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Ausstellung

Von der Lust, ein Lernender zu bleiben

In der Galerie Vinelz zeigt Martin Ziegelmüller neue Werke. In seiner Auseinandersetzung mit Licht, Farbe und Bewegung geht er dabei bis an die Grenzen der Abstraktion.

Licht und Farbe in Bewegung: «Wässerbach», 1999/2015. zvg
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Alice Henkes

Wenn an einem Herbsttag Sonne und Wind im rötlich-golden verfärbten Laub eines Waldstücks spielen, dann gibt es manchmal Momente, in denen man wie berauscht ist von all dem Blitzen und Gleissen, all dem Licht und den Farben. Das sind Augenblicke, so gross und zauberhaft und ungreifbar wie das Glück selbst.

Martin Ziegelmüller hat diese Momente tiefster Licht-Glückseligkeit in Ölfarben eingefangen. In Bildern wie dem grossformatigen «Herbstblätter» löst sich das Motiv des bunt verfärbten Laubes beinahe vollständig in einen abstrakten Wirbel von Farben und Glanzpunkten auf.

Umgestalter des eigenen Werks

In seiner Galerie in Vinelz präsentiert der ebenso produktive wie versierte Maler Martin Ziegelmüller eine Reihe von neuen Gemälden. Landschaften sind es allesamt, bewegte Landschaften, in denen es fliesst und flimmert. Bäche, Uferböschungen, Flüsse: Das Wasser ist eines der Lieblingsmotive des Künstlers. Aber auch lichte Berghöhen, dramatisch bewölkte Himmel und eben das faszinierende Spiel von Laub, Sonne, Wind beschäftigen den Künstler und sind in der Ausstellung immer wieder zu sehen.

Neue Gemälde, das ist freilich ein dehnbarer Begriff bei Martin Ziegelmüller. Freimütig bekennt er, ein grosser Umgestalter der eigenen Werke zu sein. «Ich komme kaum je aus dem Lager ohne ein Bild unter dem Arm, von dem ich denke: Da stimmt etwas nicht.»

Licht, Bewegung, Rhythmus

Martin Ziegelmüller ist auch im Alter von 80 Jahren keiner, der sich auf Geleistetem ausruhen mag. Die Auseinandersetzung mit der Natur und der Kunst sucht er immer noch und immer wieder nach neuen Wegen, idealen Ausdrucksformen.

Durch die Überarbeitung einzelner Bilder entstehen dann oft Kettenreaktionen. Der kritische Blick, einmal wach geworden, entzündet sich an immer weiteren Details, Motiven. Und manchmal greift Ziegelmüller auch zu unkonventionellen Lösungen, um ein Bild umzudeuten, neu zu bewerten. Ein Blick in den Herbstwald, 1999 als Hochformat gemalt, wird um 90° gedreht und so zu einem bräunlich-goldenen Querformat, das in nahezu abstrakter Manier von Licht und Farbe, von Bewegung und Rhythmus erzählt.

Dieses konsequente und oft auch sehr radikale Weiterarbeiten am eigenen Werk wurzelt in einem ebenso unermüdlichen Weiterdenken über die Kunst, in einer noch immer unstillbaren Neugier und ungebrochenen Lust am Schauen. Die Inspiration zu den Motiven kommt Ziegelmüller aus der Natur selbst: Im Chasseral, im Grossen Moos, an den Ufern des Doubs und seiner Nebenflüsse findet er Anregung für seine Bilder, in denen es geheimnisvoll fliesst und raunt und in deren grüne und blaue Tiefen es den Betrachter unwiderstehlich hineinzieht. Mit Fotoapparat und Notizblock hält er erste Eindrücke fest, Eindrücke, die sich nach und nach zu Motiven, Bildern, Bildserien verfestigen.

In den letzten Monaten sind es weite Himmel über dem Chasseral, das wortlose aber umso ausdrucksstärkere Theater der Wolken, das ihn fasziniert.

Anregung zum Ausarbeiten, zum Umsetzen der Bilder im Kopf auf der Leinwand findet Martin Ziegelmüller auch als erfahrener Maler immer noch bei den Grossen der Kunstgeschichte. Bei dem niederländischen Barock-Künstler Vermeer zum Beispiel hat er eine besondere Art entdeckt, Schatten herauszuarbeiten, so dass sie nicht nur als dunkle Flächen erscheinen, sondern den Objekten und Figuren zu lebendiger Tiefe verhelfen. Die Auseinandersetzung mit dem grossen Niederländer wird zur Anregung, auch das eigene Schaffen mit neuen Augen zu betrachten. Martin Ziegelmüllers Werk erzählt nicht nur von der Magie des Lichtes und des Blicks, sondern auch von der grossen Lust, die für einen Künstler darin liegen kann, immer ein Lernender, ein Suchender, ein Wollender zu bleiben.

Info: Die Ausstellung dauert bis am 10. April. Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag, 14 bis 17 Uhr, Galerie Vinelz, bei der Kirche. www.martinziegelmueller.ch

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