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Nidau

Sie frönen zu zehnt dem Afrobeat

Treibend ist ihre Musik, irgendwie fröhlich, irgendwie militant, aber vor allem ist sie hellwach: Die Nkonsonkonson Star Band spielt am Freitag im Kultur Kreuz Nidau und nimmt das Publikum mit auf eine Reise ohne Ziel.

Tobias Kwabena Asuming sticht durch seine Grösse aus der Gruppe heraus. Er war es, der die Jungs zusammenführte. Bild: zvg
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Hannah Frei
 
Saxofonist Claudio von Arx ist unzufrieden. Er vermisst sie, die Gitarre. «Afrobeat ohne Gitarre ist wie Pizza ohne Mozzarella», sagt er. Denn der Gitarrist fehlt an diesem Abend, genauso wie einer der Perkussionisten und ein Saxofonist. Eigentlich sind sie zu zehnt. Bei dieser Probe sind sie zu siebt. Das komme nicht selten vor, sagt der Perkussionist und Sänger Tobias Kwabena Asuming. «Die Planerei ist für uns nicht gerade einfach.» Doch auch zu siebt füllt die Nkonsonkonson Star Band den kleinen Proberaum in Bern. Es wird nicht lange drumherum geredet, sondern ausgepackt, aufgestellt und drauflosgespielt. Und das, was die zehn, oder eben die sieben, da produzieren, strahlt. Und es treibt.
 
Sie nennen es Afrobeat, eine Mischung aus Funk, Jazz, viel Perkussion und Einflüssen traditioneller westafrikanischer Musik. Trompete, Saxofon, Keyboard, Bass, Gitarre, Schlagzeug und allerlei Perkussionsinstrumente. Und Tobias Kwabena Asuming singt. Nicht, weil er es will, sondern, weil sonst niemand mag. Aber beginnen wir von vorne.
 
Sie fanden sich, ohne zu suchen
Angefangen hat alles vor etwa fünf Jahren mit einem Auftritt von Kwabena Asuming in der Lysser Kufa. Er begleitet als Perkussionist zahlreiche Ensembles, kommt aus Thun, hat in Biel studiert, lebt in Thun und unterrichtet Musik auf Primar- und Sekundarstufe. Bei diesem Auftritt fand er, unverhofft, Gleichgesinnte, solche, die Afrobeat genauso feiern wie er es seit seiner Kindheit tut. Sein Vater stammt aus Ghana, lebt Highlife, spielte früher die Songs zahlreicher ghanaischer Highlife-Künstler rauf und runter. So packte vor allem der Highlife, der Vorreiter des Afrobeats, der seinen Ursprung in Ghana hat, auch Tobias Kwabena Asuming.
 
Nach dem Auftritt in der Kufa waren es zwei, drei Nasen, die sich irgendwann zum Jammen trafen. Und jeder brachte ein oder zwei weitere Nasen mit. Alles Liebhaber und Kenner der westafrikanischen Musik. Das Jammen funktionierte auf Anhieb. Dabei wollten sie es aber nicht belassen. Sie wollten mehr. Und sie brauchten einen Sänger. Gemeldet hat sich Kwabena Asuming, nach ein wenig Überzeugungsarbeit.
 
Die ersten Auftritte hatte die Band im «5eme Etage» in Bern. Dazu brauchten sie einen Namen, innert kürzester Zeit. Aus der Not heraus fing Kwabena Asuming an, sich mit Adinkra-Symbole auseinanderzusetzen. Es ist eine Symbolsprache, die in Ghana oft auf alltäglichen Dingen wie Kleidung, Hauswänden oder Geschirr zu finden ist. Die Symbole stehen für Weisheiten, Aphorismen, Wünsche. Das Wort Nkonsonkonson steht für Einheit, für Brüderschaft. Da dachte sich Kwabena Asuming: Das passt. Und was ist mit dem «Star Band»? Das fischte der Perkussionist ebenfalls aus der Geschichte Ghanas. Wer dort eine erfolgreiche Band gründen wollte, schmückte den Namen noch etwas aus. Und so machten es die zehn Männer aus Bern auch. «Blöd ist nur, dass unser langer Name immer nur in kleiner Schrift auf Plakate passt», sagt der Trompeter Adrien Oggier und lacht.
 
Dringlichkeit – Aufdringlichkeit?
Zugang zu Afrobeat fand jeder der Bandmitglieder auf seine eigene Art. Der in Biel lebende, aus dem Wallis stammende Oggier etwa reiste mit 18 Jahren zum ersten Mal durch Afrika – und kam erst zwei Jahre später wieder zurück. Danach wurde er Teil einer Afrobeat-Band und tourte später mit ihr durch den Kontinent. Afrobeat habe ihn einfach nicht mehr gehen lassen. «Die Musik treibt einen voran, du kannst nicht stehen bleiben. Sie hat etwas Aufdringliches, Militantes, Kriegerisches. Sie berieselt dich nicht, sondern nimmt dich mit, ob du willst oder nicht», sagt Adrien. Dringlichkeit sei allen in der Band wichtig. «Wir sind alles irgendwie dringliche ‹Sieche›.» Also solche, die gerne anpacken, nicht warten wollen, nicht still stehen. «Diese Musik ist einfach energiegeladen. Mit dieser Energie möchten wir unser Publikum packen», sagt Kwabena Asuming.
 
Dringlich, oder auch mal aufdringlich, macht den Sound schon nur das Schlagzeug. Der Bass unterstützt es, das Keyboard nimmt es an der Hand, die Gitarre lockert es auf und die Bläser brechen es, bringen neue Farben ins Spiel. Und über allem thront der Text, der sich nicht mit Bling-Bling, teuren Autos oder Sex abgibt, sondern jeweils eine starke Message vermittelt: zu Liebe, zu Krieg, zu Brüderschaft.
 
Mal wird gesprochen, mal wird gesungen, mal mit Text, mal mit Lauten, mal in Pidgin – einer Sprache, die wie Englisch klingt, es aber nur halbwegs ist, mit Einflüssen aus jeweils anderen Sprachen, alles ein wenig vereinfacht –, mal in Twi, einer der Amtssprachen Ghanas.
Ihre erste Platte ist schon lange gepresst, es fehlt nur noch die Taufe. Verschoben wurde sie, mehrfach. «Aber die wird bestimmt auch bald kommen», sagt von Arx. Seit September ist das Album «How to swim» in auserwählten Plattenläden erhältlich, und natürlich online.
 
Sie puzzeln gemeinsam
Zu zehnt in der Gruppe wird selten komponiert. Vielmehr liefert jeder Ideen für neue Songs, mal, indem kurze Melodien oder Patterns als Sprachnachricht im Gruppenchat landen, mal, indem bei den Proben jemand eine neue Melodie vorspielt, mal, wenn sie auf inspirierende Songs stossen und diese miteinander teilen. Darauf wird dann gemeinsam aufgebaut: Ein Bläsersatz wird darübergelegt, es wird arrangiert und ein Prototyp in einem Musikprogramm erstellt. «Wir erfinden das Rad jeweils nicht neu, sondern fügen die Bauteile zu etwas Neuem zusammen», sagt Oggier.
 
Was die zehn zudem tun: Sie nehmen das Publikum mit ihrer Musik mit auf eine Reise, die kein Ziel hat – bei der man aber auch nirgends ankommen will. Wer mit auf diese Reise will, besucht am Freitagabend das Kultur Kreuz Nidau und taucht dort ein in eine Musikwelt, die man in der Schweizer Kulturszene lange suchen muss.
Stichwörter: Afrobeat, Kultur, Nidau

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