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Kunst

Vieldeutige Blick-Verschiebungen

Im Espace Libre in Biel gastiert das libanesisch-kanadische Künstlerpaar Ziad Bitar und Natyla Dabaji mit Arbeiten zu Raum und Bewegung.

Vogelperspektive am Boden: Das libanesische Künstlerpaar spielt mit Blickwinkeln und Raumerkundungen. Ziad Bitar und Nayla Dabaji/zvg

Aus der Vogelperspektive sieht alles so einfach aus. Strassenquadrate, Häuserzeilen, Verbindungslinien. Vielleicht rührt auch daher der alte menschliche Traum vom Fliegen. Auch verwirrende Gassenlabyrinthe und unübersichtliche Kreuzungen schnurren zu leicht entschlüsselbaren grafischen Mustern zusammen, steigt man nur hoch genug hinauf. Kein Wunder, dass Aussichtstürme weltweit zu beliebten Touristenattraktionen gehören.

Für Ziad Bitar und Natyla Dabaji ist das Reisen und damit auch das Erkunden neuer Räume ein fester Bestandteil ihrer Arbeit. Die beiden aus Beirut gebürtigen Kunstschaffenden leben heute im kanadischen Montreal. In Biel gastieren sie vier Wochen lang und bespielen in dieser Zeit den Espace Libre hinter dem Centre Pasquart mit «Echos», verschiedenen Arbeiten, die sich in offener, vieldeutiger Weise mit Orten, Räumen und Bewegung beschäftigen.

Im Zentrum steht ein Videoloop, der den Rundgang durch eine Hochhausetage zeigt. Die leicht kippeligen Aufnahmen zeigen den dunklen Linoleumbelag eines Flures, begrenzt von Wänden in wechselnden Farben. Doch nie hebt das Kameraauge den Blick höher als in Kniehöhe. Nie sieht man Möbel oder anderweitige Nutzungshinweise. Nur einmal geht ein Paar Männerfüsse in schwarzen Schuhen durchs Bild. Doch gibt es keinerlei Aufschluss zu Funktion und Abmessung der Etage.

Auch von den beiden Kunstschaffenden ist nicht viel zu erfahren. Es handle sich um die 44. Etage eines Hochhauses, sagen sie. Das sieht man freilich nicht. Man erahnt es nicht einmal. Und doch ist es dem Künstlerpaar wichtig. Denn die Höhe des Hauses ist mit dem Thema des Turms und des Fliegens verbunden, das ebenfalls eine wichtige Rolle im Werk der beiden Kunstschaffenden spielt. Es geht ihnen dabei um die mit der Vogelperspektive verbundene Idee, sich einen Überblick zu verschaffen, aber auch um die Gefahr des Fallens – im Espace Libre effektvoll inszeniert durch ein dicht verschnürtes dunkles Paket, das unter der Decke hängt. Am Boden darunter ist mit gestrichelten Linien der Raum markiert, auf dem das Paket im Fall des Falles landen würde. Es wirkt wie eine vorauseilend gezeichnete Schadensskizze und erhöht noch die anregende Rätselhaftigkeit des Schnürpakets, über dessen Inhalt sich trefflich spekulieren lässt. ahb

Info: Ausstellung bis 28. September. Trinquer à Ziad Bitar und Natyla Dabaji, mit Konzert von Roman Nowka, Mittwoch, 21. September, 21 Uhr. Espace Libre, Seevorstadt 73, Biel.

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