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Sind sie unsere Freunde oder unsere Feinde?

Noch haben sie den Menschen nicht ersetzt, und wir können Roboter und neue Konzepte mit Faszination betrachten. «Hello, Robot» im Neuen Museum Biel wirft aber auch grundlegende, bisweilen beklemmende Fragen auf.

«Manifest» der deutschen Künstlergruppe Robotlab: Pausenlos schreibt der Roboter Manifeste, jedes ist ein Unikat, hinter keinem steckt menschliche Ethik oder Moral.  zvg/Patrick Weyeneth

Tobias Graden

Owen Jeanmonod aus Péry wählte für eine Schularbeit ein spezielles Projekt. Mit Hilfe seines Vaters und eines 3-D-Druckers fertigte der 15-Jährige eine Replik des Droiden R2-D2 aus «Star Wars» an. R2-KT-12, wie Jeanmonods Modell heisst, benötigte 184 Kilometer Filament. Die Maschine brauchte 3050 Arbeitsstunden, um die 482 Einzelteile des Droiden zu drucken. Die Nachbildung kann auch Musik abspielen und Filme projizieren.
R2-KT-12 begrüsst nun die Eintretenden im Museum Schwab, wo die neue Ausstellung «Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine» startet. Es ist eine Ausstellung des Vitra Designmuseums, die seit ihrer dortigen Premiere international Beachtung findet. Das Neue Museum Biel ist nun die achte Station, das NMB-Team hat ihr mit «Biel/Bienne 4.0» eine selber konzipierte Ergänzung dazugestellt, welche die historische Entwicklung der Arbeit in Biel aufzeigt und die Fragen, welche die Hauptausstellung aufwirft, auf die Region hinunterbricht.

Der Freak als Prosument
Schon R2-KT-12 bringt auf gewissermassen anekdotische Weise (man muss ja schon ein rechter Freak sein, um eine solch aufwändige Nachbildung anzufertigen) gewichtige Themen auf: Nicht nur verkörpert der Droide die Faszination Roboter, seine Erbauer nutzen modernste Fertigungsmittel und werden mit ihnen zu sogenannten Prosumenten, die gleichzeitig produzieren und konsumieren. Welche Folgen die technische Entwicklung auf Arbeit und Konsum haben kann, ist hier angetönt.
Doch «Hello, Robot» streift noch viel mehr Themen. Die Ausstellung aus dem Jahr 2017 ist zwar technisch bereits nicht mehr auf dem neusten Stand, doch die Fragen, die sie aufwirft, seien nach wie vor «hyperaktuell», betonen NMB-Direktorin Bernadette Walter und der Projektverantwortliche Florian Eitel. Diese Fragen sind an den jeweiligen Stationen leitmotivisch angebracht – unbielerisch in englischer Sprache zwar, aber sie regen abseits der Objekte zum Denken an. «Vertrauen Sie Robotern?», steht da beispielsweise, aber auch «Denken Sie, Ihr Job könnte von einem Roboter übernommen werden?» bis zu «Tritt der Roboter an die Spitze der Evolution?»

Roboter als Brückenbauer
Wie breit das Thema ist, zeigt sich nur schon darin, dass es keine einzelne, allgemeingültige Definition eines Roboters gibt. Während auf die technische Komponente abstützende Definitionen vor allem auf Industrieroboter fokussieren und damit eher jüngeren Datums sind, finden sich in der Kulturgeschichte schon lange Darstellungen von Robotern. So ist etwa ein Film aus dem Jahr 1935 zu sehen, in dem ein Roboter sein Unwesen treibt.
Es ist die Aufdatierung des uralten Motivs von der Beseelung eines Dings in die technische Vorstellungswelt der damaligen Zeit – mit seiner menschenähnlichen Gestalt in technoider Ästhetik weist er auch auf die Rolle des Designs hin. Dass Roboter den Menschen aber auch ersetzen können, zeigt das Bild einer Brücke in Amsterdam. Sie ist komplett von Maschinen designt und von Robotern aufgebaut worden – und hält bis heute. Zu sehen ist auch das Foto der zwölfköpfigen Belegschaft einer japanischen Kleinfirma: 9 Mitarbeitende sind Menschen, drei sind Roboter.
Moderne Roboter, welche die Frage aufwerfen, inwiefern sie dem Menschen bei der Arbeit Hilfestellung leisten oder ihn gleich überflüssig machen, kann das NMB dank der Zusammenarbeit mit der Swiss Smart Factory des Innovation Parks und der Berner Fachhochschule zeigen. Die Ausstellung ist dabei trotz interaktiver Elemente und weiterführender Informationen recht objektbezogen – sozioökonomische Antworten auf die von den Maschinen aufgeworfenen Fragestellungen wie die Konzepte des Grundeinkommens oder einer Maschinensteuer dürften dürften dann im Rahmenprogramm (vgl. Infobox) zur Sprache kommen.

