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Geschichte

Schlachten und Gestirne

Eine Schlacht auf englischem Boden gegenüber Frankreich, ein berühmter Wandteppich, der die Ereignisse schildert, und ein Komet, der die Leute ängstigte. Stichdatum: 14. Oktober 1066, gestern vor 950 Jahren.

Die Schlacht bei Hastings: Mal nicht als berühmter Wandteppich, sondern als Gemälde von Frank Wilkin. Bild: Keystone

Christophe Pochon

Samstag, 14. Oktober 1066: Zwei Heere prallen bei Hastings im Südosten Englands am Ärmelkanal aufeinander. Eine normannische Invasionsarmee unter dem Befehl von Herzog Wilhelm von der Normandie, der seine Ansprüche auf den englischen Thron durchsetzen will, und eine einheimische, angelsächsische Verteidigungsstreitkraft unter König Harold Godwinson, der im Falle einer Niederlage alles verlöre. Die Truppenstärke ist ausgeglichen: Beide Seiten verfügen über je etwa 8000 bis 10 000 Mann.

Bestens postierte Angelsachsen
Harold und seine Mannen sind strategisch im Vorteil. Sie haben Stellung auf einem Hügel bezogen; die Soldaten haben sich zu einem undurchdringlichen Schildwall formiert. Die Normannen müssen von unten angreifen und können die Phalanx der Angelsachsen nicht knacken. Ihre Reiterei, für die sie berühmt sind, können sie grossräumig nicht einsetzen. Harold und die Angelsachsen praktizieren den Stillstand und zwingen den Normannen die Bewegung auf, die aber immer wieder an den fixen Reihen des Gegners zerbricht.

Nur in Science-Fiction-Filmen gibt es Roboterheere, die ohne Emotionen und Gefühle Kämpfe bestimmen können. In der Realität der Menschen aber geht es bei kriegerischen Auseinandersetzungen um Leben und Tod und da hängt viel, sogar alles von der Kampfmoral der Truppe ab. So auch in der Schlacht bei Hastings vor nun 950 Jahren.

Plötzlich sinkt diese Kampfmoral bei den Normannen, weil sie nichts erreichen. Ihre Reihen wanken. Und ein Kriegsmittel, vielleicht bewusst vom Gegner eingesetzt, ist das Gerücht. So macht jenes plötzlich die Runde, Herzog Wilhelm sei gefallen. Nur etwas könnte jetzt helfen: Der Führer müsste sich zeigen. Und das tut Wilhelm. Kaltblütig reisst er sich mitten im Getümmel den Helm vom Kopf, so dass alle sein Gesicht sehen können. Und er feuert seine Soldaten an.

Unehelicher Sohn und Kriegsherr
Der Funke zündet. Die Normannen gewinnen langsam die Oberhand. Die Angelsachsen, ohnehin geschwächt von einem Waffengang ein paar Wochen früher gegen König Harald von Norwegen, der ebenfalls England besetzen wollte, sind am Ende, und es ist ihr König, Harold, der fällt. Wilhelm setzt sich in den folgenden Wochen und Monaten endgültig durch. An Weihnachten 1066 lässt er sich in der Westminster Abbey in London feierlich krönen: König Wilhelm I. von England, in die Geschichte eingegangen als Wilhelm der Eroberer, William the Conqueror.

Ein bewegtes Leben: um 1028 als unehelicher Sohn von Robert, Herzog der Normandie, und der Gerberstochter Herleva in Falaise geboren, wird er, obwohl «illegitimer» Spross, doch zum Nachfolger aufgebaut. Ab 1066 bis zu seinem Tod am 9. September 1087 ist er in Personalunion König von England und Herzog der Normandie.

Die neue Dynastie und die Normannen insgesamt prägen England in Baukunst und Sprache. Aber auch in der Verwaltung mit dem «Domesday Book» (Buch des Jüngsten Tages), einem Grundbuch, in dem das gesamte Eigentum an Ländereien im Königreich eingetragen wird, ein vorbildlich konzipiertes Register, bis heute nachwirkend.

«Umgekehrte Invasion»
Die Schlacht bei Hastings erinnert an die Ambivalenz der Beziehungen zwischen dem heutigen Grossbritannien und Festlandeuropa. «1066» lässt an einen späteren Invasionsversuch denken, erneut in einem Jahr mit einer Zahl im Doppel, 1588, durch die spanische Armada. Der Plan, England zu rekatholisieren und es als konkurrierende Seemacht auszuschalten, scheiterte am Widerstand der Engländer. Der hielt im Zweiten Weltkrieg auch die Nazis von Einmarschplänen ab. Grossbritannien blieb dadurch ein Vorposten der Zivilisation und brachte 1944/45 mit den USA in einer «umgekehrten Invasion» die Werte der Demokratie auf den unterdrückten Kontinent zurück. Brexit wird diese Gemeinsamkeiten nicht zerstören können.

Eine farbige Stickerei aus dem 11. Jahrhundert, die heute Weltdokumentenerbe der Unesco ist, der UNO-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, schildert auf zirka siebzig Metern Länge und rund fünfzig Zentimetern Breite eindrücklich den damaligen Machtkampf um den englischen Thron.

Eine der 58 Szenen auf dem Wandteppich von Bayeux (Normandie) macht in diesem Zusammenhang klar, wie ein Schweifstern die Menschen ängstigt – der Komet Halley, der alle 74 bis 79 Jahre auf seiner Bahn wiederkehrt, 1066 ebenso wie zuletzt 1986.
Wie vergänglich sind doch Ereignisse auf Erden wie das von Hastings, wie überdauernd dagegen die Gesetze am Himmel.

Zur Sache
Es gibt viele Stätten und Erzeugnisse im Zusammenhang mit der Schlacht von Hastings.

- Der Wandteppich von Bayeux: Seit 1982 im Centre Guillaume le Conquérant (Wilhelm der Eroberer) in Bayeux (Normandie) ausgestellt.
- Weiter eine Reise wert: Falaise, Département Calvados, Normandie, Geburtsort Wilhelms des Eroberers.
- Caen, Normandie, von Wilhelm zum Zentrum seiner Herrschaft als Herzog ausgebaut.
- Hastings selber, in Südostengland und Battle, etwas nördlich davon, Schauplatz der Schlacht.
- In London: Westminster Abbey, Krönungskirche Wilhelms. cbp

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