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Führung

Welche Farbe soll es denn sein?

Am Sonntag ist der Europäische Tag des Denkmals. Gelegenheit also, auf oder hinter die Fassaden ausgewählter Baudenkmäler zu blicken. Die Angebote aus der Region geben sich dabei besonders bunt.

Die Bieler Altstadt: Weisse Häuser, ockergelbe Fensterrahmen. Bild: Aimé Ehi

Annelise Alder

«Das rote Biel»: So lautet das Motto der Führung, die im Rahmen der Europäischen Tage des Denkmals am Sonntag angeboten wird. «Rot» kann dabei auf verschiedene Arten ausgelegt werden. «Das ist durchaus gewollt», sagt Sandra Grossenbacher. Sie ist Architektin und Bauberaterin des Berner Heimatschutzes und wird zusammen mit der Farbgestalterin Barbara Schwärzler die Bedeutung von Farben an den Häuserfassaden der Bieler Altstadt und der Neustadt erläutern. «Die Farbigkeit einer Stadt hat auch mit ihrer gesellschaftlichen Entwicklung zu tun», sagt sie.

Weiss mit Ockergelb

Mit dem Aufkommen der Arbeiterschicht anfangs des 20. Jahrhunderts hielt auch eine neue Farbigkeit Einzug in die Städte. «Biel ist nur im übertragenen Sinne rot», sagt sie. Die Farbe Rot gehöre eher zu Basel, so wie grün-grau zu Bern und gelb zu Neuenburg. «Das hängt mit den Materialien zusammen, die ursprünglich beim Bau der Häuser verwendet wurden». Sie stammen meist aus der unmittelbaren Umgebung. In Basel und Bern wurde roter beziehungsweise grüner Sandstein verwendet, in Solothurn weisser Kalkstein. In Biel waren die Mauerwerke weiss verputzt.

Spaziert man heute durch die Bieler Altstadt, sind da und dort durchaus noch weisse Häuser mit den typisch ockergelben Fensterbänken und -rahmen zu sehen. Viele Fassaden haben aber unterschiedlich bunte Farben.

Das hat seinen Grund, wie Sandra Grossenbacher erklärt: «Die Bieler Altstadt war bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts farbig. Bunter wurden die Städte aber erst zu Beginn des darauffolgenden Jahrhunderts. Höhepunkt dieser Entwicklung bildet die Zwischenkriegszeit, wo farbige Fassaden auch bei Neubauten zu einem wichtigen architektonischen Gestaltungmittel wurden. Um ein Ausufern dieser neuen Buntheit in Schranken zu halten, haben die Behörden teilweise Regelwerke ausgearbeitet», sagt Sandra Grossenbacher. So wurde zum Beispiel in den Dreissigerjahren für die Neugestaltung der Fassaden der Bieler Altstadt ein Farbkonzept entworfen.

Anders als etwa für das Stedtli Büren gebe es in Biel keinen Farbenrichtplan, der präzise vorschreibe, wie Häuser gestrichen werden müssten, sagt Barbara Schwärzler. Sie ist Farbgestalterin und erarbeitet Konzepte für Architektinnen, Behörden und Privatkunden, wie Farben als Gestaltungsmittel eingesetzt werden können. «Bei der Farbwahl für eine Hausfassade müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden», sagt sie. Dabei gehe es um Fragen wie: Welche Bedeutung hat das Haus? Welche Farben haben die Häuser in unmittelbarer Umgebung? Wie soll die Architektur zur Geltung kommen? «Daraus entwickle ich ein Argumentarium zur Herleitung des Farbvorschlags», sagt die Farbgestalterin. «Damit kann ich begründen, weshalb ich bestimmte Farben vorschlage».

