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Vibez-Festival

Vibez: Die fantastischen Zahlen des Vizes

Im Mai suchte Vibez nach Investoren in Dubai. Dabei wurde seitens des Seamotion-Vizepräsidenten getrickst. Die Mission endete im Fiasko – und zieht mindestens eine Anzeige nach sich.

Grelles Licht am Vibez-Festival - manche Vorgänge hinter den Kulissen bleiben im Dunkeln. copyright: nico kobel/bieler tagblatt

Tobias Graden

«Mit dem Emirates-Sponsoring hatte ich nichts zu tun», sagte Vibez-Organisator Daniel Meili gestern gegenüber dem Online-Portal «Watson». Und in der Medienmitteilung, die am frühen Abend verschickt wurde, hiess es, nur die Vereinsleitung könne den Fall klären, «ich distanziere mich vom Verein und seinen Aktivitäten».

Wie BT-Recherchen zeigen, dürfte diese Distanzierung eine halbe sein – gemeint ist offenbar nicht Vereinspräsident Ivica Petric, sondern der Vize Peter Béres. Offenbar steckt dieser hinter der leidigen Emirates-Geschichte, wobei die genauen Sachverhalte noch unklar sind und mehrere Vorgänge auch Gegenstand von juristischen Verfahren werden dürften. Es dürfte beispielsweise um Tatbestände wie Urkundenfälschung gehen, mithin steht der Verdacht der Geldwäsche im Raum.

Halbe Million plus Prozente

Das BT hat mit jener Person gesprochen, die für Vibez in Dubai tätig war, von Ende April bis Ende Mai. Nennen wir sie Holger Meyer – der Name ist komplett fiktiv, der richtige Name ist der Redaktion bekannt. Alle folgenden geschilderten Sachverhalte, die ihn betreffen, entsprechen seiner eigenen Darstellung.

Meyer ist Immobilienmakler, er ist schon lange am Golf tätig, vor allem in Dubai, hat dort ein grosses Netzwerk. Ivica Petric kannte Meyer geschäftlich und trat an ihn heran mit der Bitte, Investoren und Sponsoren aufzutreiben für Vibez. Zur Erinnerung: Bei Vibez geht es nicht nur um ein Festival, bei Vibez geht es auch um eine Technologie. Diese Technologie ist nach dem Abgang von Meili bei der Coundco AG (das BT berichtete) im Besitz der Finantia AG von Petric. Die Finantia AG hat auch das Festival sowie die Entwicklung der Technologie zu einem Teil finanziert – deswegen ist Petric auch Präsident des Vereins Seamotion, der das Festival ausgerichtet hat. Und deswegen ist Béres geholt worden: Aufgrund seines «Technologie-Backgrounds», wie Petric schriftlich mitteilt, sowie wegen seiner «Kontakte zu internationalen Brands».

Zurück zu Meyer. Dieser sagte also zu, von Ende April bis nach dem Festival für Vibez zu arbeiten. Seine Entlöhnung sollte 500 000 Euro betragen plus zehn Prozent Gewinnanteil an den Ticketverkäufen. Béres habe ihm zu diesem Zeitpunkt gesagt, es seien bereits 70 000 Tickets verkauft. Meyer hätte hellhörig werden müssen – aber er habe halt keine Ahnung vom Festivalmarkt, sagt er gegenüber dem BT. Die nicht eben geringe Entlöhnung rechtfertigt er damit, dass er in dieser Zeit seine eigenen Geschäfte habe ruhen lassen müssen und auch hohe Kosten gehabt habe. Etwa 100 000 Franken habe er für seine Vibez-Tätigkeit in Dubai aufgewendet.

77 898 Tagestickets

Meyer fand rasch – gemäss eigener Darstellung – interessierte Investoren, aber ebenso rasch tauchten Probleme auf: Die widerrechtliche Verwendung des Emirates-Logos. Die Fluggesellschaft forderte dessen Entfernung, doch Béres habe sich gesträubt. Es gebe Investoren aus dem Balkan, die dafür zahlten, damit das Logo bestehen bleibe, habe Béres gegenüber Meyer gesagt. Angesichts der negativen Schlagzeilen hätten sich dann mehrere Interessenten zurückgezogen, drei seien aber dabei geblieben, sagt Meyer. Deren Namen nennt er nicht, denn: «Es sind nicht unbekannte Leute.» Insgesamt hätten diese 9 Millionen Euro investieren wollen, Stand gegen Ende Mai.

