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Biel

Weiss hat ein Problem mit Schwarz

So schön und fröhlich ihre Musik auch klingt: Was sie singen, kann wütend machen. Professor Wouassa treten am Samstag im «Le Singe» auf, mit Afrobeat gegen Diskriminierung.

Thaïs Diarra und Mamadou Jim sind die Stimmen der Band. Hinter ihnen stehen neun weisse Instrumentalisten und stärken ihnen den Rücken. Bild: zvg/Sébastien Agnetti
  • Dossier

Hannah Frei

Ihre Musik versprüht Gutes, mit viel Leichtigkeit. Sie klingt nach purer Lebensfreude, nach einem Weg, der tanzend zu bestreiten ist. Afrobeat vom Feinsten. Doch der Schein trügt. Dahinter stecken Geschichten, von denen man denkt, dass sie heute längst Vergangenheit sein sollten. Besonders in Biel. In der ach so weltoffenen Stadt. Hier lebt die Sängerin der Band Professor Wouassa, Thaïs Diarra. Und hier erlebt sie Diskriminierung immer wieder. Weil sie schwarz ist, weil sie Frau ist. So etwa letzte Woche, als ihre Tochter im Bus noch etwas fertig ass, und das von einem Herrn kommentiert wurde. Die Schwarzen würden das halt so machen, die könnten schliesslich nicht lesen und wüssten daher nicht, dass essen im Bus verboten sei. «Auch wenn du perfekt Deutsch und Französisch sprichst, bleibst du trotzdem die Schwarze oder die Ausländerin. Das macht müde», sagt sie.

Heute weiss Diarra, wie sie mit solchen Situationen umgehen soll. Auch dank der Musik. Darin könne sie alles verarbeiten, was sie beschäftige, was sie störe, und was die anderen an ihr zu stören scheint. Es geht um Rassismus, um Sexismus, um Toleranz, um Migration, um Gerechtigkeit. Und um das Leben als Musikerin, sowohl in der Schweiz als auch im Westafrika, wo ihre Wurzeln sind. Seit ein paar Jahren gibt es zwei Stimmen in der elfköpfigen Band: Mamadou Jim kam dazu, Senegalese, dort aufgewachsen, nicht wie Diarra in der Schweiz. «Wir sind uns also in vielen Punkten ähnlich, aber eben doch nicht gleich», sagt Diarra. Er ist Mann, schwarz und Migrant. Sie ist Frau, halb schwarz und ihr Vater war Migrant, aufgewachsen in Mali und dem Senegal, ihre Mutter aus der Schweiz. Mit diesen Unterschieden, mit den Klischees und dem, was dahinter steckt, spielen die beiden gerne in ihren Songs.

Am Samstag kommt die grosse Band ins kleine «Le Singe» in Biel. Vor einigen Jahren spielten sie schon einmal dort. «Wir passten grad knapp auf die Bühne», sagt Diarra. Denn die Band braucht Platz. Platz, um zu tanzen. An ihren Konzerten sitzt niemand still.

 

Treffen im Senegal, ohne Augenkontakt

Professor Wouassa gibt es bereits seit fast 20 Jahren. Gefunden haben sie sich durch den Schlagzeuger Gilles Dupuis. Ein Schweizer, der sich von Afrobeat packen liess. «Weshalb, kann ich mir selbst nicht genau erklären», sagt er. Die Musik habe ihn einfach mitgerissen. Jazz, Soul, Blues. Alles, was Wurzeln in Afrika hat, fasziniert ihn. Besonders, wenn man all das in einen Topf wirft und zu etwas Neuem mischt. Und so ging er auf die Suche nach Bandmitgliedern. Thaïs Diarra kam erst fünf Jahre später dazu, als sich die Band von den vier bisherigen Sängerinnen trennte. Es waren Europäerinnen, die einen für die Band zu wenig afrikanischen Weg einschlugen.

Um Diarra zu finden, musste Dupuis nach Senegal reisen. Und eigentlich traf er dort nicht einmal auf sie, sondern auf ihre damalige Band. Diarra tourte damals als 20-Jährige durch Westafrika, von einer Stadt zur anderen. Dupuis und Diarras damaligen Bandmitglieder tauschten erst sich und dann ihre Nummern aus. So erhielt Dupuis auch die Nummer der Sängerin. Erst als er zurück in der Schweiz war, rief er sie an. «Und so führte eines zum anderen», sagt sie.

Anfangs war sie lediglich als Gast auf einer Platte. Doch bald gehörte sie fest dazu. «Heute sind die Männer wie Brüder für mich.» Weisse Brüder, die ihr als schwarze Frau den Rücken stärken. Diarra und Jim stehen im Mittelpunkt. Schliesslich seien es sie, die die westafrikanische Musik authentisch rüberbringen können, sagt Diarra. Dass eine Gruppe weisser Männer sich hinter sie stelle, sei für sie ein grosses Geschenk. «Für mich war es schön, zu sehen, dass sich so viele Schweizer für afrikanische Musik interessieren.»

