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Kulturfinanzierung

Viele Unterstützer führen zum Kulturprojekt

«Crowdfunding» klingt lässiger als «Projektantrag». Aber wie funktioniert es wirklich? Das BT hat bei Wemakeit nachgefragt, der erfolgreichsten Schweizer Crowdfunding-Plattform, die in diesem Jahr ihr sechsjähriges Bestehen feiert.

Symbolbild: Keystone

Alice Henkes

Kultur ist schön, kostet aber auch Geld. Und nicht nur Kultur im engeren Sinn. Vieles, was Spass macht im Leben, ist mit Geld verbunden. Sowohl für alle, die sich als Besucher oder Nutzerinnen daran erfreuen wollen, wie auch für jene, die eine Kulturveranstaltung oder ein Kulturprodukt anbieten wollen.

Für Zweitgenannte führte der Weg von der kreativen Idee zum Event oder Produkt bisher über Projektanträge, mit denen man Gemeinden, Kantone oder diverse Stiftungen um Unterstützung bitten kann. Die Antragstellung ist meist an ein Regelwerk gebunden. Es gibt Formulare, die ausgefüllt werden müssen, Fristen, die zu beachten sind. Auch inhaltlich gibt es gewisse Leitlinien.

Dieses klassische Projektförderwesen wird oft als kompliziert und schwerfällig kritisiert. Besonders seit das Zauberwort Crowdfunding die Runde macht. Beim Crowdfunding, zu deutsch der «Schwarmfinanzierung», treten viele kleine Gönner an die Stelle weniger grosser Sponsoren. Wer eine tolle Idee hat, kann sie auf einer Crowdfunding-Plattform im Internet publizieren und hoffen, dass andere Menschen diese Idee auch toll finden. Und dass sie bereit sind, Geld zu investieren, damit die Idee Wirklichkeit werden kann.

 

3000 Projekte in sechs Jahren

Die bekannteste und grösste Crowdfunding-Plattform in der Schweiz ist Wemakeit. Im Februar 2012 wurde sie von der Kommunikationsberaterin Rea Eggli, dem Künstler Johannes Gees und dem Interaction Designer Jürg Lehni gegründet.

Heute unterhält Wemakeit Büros in Zürich und Lausanne, Wien und Bellinzona. Wemakeit ist viersprachig: Die Kampagnen laufen mit deutschen, französischen, italienischen oder englischen Texten. Wemakeit ist laut Eigenwerbung eine der erfolgreichsten Crowdfunding-Plattformen in Europa. 3000 Projekte konnten in den vergangenen sechs Jahren über Wemakeit finanziert werden.

Wemakeit feiert in diesem Frühjahr das sechsjährige Bestehen. Auch Wemakeit selbst hat sich in den ersten vier Jahren ihres Bestehens auf finanzielle Förderung durch Stiftungen gestützt. Seit letztem Jahr läuft das Geschäft selbstfinanziert. Klingt beruhigend: Bei Wemakeit sitzen Leute, die offenbar wissen, wie das mit dem Geld funktioniert.

Ein Klick auf die Wemakeit-Website unterstreicht das: «Möchtest du ein innovatives Produkt finanzieren oder kreative Projekte unterstützen? Dann bist du bei uns genau richtig», heisst es da. Lustige Zeichentrickmännchen grinsen freundlich dazu.

 

130 000 potentielle Unterstützer

Aber, wie genau funktioniert das nun mit dem Crowdfunding? Céline Fallet, Co-Geschäftsleiterin bei Wemakeit, rät dazu, einfach mal auf den grünen Button «Projekt starten» zu drücken. «Da gibt es viele Tipps und Informationen.» So erfährt man zum Beispiel, das bisher 33,1 Millionen Franken an Unterstützungen auf Wemakeit gesammelt wurden. Und das 130 000 Menschen den Wemakeit-Newsletter abonniert haben.

Für kreative Köpfe, die auf Wemakeit ihre Idee publizieren, sind diese Newsletter-Leserinnen und -Leser alle potentielle Unterstützer. Es gilt nur, ihnen die eigene Idee schmackhaft zu machen. Dazu empfiehlt es sich, das geplante Projekt möglichst präzise, eingängig und attraktiv darzustellen. In Wort, Bild und Video. Mit einer klaren Ansage, welche Summe man in welchem Zeitrahmen sammeln möchte. Und mit ganz konkreten Angaben, wofür dieses Geld verwendet werden soll.

