt mit der MS Chasseral zur St. Petersinsel und zurück. Diesen Ausflug hat Noah Veraguth mit der heute erscheinenden EP «Fragmented Music» vertont.
Wer nun aber gekonnt auf die Essenz arrangierte, eingängige Popsongs wie bei Pegasus erwartet, liegt komplett falsch. Veraguth hat sich für seine erste Solo-Veröffentlichung von allen Hit-Fesseln gelöst und sich in die künstlerische Freiheit begeben. Die fünf Kompositionen der kurzen EP, die nur digital erscheint, tönen anders als alles, was man von Pegasus gewohnt ist.


Das Bedürfnis auszubrechen


«Fragmented Music», das sind keine Songs, schon gar keine Popsongs. Sondern es ist eine psychedelische Klangcollage, ein fragmentiertes Hörspiel aus Geräuschen, einzelnen Melodien und musikalischen Versatzstücken, das als Ganzes gleichwohl eine stimmige Dramaturgie aufweist und ein instrumentales, abgeschlossenes Werk darstellt.
Noah Veraguth, der Pop-Hit-Schreiber, hat neben der Arbeit mit Pegasus immer schon auch instrumentelle Musik geschrieben: «Es fasziniert mich, ein Stück Musik ohne Gesang funktionieren zu lassen.» Letztes Jahr habe er den grossen Wunsch verspürt, aus dem Popmusik-Format auszubrechen und alles Mögliche zu verwenden – auch Geräusche: «Sie funktionieren ganz unmittelbar. Wenn man eine Münze auf einem Tisch aufprallen hört, ist man in seiner Vorstellung sofort in der Szene drin.»


Inspiration bei Charlie Chaplin


Für «Fragmented Music» konnte er auf einen breiten Fundus an Aufnahmen zurückgreifen. Seit Jahren sammelt Veraguth spontan klingende «objets trouvés»: Stimmengewirr, Kinderweinen, Schritte, den Jahrmarkt-Klangteppich, Durchsagen und vieles mehr. Aus diesem Fundus, weiteren Elementen aus Sound-Bibliotheken und mit Instrumentalkompositionen, die an Filmmusik gemahnen, hat er seine EP gestaltet.
Diese erinnert beim Hören beispielsweise an die Pink Floyd der Sechzigerjahre. Veraguth nennt als Inspirationsquelle aber andere Künstler, allen voran Charlie Chaplin: «Er verstand es, nur schon mit einer Mandoline in seinen Filmen Emotionalität zu erzeugen.»Aber auch die Experimente von Brian Wilson (Beach Boys) oder Bands wie Empire of the Sun oder The Ruby Suns gefielen ihm. Selber ist Veraguth ein erfrischendes, unkonventionelles und überraschendes kurzes Klangwerk gelungen. Sein bekannter Name könnte gut dafür sorgen, dass sich neue Hörerschichten einer Kunst annähern, die der Experimentellen Musik näher ist als dem Radioformat.
Eine Konkurrenz für Pegasus ist das Solo-Schaffen von Veraguth nicht, vielmehr eine Ergänzung. «Ich kann mir aber gut vorstellen, in einer weiteren Zukunft mehr Energie auf Instrumentalmusik zu verwenden», sagt der Künstler.
Seine Stammband ist in den Soundscapes dieser EP gleichwohl auch (kurz)zu hören. Wie genau, sei hier nicht verraten – die Suche nach dem Selbstzitat schärft schliesslich die Ohren.

Info: Noah Veraguth: «Fragmented Music» (Gadget Records). Erhältlich auf den üblichen digitalen Plattformen.

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