Als ihr Vater nach Biel kam, habe es hier kaum Schwarze gegeben. So sei sie als Kind stets bemüht gewesen, nicht laut zu sein, nicht das zu sein, wovor sich die Nachbarinnen und Nachbarn zu fürchten glaubten. Mit 15 Jahren fing sie mit dem Singen an, und suchte verzweifelt nach berühmten schwarzen Vorbildern. Ein paar fand sie im Hip-Hop, mit dem Bieler Beatboxer Nino G tauchte sie ein in diese Welt. Später war es Didier Awadi, ein Rap-Pionier in Senegal. «Er hat mich an die afrikanische Musikszene herangeführt», sagt sie. Und dort blieb sie bis heute.

 

Nicht ganz derselbe Rassismus

Sowohl im Senegal als auch in der Schweiz ist Diarra anders, eben halb. Halb schwarz, halb weiss. Dieses Anderssein nehme sie in der Schweiz jedoch deutlich stärker wahr. «In Afrika haben die Menschen verstanden, dass es Leute gibt, die ihre Wurzeln suchen», sagt sie. Dort sei man willkommen, von Anfang an. Die Sprüche kommen erst später. In der Schweiz hingegen komme man meist gar nicht so weit.

Die Musikbranche sei jedoch sowohl in der Schweiz als auch in Senegal eine Männerdomäne. Manche Perkussionsinstrumente dürften auch heute noch nur von Männern gespielt werden. Wegen der Tradition. Das seien Männerinstrumente. Aber dort bewege sich nun etwas, dank der neuen Generation. Frauen, die sich an ein Djembe setzen und andere Frauen begleiten. Sie kämpfen. «Feminismus und Gleichberechtigung wird immer sichtbarer», sagt sie. Und eben nicht nur in der Schweiz.

In ihren Texten wollen Diarra und Jim die Menschen ermutigen, aufzustehen, sich für Gleichberechtigung einzusetzen, dafür zu kämpfen, und etwas zu wagen, besonders die neue Generation. «Die Jungen sind schon mutig, mutiger als wir es waren. Aber wir wollen ihnen zeigen, dass wir hinter ihnen stehen», sagt Diarra.

Die Sängerin spielt seit Längerem mit dem Gedanken, nach Senegal zu ziehen. In ein paar Jahren schliessen ihre beiden Kinder die Schule ab. Das Label, bei dem Diarra unter Vertrag ist, befindet sich in Dakar. «Ich denke, ein Mensch sollte nicht ein Leben lang am selben Ort bleiben. Ein Mischling sowieso nicht.»

Sie lebte schon einmal im Senegal. Dort sei das Leben für sie einfacher, als Mutter und als Künstlerin. Man finde immer jemanden, der auf die Kinder aufpasse. «Da hilft das ganze Quartier mit.» Und das nicht etwa in einem Dorf, sondern in der Hauptstadt Dakar. Zudem werde der Musikerberuf dort mehr wertgeschätzt. Diarra ist sich bewusst, dass sie im Senegal weniger Geld zur Verfügung haben wird. Aber sie könne es mit Musik verdienen, anders als in der Schweiz, wo es ohne Nebenjobs nicht ginge.

In der Band Professor Wouassa würde sie trotzdem bleiben und immer wieder in die Schweiz zurückkommen. Zudem biete das der Band die Gelegenheit, eine Tour durch Afrika zu machen. Das schwirre ihnen ohnehin bereits seit einiger Zeit im Kopf herum. 

Aber nun steht erst einmal die neue Saison an, mit zahlreichen Auftritten, an grossen Festivals und auf kleinen Bühnen. Im letzten Jahr hat die Band zudem zwei Live-Sessions veröffentlicht. Draussen aufgenommen, an einem warmen Ort, mit warmem Licht und viel Grün. Der Grund war Corona. Die elf durften sich zeitweise nicht treffen. So verlegten sie alles nach draussen und fingen an, mit dem Visuellen zu spielen. Zwei weitere Songs sollen in diesem Jahr erscheinen, geschrieben seien sie bereits, sagt Diarra. Nun müssen die Videos noch draussen aufgenommen werden. Wo, will sie nicht verraten.

Info: Professor Wouassa, Samstag, 21 Uhr, «Le Singe», Untergasse 21, Biel. Weitere Infos und Tickets unter www.kartellculturel.ch

Stichwörter: Raus, Kultur, Afrobeat, Musik, Le Singe, Biel

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