Sie sind hier

Abo

Biel

Von «Felicita» bis heilloses Durcheinander

Al Bano & Romina Power haben sich am Sonntagabend an den zehnten Christmas Sessions die Bühne im Bieler Kongresshaus geteilt. Gefunden hat sich das frühere Traumpaar des Italo-Pop deswegen aber noch lange nicht.

Das Comeback von Al Bano (78) und Romina Power (70) versprach mehr Happy End, als es hielt: Auf der Bühne bleibt das Traumpaar des Italo-Schlagerpop auf Distanz. Bild: Anne-Camille Vaucher

Miriam Lenz

Zum Auftakt gibts einen Titel von den Gipsy Kings: «Volare». Dass der Song der spanischstämmigen Flamencogruppe eine gewisse Irritation einläutet, die auch Stunden nach dem Konzert von Al Bano & Romina Power noch nachhallt, kann zu diesem Zeitpunkt keiner ahnen. Und so schlecht passt «Volare» ja nicht zum Gesehenen. Kommt es einem doch ein bisschen vor, als würde das sagenumwobene italienische Schlagerpop-Duo aus einer anderen Sphäre auf die Bühne herabgleiten, anstatt sie zu betreten. Er, come sempre, mit Hut und Foulard. Sie in einem blütenweissen Blumen-shirt und strahlend.

Italienisch soll es sein!

Nach dem Intro wird als erstes die Kommunikationssprache des Abends geklärt. Soll es Deutsch sein, Englisch oder lieber Französisch, fragt die gebürtige Amerikanerin Romina? Nein: Italienisch, darin ist sich die Mehrheit im vollen Saal einig. Wer diese Sprache nicht beherrscht, wird jedoch viel verpassen, denn Al Bano redet gern. Zwischen den Songs packt er Anekdoten aus seiner 50-jährigen Musikerlaufbahn aus. Worum es in «Amanda è libera» geht, oder wie er 1990 einen Plagiatsprozess gegen Michael Jackson führte, der sich für seinen Hit «Will You Be There» seines Liedes «I cigni di Balaka» bedient haben soll. Letzteres wird sogleich bewiesen, die Ähnlichkeit amüsiert – so weit, so unterhaltsam.

Schmerz schwingt mit

Eine weiterhin wohlwollende Konzertkritik wäre Al Bano & Romina Power zu gönnen. Die beiden haben viel durchgemacht: Auf der einen Seite ihrer Blütezeit stehen die Liebe und unvergessliche Hits wie «Felicità», auf der anderen Seite ein schwerer Schicksalsschlag, der dazu führte, dass in den 90er-Jahren sowohl ihre Ehe als auch ihre gemeinsame Karriere im Desaster endete.

Es ist nichts als verständlich, dass Mitgefühl und Bewunderung für die vierfachen Eltern, deren älteste Tochter im Jahr 1994 auf mysteriöse Weise verschwunden und inzwischen für tot erklärt worden ist, bis heute gross sind. Gibt man den Namen Ylenia Carrisi (so heisst die Tochter) bei Google ein, sind die neusten Artikel zu dem Thema wenige Stunden alt. Vor weniger als einer Woche hat Romina Power, die die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihrem Kind nie aufgegeben hat, zudem auf Instagram ein Foto von «my sweet one» gepostet. Dieser Schmerz schwingt mit, wenn Al Bano und Romina Power nebeneinander auf der Bühne stehen. Er berührt.

Demnach ist es zweifellos eine schöne Nachricht, dass das Gesangsduo nach jahrelanger Funkstille wieder zusammengefunden hat. Zumindest musikalisch. Nach dem Auftritt an den 10. Christmas Sessions darf man sich aber schon fragen, wie gemeinsam dieses Comeback tatsächlich ist.

Mehr Solo als Duo

Nach ein paar Duetten mit Al Bano und einem aus der Luft gegriffenen Gastauftritt ihres gemeinsamen Sohnes Yari Carrisi verlässt Romina Power zum ersten Mal die Bühne. Al Bano übernimmt das Feld mit seinem «Maestro», Pianist Alterisio Paoletti, und «Tu per sempre». Mit diesem Lied sorgt der 78-Jährige denn auch für den emotionalsten Moment des Konzerts. Diese Tenorstimme, diese Inbrunst – näher wird man den Tränen an diesem Abend nicht mehr kommen. Albanos erster Individualteil endet mit Adriano Celentanos «Azzurro» und einem begeisterten Publikum.

Schilder hoch, Schoggi fliegt

Was folgt, ist nicht nur ein Stilbruch, sondern der Anfang eines anstrengenden Durcheinanders. Es scheint, als wolle Romina Power, die die kommenden Minuten gestalten wird, so viele Facetten von sich selbst zeigen, wie es nur irgendwie geht – angefangen bei den ausgewechselten Ohrringen, einem spirituellen Symbol für Glück. Die 70-jährige Sängerin, die auch Schriftstellerin, Schauspielerin, Malerin und Buddhistin ist, beginnt mit ihrem 40-jährigen Klassiker «U.S.America», um im nächsten Moment mit exzentrischer Lesebrille ein musikalisch untermaltes Gedicht vorzutragen. Eine Zuschauerin dankt es ihr mit einer Packung «Merci», die die Beschenkte allerdings unbeeindruckt weglegt. Denn jetzt ist sie auf einer Mission: «Power To The People» singt sie und streckt, unterstützt von ihren Background-Sängerinnen, Schilder in die Luft. «No 5G», «Nuclear No!», «More Dharma, less Drama». Man würde gerne nachvollziehen können, warum sie nach diesem kurzen Moment der Auflehnung zum Ragtime wechselt.

Bevor Al Bano & Romina Power ihrem gemeinsamen Comeback mit heruntergespulten Hits wie «Felicità» oder «Sempre Sempre» und einer steifen Tanzeinlage zu «We’ll Live It All Again» (man erinnere sich lieber an die gleiche Szene in dem Video von 1976) zumindest noch den Ansatz einer Berechtigung geben, pumpt Al Bano einen Ausflug in die Klassik in die Reizüberflutung rein. Das wäre schön, ist aber zu viel für diesen Abend. Das ist zu viel Al Bano für die Bühne von Romina Power. Oder umgekehrt.

Stichwörter: Kultur, Schlager, Pop, Musik, Biel

Nachrichten zu Kultur »