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Biel

Sie wagen ein Experiment

Die Stadtmusik Biel und der Chœur Symphonique de Bienne geben am Samstag ein gemeinsames Konzert. Die erste Begegnung der beiden Vereine verlief nicht ohne Ängste.

Chor und Blasmusik – die Idee für die Zusammenarbeit kam von einem Chormitglied. Bild: Yann Staffelbach
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Annelise Alder

«Iwan ist ein sehr guter Kollege von mir.» Das sagt Pascal Schafer, der Dirigent der Stadtmusik Biel über Iwan Wassilevski, den Leiter des Chœur Symponique de Bienne. Dieser wiederum sagt über den Blasmusikdirigenten: «Ich kenne Pascal seit 20 Jahren. Damals war er Musiker in der Brass Band Fribourg und ich leitete die Band anstelle des erkrankten Dirigenten. Seither haben sich unsere Wege immer wieder gekreuzt.»

Es liegt also auf der Hand, dass es einmal zu einer Zusammenarbeit kommen sollte. Doch da sind auch zwei Vereine mit ihren je eigenen Traditionen. Gibt es überhaupt eine Schnittmenge zwischen einem klassischen Konzertchor und einem Blasorchester? «Die Idee einer Zusammenarbeit kam sogar von einem Chormitglied», sagt Iwan Wassilevski vom Chœur Symphonique de Bienne. Und auch Pascal Schafer sagt, dass die Stadtmusik bereits vor ein paar Jahren einmal mit einem Chor zusammengearbeitet hat.

Die beiden Dirigenten mussten also nur noch ein Musikprogramm zusammenstellen, das die beiden Ensembles vereint.

Pompöse und farbenreiche Musik aus Amerika
Gibt es überhaupt Musik für Blasorchester und klassischen Chor? «Es gibt einige Werke für diese Besetzung», sagt Iwan Wassilevski. Der Bieler mit bulgarischen Wurzeln muss es wissen. Schliesslich ist er in fast allen Musikstilen zuhause und jemand, der keine Mühen scheut, attraktive Chormusik abseits des gängigen Repertoires aufzutreiben. So singt der Chœur Symphonique im Frühling sein coronabedingt mehrmals verschobenes Musical-Programm. Für das Konzert im Kongresshaus am Samstag hat der Dirigent unter anderem das Gloria des Amerikaners John Rutter ausgewählt. «Es gibt eine Fassung für Blasorchester und Chor. Es ist ein sehr attraktives Werk, weil es auf populäre amerikanische Lieder basiert. Manchmal klingt es richtig pompös.»

Sie kennen keine musikalische Scheuklappe
Und auch Pascal Schafer, Leiter der Stadtmusik Biel, kennt keine musikalischen Scheuklappen. «Wir probieren immer wieder aussergewöhnliche Sachen aus.»

Dem Dirigenten ist es nämlich ein Anliegen, mit seinem Orchester nicht nur das klassische Blasmusikrepertoire zu spielen. Von seinem Ensemble verlangt er deshalb viel ab. «Das Bier nach den Proben gehört natürlich dazu. Aber ich erwarte, dass die Musikerinnen und Musiker täglich üben und sich gut vorbereiten. Die Proben laufen sehr diszipliniert ab.» Am Samstag spielt es unter anderem «Danceries» von Kenneth Hesketh. «Das Stück ist fürs Orchester sehr anspruchsvoll, aber es hat wunderschöne Klangfarben. Jedes Register des Orchesters kommt zur Geltung».

Altes Werk wirkt wie eine Neuinszenierung
Besonders gespannt darf man auf das Te Deum von Joseph Haydn sein. Es ist ursprünglich für Chor und Orchester gesetzt. Gregory Heiniger, Tubist bei der Stadtmusik Biel, hat diesen Klassiker für Chor und Blasorchester arrangiert. «Es klingt erstaunlich gut», sagt Chorleiter Iwan Wassilevski «und das Blasorchester spielt seinen Part wunderbar leicht und differenziert.»

Pascal Schafer gesteht: «Ich habe mich schon auch gefragt, ob das gut kommt.» Schliesslich mussten unter anderem schnelle Streicherpassagen für Flöten und Klarinetten umgeschrieben werden. Doch das Resultat scheint geglückt. «Es klingt natürlich anders als das Original. Aber die Bearbeitung überzeugt mich. Sie wirkt auf mich wie eine Neuinszenierung eines bekannten Werks.»

Ein Ziel vor Augen entfacht Energie
Vergangene Woche fand die erste gemeinsame Probe der beiden Musikvereine statt. «Ich spürte zu Beginn schon eine gewisse Anspannung», sagt der Dirigent der Blasmusik. «Es waren Ängste da, die überwunden werden mussten.»
Die Pandemie spielt dabei eine nicht unerhebliche Rolle. Proben waren nämlich lange Zeit verboten, dann nur unter erschwerten Bedingungen möglich. «Die Blasmusikvereine haben extrem unter Corona gelitten», sagt Pascal Schafer denn auch. Und auch beim Chœur Symphonique hat die Pandemie ihre Spuren hinterlassen. «Einige Mitglieder pausieren nach wie vor und warten die weitere Entwicklung der Situation ab.» Es erstaunt deshalb nicht, dass die Musikerinnen und Musiker in der ersten gemeinsamen Probe einander mit Respekt begegneten. Schliesslich stehen mehr als hundert Personen eng beieinander. «Bereits in der Pause war die Stimmung gelöster. Es war interessant zu beobachten, wie sich die beiden Formationen langsam durchmischten», sagt Pascal Schafer.

Iwan Wassilevski ist dankbar, dass der Chor endlich wieder vor Publikum auftreten darf. Fast zwei Jahre musste er darauf warten. Doch als der Termin des Konzerts vom kommenden Samstag feststand, seien Sängerinnen und Sänger richtig aufgeblüht. «Sie geben jetzt alles», sagt Iwan Wassilevski. «Es ist ein ganz anderes Arbeiten, wenn ein Ziel da ist. Jetzt ist im Chor wieder eine grosse Energie zu spüren.»

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