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Schweizer Literaturpreise: Bieler Patrick Savolainen gewinnt

Gestern wurden die Gewinner der Schweizer Literaturpreise bekannt: Gleich mehrere Absolventen des Schweizerischen Literaturinstituts sind darunter – unter anderem auch der Bieler Grafiker Patrick Savolainen, mit dem das BT sprach. Er lebt in Schweden, Bern und Biel und empfindet sich als europäischen Schweizer.

Bild: zvg

Patrick Savolainen, glauben Sie, dass irgendjemand verstanden hat, worum es in Ihrem Roman «Farantheiner» geht?
Patrick Savolainen: Sicher. Aber ich bin schon froh, dass ich jetzt einen der Schweizer Literaturpreise dafür erhalten habe. Denn nach der Veröffentlichung gab es, naja, gemischte Reaktionen. Viel Irritation. Ich habe unterschätzt, wie schnell aus einer Irritation auch Ablehnung wird. Als Mensch, der sich für die Künste interessiert, liebe ich die Irritation, knüpfe daran an. Aber viele schreckt das ab, sie steigen aus, andere lassen sich darauf ein. Einige haben den Plot des Trivialromans, also die Liebesgeschichte zwischen dem Cowboy und der Lady, mit dem Plot meines Romans gleichgesetzt, das trifft es nicht, denke ich. Und dann gab es solche, die meinten, es sei mir nicht geglückt, den runden Bogen einer Erzählung zu spannen. Mein Vorwurf an den Text wäre eher ein anderer ...

Was würden Sie sich denn vorwerfen?
Es hätte noch konsequenter sein können, länger, genauer, auf einigen Ebenen intensiver. Und dann ein paar Details, die man besser nicht mitteilt. Für mich war es komisch, das fertige Buch zu erhalten. Als ich es in den Händen hielt, dachte ich: ein Alien!, fragte mich, habe wirklich ich das geschrieben? Da habe ich gemerkt, wie gut es ist, zu publizieren.

Weil man das Buch damit los wird?
Einerseits. Und: Wenn man es in die Finger nimmt, lernt man mehr daraus, als wenn der Text nie veröffentlicht wird.

Die Irritation einiger Leser, worin besteht die? Und was wollten Sie?
Ich wollte nicht irritieren. Ich habe nicht überlegt, wie das ankommen könnte, sondern bin einem Interesse gefolgt, so offen wie möglich. In dieser Transparenz liegt viel Dunkelheit und daraus entstehen unsichtbare Stellen, die vielleicht irritieren, dies offene Schreiben. Ich hörte oft, mein Buch sei mehr Sprache als Inhalt. Dabei bin ich umgekehrt vorgegangen. Wenn man die Inhalte ernst nimmt, zum Beispiel «mir ist schwindelig», und sich fragt, was ist das eigentlich, «Schwindel», «ehrlich», sich die Mikroebene des Textes anschaut, dann wird daraus sprachlich etwas anderes. Für mich hat das aber viel mit Inhalt zu tun.

Worum geht es, knackig formuliert, in Farantheiner?
Ich könnte sagen: «Cowboys, Liebe, Weite». Oder auch: «Papier, Worte, Schrift». Oder: «Zweifel, Hoffnung, Achtsamkeit» ... Also wenn mich ein Familienmitglied fragt, von dem ich weiss, dass es nicht viel liest, dann sage ich vielleicht das mit den Cowboys.

Aber er könnte enttäuscht sein, wenn er wilden Western erwartet ...
Schon, ja ...

Haben Sie ein aktuelles Schreibprojekt?
Etwas Spruchreifes? Eigentlich schreibe ich ja Gedichte, da hätte schon Ende des Jahres etwas erscheinen sollen. Und dann bin ich natürlich an einem weiteren Buch. Eigentlich schreibe ich da voll dran. Aber ich darf nichts sagen, das ist wie mit dem Anstellgut beim Backen, das muss man füttern, aber nicht zu viel, nicht zu wenig und vor allem nicht zu viel an die Luft, sonst übersäuert das. Keine Cowboys diesmal.

Welche Namen liegen Ihnen im Zusammenhang mit Biel am Herzen? Chri Frautschi haben Sie eine Laudatio gehalten ...
Oha, ja, das ist lange her. Das Lokal.int kann man immer empfehlen. Und sonst ... Wolfram Höll ist ein ausgezeichneter Dramatiker und wichtiger Freund. Auch, wenn man ihn eben vor allem in Deutschland spielt, dabei ist er hier in Biel geblieben. So wie ein anderer Deutscher, Levin Westermann. Nachdrückliche Lektüreempfehlung für seinen letzten Lyrikband. Eine gute Modegestalterin: Barbara Kurth. Die Schule für Gestaltung, das Literaturinstitut. Mein Verlag, Die Brotsuppe. Haus am Gern. Matthias Wyss, einer der besten Maler, eine absolut seltene Erscheinung ... Und Robert Walser, klar ...

Was ist Ihr Verhältnis zum Trivialen?
Roger Willemsen, der leider gestorben ist, sprach mal von Konträrfaszination. Mich interessiert aber weniger das «High and Low». Wenn man sich von Literatur euphorisieren lassen will, helfen solche Kategorien ohnehin nicht. Trivialliteratur enthält einfach eine Art schlecht gezeichnete und deshalb viel deutlichere Blaupause für Erzählstrategien vieler Jahrhunderte. Und dann enthält sie natürlich Erheiterndes, Kurioses. Kurz: Es erotisiert mich nicht auf der inhaltlichen Ebene, eher auf der formalen.

Wer sollte Ihre Laudatio halten, wenn Sie wählen dürften?
Das ist so entblössend, aber ich bin ehrlich: Maurice Blanchot. Dann hätte ich ihn mal gesehen. Mit dem wärs schwierig, danach etwas trinken zu gehen. Aber diese mysteriöse, richtig intelligente Literatur, die er geschrieben hat, man weiss so wenig von ihm ... Ist ein bisschen eine Streberantwort, ja.

Interview: Clara Gauthey

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