Sie sind hier

Abo

Schauspiel

Theater am Tatort des Schreibens

In einem ehrgeizigen Projekt inszeniert der Verein Schluchttheater Dürrenmatts berühmten Krimi «Der Richter und sein Henker» im Rebberg über dem Bielersee. Die Aufführung im Freien ist grosses Theater.

  • 1/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 2/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 3/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 4/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 5/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 6/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 7/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 8/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 9/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 10/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 11/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 12/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 13/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 14/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 15/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 16/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 17/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 18/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 19/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 20/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
  • 21/21 Copyright: Lukas Batschelet/zvg
zurück

Alice Henkes

«Da stehen wir mit unserem schönen Mord und können nichts anfangen», sagt Kommissär Bärlach resigniert aber auch ein wenig amüsiert. Denn – Dürrenmatt-Leser wissen es – längst ahnt der kluge Ermittler, wer der Täter ist. Und für das Premieren-Publikum der Freiluft-Inszenierung von «Der Richter und sein Henker» war allemal gewiss: Das Team um den künstlerischen Leiter der Inszenierung Jürg Markus Fankhauser wusste Überzeugendes mit dem «schönen Mord» anzufangen. Dem aus Schauspielprofis und Amateuren zusammengesetzen Ensemble ist eine leichtfüssig-intelligente, klug-verspielte Aufführung gelungen, die den bekannten Romanstoff in grosses Theater verwandelt.

Das ist durchaus keine Selbstverständlichkeit. Die populäre Dramaturgisierung von Prosastoffen produziert oft genug Unerfreuliches. Friedrich Dürrenmatts erster Kriminalroman «Der Richter und sein Henker», zuerst ab 1950 in der Wochenzeitschrift «Der Schweizerische Beobachter» publiziert, ist allerdings kein Bühnen-Neuling. Oft schon wurde er inszeniert, verfilmt, vertont. Das hintergründige Spiel um echte Verbrechen und falsche Fährten diente als Stoff für Hörspiele, einen Comic und eine Oper von Franz Hummel.

Bühne im Weinberg

Regisseur Fankhauser, jenseits der Bühne als Lehrer und Theaterpädagoge tätig, greift also auf einen bühnenerprobten Roman zurück. Das Besondere: Er zeigt ihn an jenem Ort, an dem «Der Richter und sein Henker» verankert ist. Weinberge, Twannbachschlucht, das Örtchen Lamboing, sie sind die Kulissen, die im Roman genannt werden. Geschrieben hat Dürrenmatt das Werk in Schernelz, wo der junge, mittellose Dichter und seine Frau Lotti 1948 bei der Schwiegermutter logierten und auf der Festi Ligerz. Bis 1952 lebte die Familie des Dichters dort als Mieter der wegweisenden Textilkünstlerin Elsi Giauque.

Mit grossem Aufwand hat der Verein Schluchttheater, der das Krimispiel im Weinberg finanziell und logistisch auf die Beine gestellt hat, eine Zuschauertribüne zwischen die Reben gesetzt. Ausgerichtet auf die schmucke Fassade des Weinguts Festiguet, das von Tannen umrahmt als Bühnenprospekt dient. Diese offene Bühne ist stimmungsvoll und zwingt zugleich zu starken Vereinfachungen. Das Ausstattungsteam, vor allem Bühnenbild und Requisite (Christian Geiser und Heidi Ernst), reagiert mit angenehmer Zurückhaltung auf den dominanten Ort.

Bauchtanz und Videos

Das Schauspiel-Ensemble überzeugt mit grosser Präsenz, allen voran Ernst Christoph Sigrist, der den klugen Kommissär Hans Bärlach scheinbar unangestrengt und mit leicht übernächtigtem Charme spielt. Bärlach ermittelt im Fall des ermordeten Polizisten Schmied (alt Regierungsstatthalter Werner Könitzer in einer stummen Rolle). Er setzt Tschanz auf die Sache an. Matthias Britschgi spielt den ehrgeizigen jungen Polizeimann, der die rätselhaft kühle Verlobte des Ermordeten umgarnt (verführerisch: Isabelle Freymond) und sich am Ende selbst als Täter überführt sieht, mit überzeugender Streberhaftigkeit. Glatt gebügelt wie ein Chorknabe steht er neben dem zerknitterten Bärlach, dem man sofort glaubt, dass er schon viel vom Leben gesehen hat und mehr noch darüber weiss. In schwülen Nächten im Orient (stimmunsgvoll untermalt von Bauchtänzerin Isabel Devaux) ist er einen Pakt mit dem nihilistischen Verbrecherkönig Gastmann eingegangen (smart gespielt von Joey Zimmermann) und das aktionistische Fortschrittsdenken seines Vorgesetzten Dr. Lutz (Hans Peter Blaser) pariert er mit unerschütterlicher Gelassenheit.

