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«Donjon»

Schräges Hörspiel räumt Medaillen ab 
und kriegt eigenen Podcast

In New York hat das SRF-Hörspiel «Donjon» am Festival weltweit bester Produktionen gepunktet: mit originellem Sound, erstklassigen Sprechern und guter Regie. Für diese war unter anderem der in Evilard lebende Autor Wolfram Höll verantwortlich.

Kämpfen mit dem Text. Bild: Boulet / Delcourt / srf

Clara Gauthey

Düster-komisch-überdreht. Das ist eine Kürzestbeschreibung des skurrilen Hörspiels «Donjon», das Radio SRF 2 Kultur im vergangenen Jahr lancierte und das aktuell die zweite Staffel ausstrahlt. «Donjon» nimmt die Welt des Rollenspiels aufs Korn: parodistisch-schwarzhumorig und manchmal mit beherzter Plattheit. Frei nach dem Motto des «weisen Mattathias»: «Es braucht nur einer zu pupsen und schon lachen sich alle tot.» Zitat Ende. Eben ein Hörspiel auf Basis eines französischen Comics. Intellektuelle Klimmzüge sind da eher Mangelware.

 

Auf die lakonische Spitze getrieben
Rollenspiele dienen dem «Donjon» als Inspiration. Spiele, bei denen sich verwandlungsfreudige Menschen zurückversetzen in Kämpfer mit Monster- oder Magierkontakt, in Elfen, Barbaren, Wegelagerer oder Orks. Rollenspiele waren wohl so eine Art Spartenhobby jener 90er-Jahre-Jugendlichen, deren überbordende Fantasie mit schnödem Alltag allein nicht zu befriedigen war. Aus dem englischsprachigen Ausland übernahmen sie daher in ihre Wohnzimmer und Kellerräume Spiele wie «Shadowrun», «Dungeons & Dragons» oder «Vampire».

Bitterböse werden im «Donjon», der Festung, die das Abschlachten von Gestalten aller Art kommerzialisiert hat, Leichenberge und Heldentaten lakonisch auf die Spitze getrieben. Das Hörspiel, an dem der Bieler Autor Wolfram Höll als Co-Regisseur mitwirkte, hat jetzt am internationalen Hörspiel-Festival abgeräumt. Bei den New York Festivals International Radio Program Awards gabs Silber für die beste Originalmusik und die beste Regie, Bronze für den besten Sound und das beste Hörspiel.

 

Der umgedrehte Helden-Epos
Die Hauptfigur, Ente Herbert, ist der geborene Anti-Held dieser gekonnt vertonten Serie: hasenfüssig, schon mal käuflich, bauernschlau und witzig, aber voller niederer Instinkte. Er schaut gerne mal einer Schlägerei zu, solange er nicht selber ran muss. Muss er aber natürlich ständig. Umso schöner ist es da, wenn er von den Vampiren als Messias gefeiert wird. Der Gang ans Licht, eine messianische Tat, löst sie dann allerdings in Staub auf. Nun ja. Eigentlich ein beinahe britischer Humor. Aber auch Klischees ausserhalb der Abenteurerwelten werden gebrochen: von Geschlechterrollen («Du heteronorme Ente, die nicht einmal ihr Schwert aus der Scheide kriegt!») über Klischees aus Heldenepen aller Art ebenso wie aus dem Berufsleben, welches auch in der Fantasywelt mit Cafeteria und 3D-Restaurant um Arbeitnehmer buhlt. Dann kommt einer, der angeblich einen Bachelor in Betriebswirtschaft hat und keinesfalls im «Praktikantenkeller des Vergessens» landen will.

 

Noch ein Donjon!
Nein, der junge Mann will eigentlich gleich lieber die eigene Festung eröffnen. Und weil er damit dem Ego des Donjon-Chefs als grossem Mentor schmeichelt, weiht dieser ihn in die Kunst des Kommerzes ein. Von der «sorgfältigen Entsorgung der Überreste der Kunden» bis hin zur Taktik, Abenteurer nicht direkt mit einem Riesenmonster zu entmutigen. Dummerweise kopiert sein Schüler nicht, sondern eröffnet einfach einen tumben Vergnügungspark, der den Donjon in ein entvölkertes Geisterschloss verwandelt.

 

Schräge Charaktere
Marvin, der gutmütig-vegane Drache, der auch mal Blaubeer- und Schoko-Muffins für alle backt, der gnadenlose Prügel-Bischof Alois von Pudel, Herzog von Köteborg: die schrägen Charaktere und dazu hereingeschmuggelte aktuelle Witzchen. Eine Titelmusik, die in ihrer Dramatik irgendwo zwischen orchestralem Star Wars und Comic-Katastrophe schwingt, krönt den ganzen Irrsinn. Durchaus kurzweilig das Ganze. Bei aller Blödelei wird uns kaum langweilig. «Uns gehen leider langsam die Vorlagen aus», sagt Regisseur Wolfram Höll. Eine dritte Staffel ist trotzdem nicht ausgeschlossen.

www.srf.ch/donjon.

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