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Lo würde gerne wieder einmal an einen Openair-Rave, für Leduc wäre das jedoch nichts. Zuerst müssen sie aber ohnehin selbst auf der Bühne abliefern, am Summer Now in Nidau.

Die Pandemie habe den Text ihres neuen Songs nicht wirklich beeinflusst, sagen Lo & Leduc (rechts) - oder etwa doch? Bild: zvg/Maximilian Lederer
  • Dossier

Interview: Hannah Frei

Lo & Leduc, an was für eine Party würdet ihr privat gerne wieder einmal gehen?
Leduc: Hauptsache draussen.
Lo: Ja, ich wünsche mir eine warme Sommernacht. Und gute Musik, sehr sehr laute Musik, zum Tanzen.
Leduc: Ohne Übergangsjacke wäre toll.
Lo: Genau, im T-Shirt, über 25 Grad, auch nach Mitternacht. Und nur gute Songs.

Was für Musik müsste denn laufen?
Lo: Da bin ich ziemlich offen. Ich sah vor Kurzem ein Theaterstück, in dem eine Frau eine Partynacht inszenierte. Sie war alleine im Raum und tanzte zu lauter Technomusik. Das hat grosse Glücksgefühle in mir ausgelöst. Ich glaube, der Bass war das Entscheidende. Normalerweise höre ich keinen Techno. Aber zurzeit wär ich bereit für einen Openair-Rave.
Leduc: Oh nein, das würde ich auch im 2021 nicht hinkriegen. Die Pandemie hat mich diesbezüglich nicht offener gemacht. Das Argument mit dem Bass kann ich schon verstehen. Aber mich deprimiert Techno. Mich bringst du an keinen Techno-Rave.

Welche Musik müsste es denn bei dir sein, Leduc?
Leduc: Nun, am Summer Now werden ja auch Irina & Jones, Jeans for Jesus und Thais Diarra auftreten. Auf alle drei Bands freue ich mich sehr. Der Abend ist ziemlich auf meinen Geschmack zugeschnitten.

Ihr habt bereits 2019 angekündigt, dass ihr 2020 weniger auftreten und mehr Zeit in die Musikproduktion stecken werdet. Wie lief es denn währendder Pandemie mit der Inspiration?
Lo: Für mich war es besonders am Anfang schwierig. Zum einen war da die Unsicherheit, die sehr viel administrativen Mehraufwand generierte, was nicht gerade die Kreativität förderte. Zum anderen waren grosse gesellschaftliche Fragen und Themen präsent. Aber oft durch die Unmittelbarkeit auch schwer greifbar. Irgendwann kam ich aber in einen Flow. Ab da hat mir das Schreiben Halt gegeben, eine Struktur.
Leduc: Das kann ich nur unterstreichen. Das Jahr 2020 war nicht wirklich inspirierend. Es hat sich aber dennoch mit der Zeit ein neuer Alltag eingependelt, und wir waren eigentlich ziemlich produktiv. Sicher profitierten wir davon, dass wir zu zweit waren. Wenn einer nicht vorwärtskam, konnte der andere ihn motivieren.

Habt ihr euch während der Pandemie über längere Zeit bewusst nicht getroffen?
Lo: Während des ersten Lockdowns schon, ja. Im Juni haben wir uns zum ersten Mal wieder getroffen. Und danach mussten wir uns auch aus beruflichen Gründen wieder regelmässig sehen. Dabei waren wir aber immer vorsichtig, liessen uns testen, schauten, dass wir vor und nach den Treffen nicht zu viele andere Kontakte hatten.

Hattet ihr im letzten Jahr Existenzängste?
Leduc: Wir haben all die Jahre immer noch in einem kleinen Pensum in anderen Bereichen gearbeitet. Nicht zuletzt, um uns eine gewisse inhaltliche und stilistische Freiheit zu bewahren.   So muss der nächste Song nicht immer auch finanziell funktionieren. Aber natürlich ist auch bei uns der Grossteil des Einkommens weggebrochen, zumal dieses primär mit Live-Konzerten generiert wird.

Wovon geht ihr denn bei eurer Planung für die nächste Zeit aus?
Leduc: Die Pandemie ist alles andere als vorbei. Das fliesst natürlich bei der Planung mit ein.
Lo: Es gibt ja keinen Tag x. Die Situation entwickelt sich Schritt für Schritt, ob nach vorne oder nach hinten.
Leduc: Auch die Besucherinnen und Besucher der Konzerte werden sich erst wieder an die Situation gewöhnen müssen. Es wird ein fliessender Prozess zu alten – und vielleicht neuen – Ritualen. Nur weil momentan Konzerte wieder möglich sind, müssen sie nicht zwingend so sein wie bisher.

