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Erlach

Vom Kleinen ins Grosse, 
ins Unendliche

In der Ausstellung «Standpunkt Erde» versammeln sich in der Galerie Mayhaus in Erlach fünf Kunstschaffende, die sich mit dem Thema Erde auf ganz unterschiedliche Weise auseinandersetzen.

Versteckt sich da ein Gesicht oder ist das Bild total abstrakt? Ruedy Schwyns Bilder lassen der betrachtenden Person Spielraum für das eigene Sehen. Bild: zvg

Simone K. Rohner

Die Erde. Auf ihr stehen wir. Wir graben in ihr. Wir fliegen um sie herum. Wir gestalten sie. Bepflanzen sie. Und wir profitieren von ihr. Doch wir zerstören sie auch. Der Erde selbst ist das egal. Und wir sind ihr auch egal.

Solche Gedanken kommen einem, denkt man über den Begriff Erde nach. Nun haben sich vier Künstler und eine Künstlerin zusammengetan und eine Ausstellung dazu organisiert. Man könnte an dieser Stelle nun befürchten, dass es sich um eine sehr brauntönige Schau handeln könnte. Doch dem ist nicht so.

Erdmensch seit 
Kindesbein an

Ruedy Schwyn, Ulrich Studer, Hannes Hübner, Anna Neurohr und Hans Jörg Bachmann beschäftigen sich alle schon länger mit dem Begriff. Und alle tun es auf sehr unterschiedliche Weise, wie ihre Gruppenausstellung in der Galerie Mayhaus in Erlach nun zeigt. Ruedy Schwyn begleitet das Thema künstlerisch bereits seit ungefähr 30 Jahren. Sein Bewusstsein für die Natur, die Erde, entwickelte sich früh in seinem Leben. Die erste bewusste Begegnung, die bis heute bei ihm nachhallt, machte er im Kleinkindalter, mit drei Jahren. Er spielte in einem Laubhaufen und plötzlich knackte etwas. Es war ein Schneckenhaus einer Weinbergschnecke. Für Schwyn bedeutete diese Entdeckung damals die Erklärung der Welt. In der Spirale, die sich immer weiter vergrössert, meinte er, die Entstehung der Erde zu erkennen. Vom Kleinen ins Grosse, ins Unendliche. Denn auch wenn die Erde kein Schneckenhaus ist, so erinnern doch die Galaxien im Weltraum optisch daran.

Vom Kleinen ins Grosse, ins Unendliche geht es auch in der Kunst von Schwyn zu und her. Es scheint ihm praktisch unmöglich zu sein, nicht einen Philosophen zu erwähnen, wenn er über seine Kunst spricht, und auch um wissenschaftliche Ausdrücke ist er nicht verlegen. Es ist für ihn scheinbar unmöglich, nicht abzuschweifen in ganz, ganz grosse Themen.

Neben Öl- und Acrylmalerei zeigt er eine Installation aus Readymades à la Marcel Duchamp. Und weiter liegen inmitten des Kappellenraumes der Galerie zwei grosse eiförmige Objekte, Bakterien? Oder doch eher Meteoriten? Die zwei Objekte wirken, als wären sie gerade erst ausgegraben worden. Verfügen aber über künstliche Manipulationen. Der Künstler baute Bestandteile eines Computers darauf ein. Die Anspielung geht in Richtung IT-Welt. Computerviren. Diese Schaltstellen wirken aber auch wie Miniaturen einer Grossstadt. Die beiden «Bazillen» sind nicht etwa, wie man es vermuten könnte, in der Coronazeit entstanden, sondern bereits in den 90er-Jahren. Doch Schwyn nahm sie erst in die Version der verschobenen Ausstellung mit auf. Denn ursprünglich hätte die Gruppenausstellung im Frühling stattfinden sollen.

Sehr viel grafischer geht es bei Anna Neurohr zu. Die Preisträgerin des Prix Kunstverein 2019 zeigt kleine Zeichnungen und grossformatige Bilder mit Öl, ja vielmehr Öl-Zeichnungen auf Papier. Die filigranen schwarzen oder graubeigen Linien zeigen mal ganz klar eine Berglandschaft, dann werden sie wieder beinahe abstrakt. Neurohr ist auch Grafikerin und eine ehemalige Schülerin von Ruedy Schwyn, der sie für diese Ausstellung mit ins Boot holte. Gemeinsam ausgestellt haben sie schon davor. Neurohrs geschultes Auge für Linien spürt man stark heraus in ihren Arbeiten auf Papier. Wobei die Zeichnungen nie kalt wirken – trotz der fast inexistenten Farbe. Manche versetzen einen in eine regelrechte Traumstimmung oder Trance beim Betrachten, verfallen dabei aber nie dem Alpenkitsch.

Im Dachstock hat sie zudem eine Installation mit Keramik realisiert. Dieses fragile Material hat sie letztes Jahr entdeckt und sich während des Lockdowns stark damit beschäftigt. Entstanden sind zerbrechliche Berge. Ein Widerspruch, der Neurohr fasziniert. Auch in ihrem Leben haben Berge immer schon eine wichtige Rolle gespielt. Hier im Dachstock liegen sie auf einem im Raum schwebenden Brett. Die Berge tun damit etwas für sie Unmögliches: Statt fest im Boden verankert zu sein, fliegen sie.

Blaues Eis, 
schwarz-weisser Wald

Es ist eine eher farblose Gruppenausstellung. Umso mehr stechen Ulrich Studers blaue Glasmalereien heraus. Tusche hinter Glas – damit schafft er abstrakte Welten, die einen ans Innere von Eisbergen denken lassen. Und so daneben liegt man mit dieser Assoziation nicht: Die Serie heisst «Toteis». Toteis ist Gletschereis, das nicht mehr mit dem Gletscher verbunden ist und sich darum nicht mehr bewegt. Oft ist solches Eis mit Sediment bedeckt, wirkt dreckig.

Ulrich Studer, der sein Atelier oberhalb der Twannbachschlucht hat, bezieht sich mit seinen Bildern auf den nicht mehr vorhandenen Rhone-Gletscher, der einst die Topografie im Seeland merklich prägte. Damit spannt er auch den Bogen zur aktuellen Thematik der Klimaerwärmung, ein Thema, um das man in so einer Ausstellung nicht ganz herum kommt. Eine Naturschutz-Ausstellung ist es aber dennoch nicht.

Hans Jörg Bachmanns Schwarz-Weiss-Fotografien von japanischen und hiesigen Landschaften fügen sich gut in die anderen Werke ein und bieten durch die ganz eigene Materialität des Reispapiers einen unaufdringlichen Kontrast dazu.

Beim Zürcher Hannes Hübner wird es erdig, im wahrsten Sinne des Wortes. Hier kommt das Publikum ganz direkt mit der Erde in Kontakt und soll darin seine Spuren hinterlassen. Hübner arbeitet mit Fotografie, aber ebenso finden Erdpigmente ihren Weg in seine Objekte.

Info: «Standpunkt Erde» in der Galerie Mayhaus in Erlach. Noch bis 11. Oktober.

Stichwörter: Kunst, Bilder, Ruedy Schwyns

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