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Wiedereröffnung

Teuflische Dreifaltigkeit

Eins Zwei Drei – Achtung fertig los! Das frischrenovierte Theater Nebia öffnet am 6. Dezember wieder seine Tore. Dafür hat Marynelle Debétaz einen ganz besonderen Künstler geholt.

Der Flügel spielt mit: Pianist Colin Vallon komponierte die Musik zum Stück und spielte live. Bilder: zvg

Simone K. Rohner

Neuer Saal, neuer Name – das ehemalige Theater Palace feiert am 6. Dezember Wiedereröffnung als Nebia. Und der Start ist fulminant – die künstlerische Leiterin Marynelle Debétaz hält mit dem Stück «Eins Zwei Drei» von Martin Zimmermann (*1970) für die Eröffnung einen ganz besonderen Leckerbissen für das Publikum bereit.


Clowneske Dreiecksgeschichte
Manege frei für ein clowneskes Beziehungsdreieck – oder besser Bermudadreieck des Tragikomischen?

Martin Zimmermann inszeniert in seinem Stück «Eins Zwei Drei» drei Clowns im Hier und Jetzt. Und zwar nicht irgendwo, sondern in der ach so ernsthaften Kunstwelt. Das Stück, das am diesjährigen Zürcher Theater Spektakel Deutschschweizer Premiere feierte, ist nämlich in einem ultramodernen Museum angesiedelt. Was kann ein Clown heute? Wie soll er in der heutigen Zeit auf der Bühne dargestellt werden? Damit setzt sich Zimmermann in seiner Arbeit auseinander. Was dabei heraus kommt, ist skurril, tragikomisch und regt zum Nachdenken an.


Zirkuskind
Er ist nicht nur Regisseur oder Choreograf, sondern auch Bühnenbildner und Clown in einer Person. Letztere übten schon früh ihre Faszination auf ihn aus: Mit zarten zwölf Jahren trat er das erste Mal am Zürcher Theater Spektakel auf. «Damals konnte man dort einfach mit einem Hut auftreten», erinnert sich der Künstler, der im kleinen Zürcher Dorf Wildberg aufwuchs. Zuerst machte er eine Lehre als Dekorationsgestalter in Zürich, dann wandte er sich dem Zirkus zu und studierte an der Hochschule Centre National des Arts du Cirque in Frankreich. Seit gut 20 Jahren choreografiert und inszeniert er physisches Theater, das ohne Worte funktioniert. Die Clowns liessen ihn nie ganz los. Doch traute er sich erst vor ein paar Jahren an die Figur heran.


Die Gesellschaft mit drei Figuren
Für ihn sei der Clown eine Randfigur: «Der Clown ist der letzte wahre Punk», meint Zimmermann. Ein dummer August, ein erhabener Weissclown und ein dreinfunkender Störenfried stehen als Miniaturwelt, als aufs Minimum heruntergebrochene Gesellschaft auf der Bühne und halten uns den Spiegel vor. Und das höchst versiert mit unglaublicher Bühnenpräsenz und ja, auch mit viel Beweglichkeit. «Durch dieses Beziehungsdreieck versuche ich, die ganze Poesie, die Gewalt und die Komplexität von Beziehungen und Machtkämpfen zu skizzieren», sagt Zimmermann. Der Ort des Museums steht für den Regisseur sinnbildlich für die Welt: Ein Museum ist ein öffentlicher Ort, den alle kennen, in dem ganz klare Regeln herrschen. Gleichzeitig ist es dadurch aber auch ein geschlossenes System. Indem er seine drei Clowns, dargestellt von Tarek Halaby (*1980, USA), Dimitri Jourde (*1975, Frankreich) und Romeu Runa (*1978, Portugal) mit diesem System zusammentreffen lässt, schafft er ein Spannungsfeld und kreiert ein eigenes, absurdes Universum. Für ihn sind die Menschen, die ins Museum gehen, um Kunst zu betrachten, selbst Kunstwerke. «Ich lasse Objekt und Mensch gerne aufeinanderprallen». So wird in seinem Stück dann auch ein Mensch wie ein Kunstwerk, das nicht den Berührungen der Museumsbesucher ausgesetzt werden darf, in eine Plexiglasbox gesteckt.


Mehrdimensionale Arbeit
Gleichzeitig wie die Menschen im Stück Objekte sind, sind auch die Objekte und das Bühnenbild Schauspieler. Dieses Konzept widerspiegelt sich auch in Zimmermanns Arbeitsprozess: Bevor er mit seinen Darstellern probt, plant und setzt er das Bühnenbild um. Der visuelle Aspekt spielt in seinen Inszenierungen eine genauso wichtige Rolle wie die physische Dimension, die durch die Arbeit mit den Schauspielern hinzukommt.

Das Trio spielt aber nicht nur mit dem Bühnenbild, sondern auch zusammen mit dem Spiel des Pianisten Colin Vallon, der bereits die Musik für Zimmermanns Solostück «Hallo» (2014) komponierte.

Mit seiner Arbeit will Zimmermann beim Publikum Emotionen wecken, nicht eine Geschichte mit rotem Faden und Anfang und Ende erzählen. Er vergleicht es mit Picassos Kunst und meint: «Es gibt nichts zu verstehen.»

Der Begriff Tanztheater vermag 
«Eins Zwei Drei» nicht zur Gänze zu erfassen und klingt bei Weitem zu harmlos. Die Inszenierung kommt eher einem wilden Ritt durch einen absurden Zirkus gleich. Aber Worte können das Stück eigentlich nicht hinreichend beschreiben und sollen es auch nicht: Man muss es gesehen haben!

Info: Eröffnung (auf Einladung): Donnerstag, 6. Dezember. Öffentliche Aufführungen: Freitag/Samstag, 7./8. Dezember, jeweils 20 Uhr. 90 Minuten, ab 10 Jahren.
Nebia (ex-Palace), Thomas-Wyttenbach-Strasse 4, Biel. Tickets und weitere Infos: www.nebia.ch.

Mensch oder Kunst? «Eins Zwei Drei» spielt in der Museumswelt.

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