 

Kleine Geschenke

Der Text sollte möglichst kurz, knackig und knusprig sein. Ausserdem sollte man unbedingt daran denken, «den Unterstützern gute und attraktive Belohnungen anzubieten», rät Céline Fallet. Das sei ja auch der grosse Vorteil einer Crowd-funding-Plattform, sagt Fallet, dass man interessierte Leute direkt in das eigene Projekt hole, indem man sie teilhaben lasse. Sei es in Form von Dankeschön-Geschenken wie einem Buch oder einer CD oder auch über persönliche Erlebnisse, wie einem Besuch hinter der Bühne oder im Atelier.

Das Konzept mit der Schwarmfinanzierung und den kleinen Geschenken gefällt vielen Schweizerinnen und Schweizern. Bisher waren etwa 65 Prozent aller auf Wemakeit publizierten Projekte erfolgreich. Besonders erfolgreich sind Musikprojekte. «Bands bringen meistens schon eine eigene Community mit, das erleichtert die Suche nach Unterstützern», sagt Céline Fallet.

Ein Blick auf die Wemakeit-Website unterstreicht diese Aussage. Klickt man sich durch zu den erfolgreich abgeschlossenen Kampagnen der letzten Zeit, so finden sich dort vor allem zahlreiche Musikprojekte. Zum Beispiel die Rock-Band Kill the Jayer aus Delémont, die über Wemakeit eine professionell produzierte CD mit fünf Songs finanzieren konnte. Als Dankeschön für ihre Unterstützer gab es zum Beispiel die EP mit Cover nach eigener Wahl oder einen Schlagzeug-Kurs. Auf die Nachfrage, warum sie sich für eine Finanzierung über Wemakeit entschieden haben, antwortet Sänger Jayer, er habe bereits ein Projekt im Musikbereich über Wemakeit erfolgreich abgeschlossen. Auch das ist kein Einzelfall: Wer einmal via Wemakeit erfolgreich war, wird schnell zum Wiederholungstäter.

 

Gespür für Trends

Gut gelaufen ist es auch für Le Soleil Levain. Unter diesem Namen will Mathieu Chevalley einen Lieferservice für Bio-Brot rund um Les Breuleux einrichten. Dabei hat er sich von der Crowd unterstützen lassen. Céline Fallet: «Projekte im Food-Bereich sind oft erfolgreich». Das ist sicher kein Zufall, gilt doch die Beschäftigung mit dem Essen als cool. Und wer beim Werben um Schwarmfinanzierer die Nase vorn haben will, der sollte auch ein wenig Feeling für Trends und Zeitgeist mitbringen.

 

Werbe-Unterstützung

Um möglichst vielen Usern das Gelingen ihrer Projekt-Kampagnen zu ermöglichen, bietet Wemakeit seit Kurzem sogenannte Coaching- und Promotion-Packages an. In Beratungsgesprächen und Workshops kann man trainieren, wie man seine Ideen einem breiten, unterstützungswilligen Publikum schmackhaft macht. Wer das Promotion-Package bucht, darf auch auf die Werbeideen und das Social-Media-Potential der Wemakeit-Crew zurückgreifen.

Diese Angebote können den Erfolg einer Crowdfunding-Kampagne vermutlich erhöhen. Gratis sind sie jedoch nicht. Wer sie in Anspruch nimmt, muss sein Projekt-Budget noch einmal durchrechnen. Das kleinste Coaching-Paket kostet 450 Franken, das Angebot «Promotion Large» mit Facebook- und Instagram-Kampagne, Newsletter-Story, Platzierung des Projekts auf der Wemakeit- Startseite und weiteren Werbeextras kostet 2750 Franken.

 

Comeback der Sponsoren

Über die sogenannten «Channels», die seit Kurzem auf Wemakeit zu finden sind, halten auch traditionelle Sponsoren Einzug auf dem Marktplatz der Crowd. Stiftungen, Institutionen und Unternehmen können mit Wemakeit kooperieren und als «Booster» für bestimmte Projekte auftreten.

Die Jubiläumsstiftung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft zum Beispiel unterstützt Low-Budget-Filmproduktionen als Booster. Hat eine Kampagne ein Drittel des Finanzierungsziels erreicht, legt die Stiftung das zweite Drittel obendrauf und heizt so das Werben um Unterstützergelder an. Denn auch und gerade im Crowdfunding-Metier gilt: Nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg. Céline Fallet: «Wenn Projekte scheitern, dann scheitern sie tief.» Das heisst, sie erreichen oft nicht mal zehn Prozent des Finanzierungsziels. Hat man erst mal die Zweidrittelmarke geknackt – ob mit oder ohne Booster – dann kann es eigentlich nur noch gut gehen.

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