Sterbende streicheln
Aber auch so bietet «Hello, Robot» viel Gelegenheit zur Reflexion, nicht zuletzt durch die künstlerischen Installationen. «YuMi» beispielsweise ist ein kollaborativer Zweiarm-Roboter für die Kleinteilemontage, entwickelt, der den hohen Anforderungen in den Elektroindustrie genügt. Im NMB aber verbringt er seine Zeit mit sinnfreiem Spiel – Sisyphos gleich rollt er eine Kugel stets aufs Neue wieder hoch. Ist es also ein Gewinn für den Menschen, wenn die Roboter ihnen die Sisyphus-Arbeit abnehmen?
Bekanntlich bleibt es ja nicht dabei. Die Roboter dringen immer stärker in unseren Intimbereich vor, und wir selber lassen immer mehr Nähe mit ihnen zu: Als in Japan der Hersteller Sony einige Jahre nach dem Produktionsstopp auch die Ersatzteillieferungen für die erste Generation des Roboterhunds Aibo einstellte, mussten zahlreiche Menschen ihren Gefährten beerdigen. Sie taten dies in der selben Art wie bei einem verstorbenen Angehörigen.
In der Alten- und Demenzpflege sind Roboter bereits im Einsatz, etwa in Form von Paro, einer Art intelligentem Kuscheltier. Aber wie lange ist die «End of Life Care Machine» wohl noch Utopie? Der Roboter des Künstler Dan Chen dient dazu, mit Streicheleinheiten Sterbenden Trost zu spenden. Chen thematisiert mit dieser «spekulativen Installation» die stetig wachsende Abhängigkeit unserer Gesellschaft von der Automatisierung – und ist mehrfach angefragt worden, ob denn diese Maschine zu kaufen sei. In einem anderen intimen Bereich dagegen, der Sexualität, hat die Roboterisierung bei Sexspielzeugen längst Einzug gehalten und wird immer ausgeklügelter.

Gesetze ohne Sinn und Ethik
Was von diesen Entwicklungen zu halten ist? Vielleicht weiss es die Roboterinstallation «Manifest» der deutschen Künstlergruppe Robotlab. Hier schreibt ein Roboter unablässig Manifeste, im Prinzip fiktive Gesetzestexte. Jeder ist ein Unikat, hinter keinem Text aber steckt ein vom Menschen gegebener Sinn. Die Installation datiert von 2008, der Roboter schöpft aus einem vorgegebenen Wortschatz. Dieser ist zwar reich, lässt letztlich aber nur eine endliche Zahl an möglichen Texten zu. Vermutlich würde ein Update von «Manifest» mittlerweile Künstliche Intelligenz und die Fähigkeit zum selbständigen Lernen berücksichtigen – die Aussage des Kunstwerks würde umso beklemmender.
Werden Roboter also zu einer neuen Spezies, die den Menschen bekämpfen und an der Spitze der Evolution ablösen wird? Die Befürchtung besteht. Vorerst kann man wohl Entwarnung geben: Wie etwa das Ekso GT Exoskelett zeigt, mit dem gelähmte Personen wieder gehen können, arbeitet der Mensch noch nicht am Konzept der Überwindung seines Körpers, sondern an dessen Reparatur und im besten Fall dessen Optimierung.
Info: Neues Museum Biel, bis am 3. Januar.

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