Blaser gehört in den Kreis der Schauspiel-Amateure, die teils mit gewisser Bühnenerfahrung sind. Hans Flury als Nationalrat von Schwendi, Fritz Bosshart als Arzt gehören ebenso in diese Gruppe. Und Andy Brand als Dürrenmatt selbst, der «seine» Figuren manchmal auf den richtigen Weg stupst. Das ist witzig, solange es Pantomime bleibt. Dürrenmatt/Brands Monolog über die Schlachtplatte bei Gastmann hingegen ist verzichtbar.

Überflüssig wirkt auch der etwas lahme Regieeinfall, einzelne Szenen mithilfe von Videoprojektionen zu untermalen. Die Videomode ist in den meisten Theatern wieder vorbei. Und die Darsteller auf dem Festiguet erzeugen auch ohne technische Hilfsmittel Spannung und Stimmung. Denn den Akteuren gelingt es, den Dürrenmattschen Text so zu beleben, dass der ironische Witz des Autors ebenso spürbar wird wie sein philosophischer Atem.

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * *

Praktische Hinweise

  • Weitere Aufführungen des Stückes: bis 10. September immer Mittwoch bis Samstag, jeweils 20 Uhr.
  • Das Stück dauert bis ungefähr 22 Uhr, ohne Pause.
  • Alle Vorstellungen sind bereits ausverkauft.
  • Ausnahme: Für Freitagabend, den 19.8. gibt es noch ein kleines Kontingent Karten. Bestellung unter: tickets@schluchttheater.ch
  • Tip: Unter www.richterundhenker.chbieten verhinderte Besucherinnen und Besucher gelegentlich Einzeltickets an.
  • Anreise: Die Fahrt mit dem Funi bis Festi/Chateau ist in der Eintrittskarte inbegriffen. Das Funi fährt ab 18:04 Uhr im Viertelstundentakt bergauf. Nach der Vorstellung fährt es bis 23:45 Uhr alle 15 Minuten bergab.
  • Achtung: Da es nur wenige Plarkplätze in Ligerz gibt, empfehlen die Veranstalter die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Leider ist die Spieldauer nicht auf die Zugverbindungen zwischen Ligerz und Biel abgestimmt. Die Züge Richtung Biel fahren nur 22.55 Uhr und 23.55 Uhr. Wer nach Ende des Stückes rasch nach Hause kommen und lange Wartezeiten vermeiden möchte, sollte versuchen, beim Veranstalter einen der raren Parkplätze zu reservieren. Eine andere Möglichkeit: Das Auto in Twann abstellen und mit dem Velo bis Ligerz fahren.
  • Wichtig: Auf der Zuschauertribüne kann es abends empfindlich kalt und zugig sein. Unbedingt warme Kleidung anziehen und zusätzliche Jacken und eventuell Decken mitnehmen!
  • Wetter: Bei leichtem Regen wird die Aufführung zu Ende gespielt. Muss eine Vorstellung aufgrund starken Regens oder Windes nach mehr als 45 Spielminuten abgebrochen werden, gilt sie als gespielt. In diesem Fall besteht kein Anrecht auf Rückerstattung des Eintrittsgeldes oder Eintausch der Tickets für ein anderes Aufführungsdatum. Für Vorstellungen, die vorher abgebrochen werden, finden jeweils Dienstag oder Sonntag Ersatzvorstellungen statt.
  • Wetter: die aktuelle Wetterauskunft am Aufführungstag jeweils ab 16 Uhr unter www.richterundhenker.ch/diespieldaten ahb

Nachrichten zu Kultur »