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Noël's Room

Songs aus dem Kinderzimmer

Rapper Stress hat seinen Trennungsschmerz musikalisch verarbeitet. Mit dabei in der Musiker-WG des Jahres: der Bieler Pegasus-Sänger Noah Veraguth.

Die "Schweizer Supergroup": Bastian Baker, Stress, Noah Veraguth.

Stress hat ein grosses Haus. «E rächti Hütte», sagt Noah Veraguth, Sänger der Bieler Band Pegasus. Wie «rächt», davon liest man dieser Tage in den Medien. 300 Quadratmeter Wohnfläche seien es, verteilt auf zwei Stockwerke. Eine Villa, zweifellos. Zweieinhalb Millionen Franken soll sie Wert haben. Auf dem Briefkasten stehe immer noch «Andrekson/Winiger», heisst es etwa in der «Aargauer Zeitung», die das Haus in Zollikerberg (ZH) auf Einladung des bekanntesten Schweizer Rappers kürzlich besucht hat («Zwei Sicherheitsmänner bewachen es.»).
«Strelanie» also, das Schweizer Promi-Traumpaar, lebt noch in Form eines beschrifteten Aluminiumplättchens weiter. Im realen Leben dagegen sind Rapper Stress und Schauspielerin und Ex-Miss Melanie Winiger geschieden. Sie ist mit ihrem Sohn in die USA gezogen, er hat ihr ihren Teil des Hauses abgekauft.
Und da wohnte der Stress also in dem Haus und war traurig alleine und das Haus war gross und ziemlich leer. (Der Sachverhalt wird in den Promo-Unterlagen so geschildert.) Besonders melancholisch machte ihn das Zimmer von Noël, des Sohnes von Melanie Winiger, denn ihn vermisste er sehr. Nur noch das Kajütenbett erinnerte an das Kind.
Dort quartierte Stress Noah Veraguth ein.


«The Welsh»und die Party
Im Mai nämlich beschloss der Rapper, nach vorne zu schauen, «etwas Schlimmes in etwas Schönes zu verwandeln», wie er in einem Interview sagte. Er lud Freunde ein, darunter Noah Veraguth, um zu essen, zu schlafen (Veraguth im Kajütenbett von Noël), Zeit miteinander zu verbringen und irgendwann etwas Musik zu machen. So entstand das, was Schlagzeilenschreiber nun als «Musiksensation des Jahres» und «Schweizer Supergroup» bezeichnen: Das Projekt Noël’s Room, ein Zusammenschluss von Stress, Noah Veraguth, dem Singer-Songwriter Bastian Baker und Leuten aus Stress’ Umfeld. Sie schrieben Songs zusammen, nahmen sie auf und produzierten sie, 13 von ihnen sind gestern auf dem Album mit dem Titel «Noël’s Room»erschienen.
Vom Spass, den die Beteiligten dabei hatten, zeugt die DVD, die dem Album beiliegt. «And the ‹Welsh› we know how to party...», schreibt Bastian Baker in den Presseunterlagen, die in englisch gehalten sind, denn, so Stress, «that is how we communicated in Noël’s Room». In diesem wurde der Gesang aufgenommen.
Gearbeitet wurde aber auch. Normalerweise, so Noah Veraguth im Gespräch, sei das ja eher schwierig, drei Frontmänner auf engem Raum, aber «wir haben uns sehr gut verstanden, wir hatten ähnliche musikalische Vorstellungen, jeder brachte seine Stärken ein». Und trotz des gemütlichen Beisammenseins habe beim Arbeiten an den Songs jeweils eine «sehr fokussierte Stimmung» geherrscht.


Für Fans von Stress
Das Resultat dürfte vor allem Fans von Stress erfreuen. Dieser rappt sich über flächigen Synthesizer-Sounds und arpeggierten Piano-Harmonien den Schmerz vom Leib, während Baker und Veraguth für melodiösen Gesang zuständig sind. Das grösste Hit-Potenzial haben am ehesten die gefühligen Songs «All My Life» und «Noël’s Room», die weder textlich noch musikalisch mit Melodramatik geizen und sich auch vor dem Kitsch nicht fürchten. Unter lauter üppigen Klangbildern sticht aber das sparsamste am ehesten hervor: «Back In My Life» ist ein Lied, das in den Strophen an Chansons à la Renaud erinnert und gerade durch den Verzicht auf übergrosse Ambitionen sympathisch wirkt.


Pegasus:ab ins Ausland
Befürchtungen, wonach Noah Veraguth wegen solcher Projekte seine Stammband vernachlässigen könnte, entkräftet er bestimmt: «Mich wird es nie als Solokünstler geben! Es macht mir nicht Spass, alleine auf dem Plattencover oder auf der Bühne zu stehen.» Pegasus bereiteten einen Ausland-Release vor mit bestehenden und neuen Songs: «Wir sind sehr intensiv dran, die letzten anderthalb Jahre haben uns stark zusammengeschweisst.»
Das Projekt sei eine «erfrischende Erfahrung» gewesen, doch ein so grosses Haus wie jenes von Stress scheint Veraguth nicht zu reizen: «Ich bin ganz zufrieden mit meiner Wohnung.»

TOBIAS GRADEN


Info: Stress, Noah Veraguth, Bastian Baker:«Noël’s Room» (Universal Music).

 


 

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