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Ausstellung

Raphael Heftis Spiel mit dem Aggregatszustand der Kunst

Es ist eine Begegnung mit der Erde, dem Himmel und allem dazwischen. Der Künstler Raphael Hefti, der in Biel geboren wurde, entführt sein Publikum in ferne Welten.

In «Message Not Sent» lässt Raphael Hefti Edelgase mit Strom reagieren.

Simone K. Rohner

Die aktuelle Ausstellung von Raphael Hefti (geboren 1978) in der Kunsthalle Basel bewegt sich auf Erden und ebenso scheinbar in fernen Galaxien. Und dazwischen. In seiner Ausstellung erlebt man sozusagen die verschiedenen Aggregatszustände der Kunst. Der Elemente. Und das alles in bloss wenigen Räumen. Man tritt in den altehrwürdigen Bau der Kunsthalle Basel hinein, um sogleich in eine andere Welt einzutauchen, die einem immer weiter wegträgt vom Alltag – was für eine Wohltat in dieser Zeit. Dabei muss man sich als Publikum unglaublich zusammenreissen, Raphael Heftis Kunst nicht anzufassen. Will man sie doch ganz ergründen, ganz begreifen, mit allen Sinnen.

 

27 Tonnen Sand

Den Anfang macht Hefti, der in Biel geboren wurde und hier bereits mit Ausstellungen vertreten war, mit 27 Tonnen schwarzem Sand. Er presst ihn, lässt ihn Formen annehmen, die manchmal klar geschnitten wie ein Produkt der Industrie daherkommen. Und dann sind da wieder diese Formen, die organisch gewachsen zu sein scheinen. Über die Sandskulpturen lässt der Künstler geschmolzenes Aluminium fliessen, das einmal die Gestalt von erhitztem und wieder erkaltetem Kerzenwachs annimmt und dann wieder wie ein eben erst angehaltener Wasserfall wirkt. Silbern glänzend fügt es sich in die Oberfläche ein, wie Wasser in einem steinigen Flussbett oder es legt sich geschmeidig auf eine scharfe Oberfläche. Die grossen raumfüllenden Sandskulpturen sind massiv und fragil zugleich. Natürlich und künstlich zur selben Zeit. Die raue Oberfläche verschluckt das darauf einfallende Licht, es ergibt sich eine optische Tiefe. Es scheint, als könnte der Sand bei der kleinsten Berührung in sich zusammenfallen. Und doch hält er das Gewicht des auf ihm ruhenden Metalls aus.

Die Ausstellungsräume müssen einiges an Gewicht aushalten. Hefti geht in seiner Kunst Risiken ein. Er geht an die Grenzen des Machbaren. Auch für sich selbst. Er verlor bereits einmal seine Haare wegen seiner Kunst. Ein anderes Mal jagte er aus Versehen sein Auto in die Luft – und wurde eine Zeit lang von einer Anti-Terror-Einheit überwacht, da sich die Explosion ereignete, als gerade das Wef in Davos stattfand. Chemische und physikalische Vorgänge spielen eine zentrale Rolle, was nicht von irgendwoher kommt. Hefti lernte ursprünglich Elekroniker. Dann studierte er Fotografie. Beide Wurzeln sind spürbar in dieser Ausstellung, die sein aktuelles Schaffen zeigt.

 

Fünf Welten

Die fünf Ausstellungsräume unterscheiden sich fundamental. Trotzdem stimmt die Schau in sich. Jeder Raum steht für sich und hat doch Gemeinsamkeiten mit den anderen. Das Publikum durchschreitet Heftis Welten, erlebt sie mal immersiver, mal als Beobachter. Es ist seine Wahl des Materials und sein Umgang damit, was dieses Gefühl ausmacht. Im zweiten Raum – es ist viel mehr ein Durchgang – hängt eine sechs Meter lange Skulptur, die durch die Fensterfront mit Licht beschienen wird. Oder ist es ein Bild? Die Oberfläche glänzt in den Regenbogenfarben wie ein Ölfleck auf der Strasse. Hier verwendet der Künstler ein weiteres Element der Erde – Bismut, ebenfalls ein Metall. In der Natur hat es eine kristallähnliche Form und ist blassgolden, die Oxidation der Oberfläche ist für die irisierenden Farben verantwortlich. Geht man am Objekt vorbei, verändert sich die Oberfläche, wirkt fluide, ja beinahe erwartet man, dass die Farbe die Wand hinunter läuft.

Zeit bildet ein weiteres Element in Heftis Ausstellung. Edelstahlträger liegen am Boden. Aus dem Gebläse im oberen Teil des Raumes strömt Luft. Der Künstler hat die Träger über acht Jahre lang extremen Temperaturen ausgesetzt. So sollte ein Alterungsprozess von 5000 Jahren imitiert werden. Die Eisenträger wirken fremdartig, komplett deplatziert, aus dem ursprünglichen Kontext gerissen. Als wären sie hier als archäologisches Material ausgestellt – aber eigentlich aus einer anderen Zeit, ja vielleicht aus der Zukunft.

 

In Trance

Der letzte Raum ist der eindrücklichste. Hefti lässt Edelgase in 15 Glasröhren fliessen und setzt diese unter Starkstrom. So leuchten Helium, Neon, Argon, Krypton und Xenon in verschiedenen Farben und tanzen in unterschiedlichen Rhythmen. Die Röhren, je vier Meter lang und mit einem Durchmesser von fast 20 Zentimetern, stehen schwebend im Raum. Auch hier sollte man, wegen des Starkstroms, das Berühren unterlassen. Wie gefährlich es wirklich wäre, bleibt als Frage beim Betrachten im Hinterkopf. Man wagt jedoch nicht, es auszuprobieren.

Auf Fotos, ja sogar in Videos wird die Atmosphäre, die im Raum herrscht, kaum fassbar. Jede Röhre hat ihre eigene Frequenz. Wer geduldig hinschaut und sich dem Licht ergibt, den Farben, wird erfasst von einer Art Trancezustand. Es lohnt sich, innezuhalten und sich eine Weile lang dem tanzenden Gas und den Farben im sonst dunkeln Raum hinzugeben, bevor es wieder hinaus in die reale Welt geht.

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