Zusätzlich holte Meyer die Tabarak Investment Bank aus Dubai ins Boot. Sie sollte eine Garantie abgeben für Vibez, als Sicherheit gegenüber den Investoren vor Ort. Im Gegenzug sollten sämtliche Einnahmen aus den Ticketverkäufen zu ihr fliessen, und am Schluss sollte sie 30 Prozent des Gewinns des Festivals erhalten. Wiederum: Dies ist eine Gewinnmarge, die jeden Kenner des hiesigen Festivalmarkts lachend abwinken lassen würde – niemand verdient hierzulande mit Festivals so viel Geld, dass er locker 30 Prozent des Gewinns teilen könnte.

Bald aber wollte Tabarak wissen, wie viele Tickets denn bereits verkauft seien. Dem BT liegen zwei Mails mit Anhängen im PDF-Format vor, die offenbar von Peter Béres verfasst wurden und an Tabarak gingen, mit CC an Holger Meyer. Die PDF-Dokumente sollten die Verkäufe über den eigenen Kanal sowie über die Ticketing-Anbieter Fnac und Festicket aufzeigen. Demzufolge seien per 21. Mai alleine über Fnac mehr als 25 000 Dreitagespässe verkauft worden, dazu je um 11 000 Tagespässe für Donnerstag und Freitag sowie 16 000 für Samstag. Hinzu kämen knapp 18 000 Tickets über den eigenen Vibez-Kanal, über 21 000 Tagestickets und 14 000 Festivalpässe über Festicket sowie 5000 Tages- und knapp 18 000 Dreitagespässe über Starticket. Insgesamt also, schrieb Béres an Christian Thurner bei Tabarak, seien total 77 898 Tagestickets und 44 142 Dreitagespässe verkauft, wobei nach wie vor für jeden Tag 32 000 Tickets verfügbar seien. Überdies seien 20 000 Tickets gedruckt und an Zulieferer («Suppliers») verkauft worden.

Dumm nur, dass bei Tabarak genau hingeschaut wurde. Die Rechtsabteilung von Tabarak sei skeptisch geworden, erzählt Meyer, habe aufgedeckt, dass die Zahlen nicht stimmten. Béres habe schliesslich ihm gegenüber zugegeben, die Zahlen manipuliert zu haben. In Wahrheit gab es laut offizieller Mitteilung schliesslich 32 000 Eintritte am Festival, und auch diese Zahl dürfte noch aufgerundet worden sein. Geld an Tabarak floss keines.

Der Adressat des Mails bei Tabarak, Christian Thurner, ist laut Website zuständig für Investments und europäische Märkte, er war gestern Freitag für das BT nicht erreichbar. Peter Béres stellte Antworten auf entsprechende Fragen des BT in Aussicht, diese trafen jedoch vor Redaktionsschluss nicht ein. Der Verein Seamotion teilte durch Präsident Ivica Petric schriftlich mit: «Grundsätzlich war Peter Béres für sämtliche Engagements aus dem Ausland verantwortlich. Weitere Informationen zu involvierten Personen, Agenten oder Details können wir aufgrund der laufenden Ermittlungen und Verfahren beim Handelsgericht nicht bekanntgeben.» Auf Nachfragen am Nachmittag ging Petric dann nicht ein.

Woher kam das Geld?