Sattes Blau

Das tönt logisch und harmonisch. In der Realität ist dies jedoch nicht immer der Fall. «Es kann auch zu Konflikten kommen», sagt Sandra Grossenbacher. Die Denkmalpflege möchte bei Restaurierungen von Baudenkmälern den farblichen Originalzustand wiederherstellen. Dem heutigen Ortskolorit liegen unter Umständen aber andere Farbkonzepte zugrunde. Da gilt es, die verschiedenen Interessen abzuwägen. «Das Einzelobjekt steht immer in einem Spannungsverhältnis zum Ortsbild», sagt die Bauberaterin auch mit Blick auf Restaurationen, die in jüngerer Zeit vorgenommen wurden. Sie denkt dabei an den Aarbergerhof oder an die Mehrfamilienhäuser an der Ecke Murtenstrasse/Mattenstrasse, deren Neuanstriche nach historischem Befund für Kritik gesorgt hatten. Auch das Jurahaus nimmt sich in seiner satt blauen Farbe in der Umgebung wie ein Solitär aus.

Im geführten Stadtspaziergang am Sonntag, der am Venner-Brunnen in der Altstadt beginnt und in die Juravorstadt führt, möchten die Farbgestalterin und die Bauberaterin die Komplexität der Thematik aufzeigen. «Wir wollen das Spannungsfeld aufzeigen, in dem sich die Farbgestaltung von Häuserfassaden bewegt und Interessierte so dafür sensibilisieren, dass sie sich ein eigenes Urteil bilden können».

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Tag des Denkmals - die Angebote in der Region

  • Samstag, 10 Uhr, Biel: Kon-
trollgebäude Biel - «Werkstatt» Farbanalyse. Präsentation durch Hans-Jürg Gerber, Restaurator HFG, Einführung durch Karin Zaugg. Dauer: 45 Minuten. Treffpunkt: Vor dem Haupteingang, Zentralstrasse 49.

Im 1901 erbauten Kontrollgebäude am Zentralplatz wurden im Treppenhaus vor kurzem Farbanalysen vorgenommen. Schichtenfenster dokumentieren eine äusserst üppige und vielfältige Innenausmalung.

  • Samstag, 14 Uhr, Büren, Rathaus, Hauptgasse 10: Der Farb-
richtplan von Peter Travaglini.

Stedtliführung durch Erich Sutter und Walter Rey, Präsident bzw. Mitglied der Fachinstanz Altstadt (Fias). Die Farbgestaltung der Häuserfassaden der Altstadtzone orientiert sich am «Farbrichtplan», der vom Bürener Maler, Plastiker und Graphiker Peter Travaglini entwickelt und etabliert wurde.

  • Sonntag, 11 und 13.30 Uhr, Biel: Das rote Biel – auf den Spuren städtischer Farbgebung. Führung durch Barbara Schwärzler, Farbgestalterin BSFA, und Sandra Grossenbacher, Architektin, Bauberaterin BHS. Dauer: ca. 1 Stunde 30 Minuten.

Treffpunkt: Ring, beim Venner-Brunnen in der Altstadt.

Der Stadtspaziergang führt von der Bieler Altstadt in Richtung Juravorstadt und thematisiert das farbliche Spannungsfeld zwischen inszenierten Einzelobjekten, stimmungsvollen Ensembles und denkmalpflegerischen Grundsätzen.

  • Sonntag, 10 – 17 Uhr, Ligerz, Oberer Festiweg 10: Farben & Fäden von Elsi Giauque.

Der Weiler Festi-Ligerz war ein Ort der Begegnung und Inspiration für die Künstler und Künstlerinnen rund um die Textilkünstlerin Elsi Giauque und ihr berühmtes Marionettentheater Festi-Ligerz. Das Programm umfasst eine Ausstellung zur Künstlerkolonie, Führungen, audiovisuelle Begegnungen, Workshops und einen Wettbewerb.

10.30 Uhr: Führung «In Dürrenmatts Fussstapfen» durch Madeleine Betschart.

14.30 Uhr: Führung «Festi-Ligerz aus kulturhistorischer Sicht» durch Ulrich Berger

Workshop «Druck» mit Fernanda Bergmann und Anna Spinnler, Workshop «Glasmosaik» mit Dominique Andry und Bruna Merazzi.

Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist frei. Weitere Angebote und Informationen sind unter www.nike-kulturerbe.ch unter dem Stichwort «hereinspaziert» zu finden. aa

 

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