Wie war euer erstes Konzert nach dem Lockdown Anfang Juli oberhalb von Locarno?
Lo: Wir hatten zwei Shows nacheinander. Das war speziell. Denn so konnten wir bei uns selbst eine kurzfristige Formkurve beobachten. Das erste Konzert war noch eher verhalten, beim zweiten waren dann viele Automatismen bereits wieder da.
Leduc: Es gab Monate, da konnte ich mir gar nicht mehr vorstellen, wie es wäre, wieder aufzutreten. Aber das hat sich rasch wieder geändert, als ich auf der Bühne stand.

Euch stehen nun zahlreiche Auftritte bevor, es geht wieder los mit touren. Mit welchem Gefühl startet ihr in die Sommerkonzerte?
Lo: Bis im Oktober haben wir Auftritte in vier verschiedenen Formationen. Parallel dazu produzieren wir weiter. Deshalb sind wir zurzeit voll im Arbeitsmodus. Und ich bin auch immer noch erstaunt darüber, dass es nun so rasch wieder anzieht, nachdem ein Jahr lang praktisch nichts passiert ist.
Leduc: Uns kommt es entgegen, dass wir im letzten Jahr hinter den Kulissen genug zu tun hatten. Hätten wir das nicht gehabt, würde es uns wohl schwerer fallen, uns nun voll in die Konzerte zu stürzen.

Ende Juni erschien euer neuer Song «Wär simer wemer säge mir». Der Text ist anders als etwa die von euren bekannten Songs «079» und «Jung, verdammt». Er ist politischer, kritischer, klarer. Wie sehr hat die Pandemie den Song beeinflusst?
Leduc: Inhaltlich ist der Song verwandt mit unserem Lese-Programm, mit dem wir auch schon in Nidau aufgetreten sind. Die Themen beschäftigen uns also schon länger. Es könnte sein, dass sie im letzten Jahr präsenter waren. Aber ein Paradigmenwechsel war das für uns nicht.

Der Text hat also nichts mit der Pandemie zu tun?
Leduc: Nein, der Hauptteil entstand lange vor der Pandemie. Gut, die ersten Strophen haben wir schon erst während des Lockdowns geschrieben. Wie sehr er zur Pandemie und auch zur EM gepasst hat, hatten wir jedoch gar nicht auf dem Radar. Erst dann, als er veröffentlicht wurde, sahen wir den Song in dem Kontext. Wenn wir dies hätten planen wollen, hätten wir es zeitlich bestimmt nicht so gut getroffen.
Lo: Wir hatten auch eine Phase, in der wir bei praktisch jedem Song das Gefühl hatten, man könnte ihn mit Corona in Verbindung bringen. Als Hörerin und Hörer ist man geframed, man nimmt die Dinge immer im aktuellen Kontext wahr.

Weshalb tretet ihr am Summer Now nicht mit Band auf? Das wäre für ein Festival ja durchaus gut geeignet.
Lo: Definitiv, aber da eignen sich beide Formate sehr gut. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder zwischen DJ-Sets und Konzerten mit der Live-Band abgewechselt. Es sind zwar grösstenteils dieselben Lieder, aber in einem sehr unterschiedlichen Gewand. Selbst wir schlüpfen in andere Rollen. Diese Abwechslung ist inspirierend. Nun sind wir mit Dr. Mo, unserem DJ und Hausproduzenten, unterwegs. Im Herbst treten wir dann wieder mit der Band auf.

Wie geht es nach diesem Jahr mit euch weiter? Habt ihr einen Fünf-Jahres-Plan?
Leduc: Wir haben auf jeden Fall mehr Pläne, als wir umsetzen können. Es ist eigentlich erstaunlich, wie lange wir das schon gemeinsam machen. Du hast letztens von einem Jubiläum geredet, oder Lo?
Lo: Bei mir sind es bald 20 Jahre, seit ich mit Rappen angefangen habe. Das war mit 15 Jahren.
Leduc: Krass. Ich habe ein Urvertrauen, dass sich die Form immer wieder ändern wird und wir gerade deshalb grundsätzlich noch lange weitermachen können.

Hattet ihr nie genug vom andern?
Leduc: Doch, deshalb kommunizieren wir auch nur noch per Zoom.
Lo: Und auch immer nur von unterschiedlichen Städten aus.
Leduc: Genau, die letzten Monate waren diesbezüglich absolut ein Segen. Nein, Spass. Ich empfinde es als unglaubliches Glück, dass wir so gut zusammenarbeiten können. Das ist alles andere als selbstverständlich.
Lo: Das kann ich nur zurückgeben. Wir kommen musikalisch aus verschiedenen Welten, haben aber eine breite Fläche, in der wir uns kreuzen und die wir kultivieren können. Und dies ist noch längst nicht ausgeschöpft.

Info: Lo & Leduc spielen am Freitag, 30. Juli, am Summer Now in Nidau.

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