Wenig verwunderlich, dass schliesslich weder der Deal mit der Tabarak-Bank noch mit den angeblichen drei Investoren zustande kam. Geld sei bei Vibez aber auch so vorhanden gewesen, sagt Meyer: So hätten Béres 1,2 Millionen und Meili 800 000 Franken für ihr Engagement erhalten. Überprüfen lässt sich diese Aussage nicht, und Béres und Meili liessen die entsprechende Frage des BT unbeantwortet. Trifft dies zu und sind diese Beträge auch ausbezahlt worden, so dürften die Kosten für diese erste Vibez-Ausgabe und die bisherige (bezahlte) Entwicklung der Technologie zwischen 6 und 7 Millionen Franken betragen. Falls davon nur ein Teil von der Finantia AG stammen sollte, drängt sich die Frage auf: Woher kommt der Rest? Gab es diesen ominösen Investor vom Balkan, wer war er, und was sind seine Interessen? Dazu schwiegen gestern sowohl Petric als auch Béres. Petric teilt einzig mit: «Die Finantia finanziert ihre Projekte durch Schweizer Investoren.» Der Gegenwert für die Investitionen in Vibez werde durch «Ticketing-Einnahmen, Sponsoren sowie immaterielle Güter sichergestellt».

Holger Meyer jedenfalls hat kein Geld gesehen, nur Auslagen gehabt, und dabei habe er hart für Vibez gearbeitet. Das treibe ihn an den Rand des Ruins, sagt er. Ein paar Tage vor dem Festival ist er in die Schweiz zurückgekehrt. Anzeige gegen den Seamotion-Vizepräsidenten Peter Béres werde am Montag eingereicht.

 

 

 

 

Wie geht es weiter?

Laut der vorgestrigen Medienmitteilung von Vibez-Organisator Daniel Meili wird «eine neue Gesellschaft» das Openair übernehmen. Für die Veranstaltung 2020 solle ein «komplett neues Präsidium aufgebaut werden». Daniel Meili dürfte dabei bleiben, schreibt doch Ivica Petric über ihn, er sei «ein sehr engagierter und ambitionierter Projektleiter». Und weiter: «Wir haben ihn als äusserst loyale Persönlichkeit kennengelernt. Er hat seinen Job sehr gut gemacht.»

Mit der «neuen Gesellschaft» könnte demnach auch die Finantia AG gemeint sein. Sie hat noch Arbeit vor sich, auch an der Technologie – und damit weitere Investitionen. Die Vibez-App und das System dahinter war nämlich entgegen anderslautender Darstellung in der Vibez-Medienmitteilung auf den Event hin gar nicht bereit. So kam nicht ein selber entwickeltes bargeldloses Zahlungssystem zum Einsatz, sondern das eingekaufte, bestehende System eines Drittanbieters, der Avance Pay AG. Dieses ist beispielsweise auch in der Tissot Arena installiert.

Unklar ist auch der Status der Marke Vibez. Im offiziellen schweizerischen Markenregister des Instituts für geistiges Eigentum ist jedenfalls keine Marke unter dem Namen Vibez registriert. Warum das so ist, bleibt derzeit offen. Petric schreibt: «Weitere Fragen zur Technologie sowie zum Vibez 2020 werden gemäss Medienmitteilung zeitnah bekanntgegeben. Bis zum Abschluss der laufenden Verfahren werden wir keine weitere Stellungnahme verfassen und auch keine Fragen beantworten.» tg

 

 

 

Das Treffen im goldenen Zimmer

Vibez verschickte ein paar Tage vor dem Festival ein Bild eines Treffens von Vibez-Vertretern mit Suhail Al Zarooni (das BT berichtete). Dass dieses Treffen stattgefunden hat, bestätigt Holger Meyer (richtiger Name der Redaktion bekannt) – er habe es eingefädelt. Dabei sei es aber gar nicht um Emirates gegangen und auch nur sehr am Rande um das Vibez-Festival. Vielmehr hätte Zarooni als Türöffner für die Expo 2020 fungieren sollen, für die Vibez ihr Technologieprodukt anbieten will. Es sei gar ein Besuch Zaroonis am Vibez-Festival in Biel angedacht gewesen, ebenso der Plan, einen Anlass unter der Marke Vibez im November dieses Jahres in Dubai zu organisieren. tg

 

Stichwörter: Vibez, Festival, Biel, Dubai, Scheich, Geld

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