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Automobilbranche

Wie aus Feintool ein neues Unternehmen wird

Die «neue» Feintool hat sich auf die Transformation in der Antriebstechnologie eingestellt und liefert nicht mehr nur in die Autoindustrie: CEO Knut Zimmer hat an der Bilanzkonferenz den Weg in die Zukunft des Konzerns skizziert.

Knut Zimmer, CEO von Feintool, weist in die Richtung hin zur Elektromobilität. copyright: keystone/a
Tobias Graden
 
«Der Automobilmarkt ist ein Wachstumsmarkt»: Das hält Knut Zimmer, CEO des Lysser Technologiekonzerns Feintool, an der gestrigen Bilanzkonferenz klar fest. Die Coronapandemie und die Knappheiten im Halbleitermarkt haben zuletzt zwar für Bremsspuren gesorgt (vgl. Zweittext), langfristig aber ist die Richtung klar: aufwärts. Werden heute noch weltweit 76 Millionen Fahrzeuge jährlich produziert, so sollen es gemäss eigenen Marktanalysen im Jahr 2030 rund 100 Millionen Stück sein. 
Der Markt wird dann aber ein anderer sein als noch vor kurzem, auch ein anderer als heute. Das Tempo der Veränderung ist zwar regional unterschiedlich, die Tendenz ist aber eindeutig. Das Wachstum kommt von den Elektrofahrzeugen und den Hybriden. Während reine Verbrenner im letzten Jahr noch 81 Prozent aller weltweit produzierten Fahrzeuge ausmachen und die E-Autos nur 5 Prozent, so werden erstere 2030 auf einen Anteil von 25 Prozent geschrumpft und letztere auf 30 Prozent gestiegen sein. Im gleichen Zeitraum steigt der Anteil der Hybridfahrzeuge von 14 auf 46 Prozent.
 
Grünes Licht der Behörden
«Angesichts der CO2-Regulatorien ist dieser Trend unumkehrbar», sagt Knut Zimmer. Für Feintool bedeutet dies: «Die Elektromobilität ist unser Wachstumsmarkt schechthin.» Das Lysser Unternehmen, das als Teilehersteller in allen drei grossen Regionen der Autoindustrie (Europa, USA, China) präsent ist und mit seinen Feinschneidpressen die Technologie dazu selber herstellt, hat sich darum auf den Weg dieser Transformation gemacht. Es hat diesen in erster Linie mit Zukäufen auf sich genommen: 2018 kaufte Feintool die Stanz- und Lasertechnik Jessen GmbH, und nun akquiriert Feintool das deutsche Unternehmen Kienle + Spiess mit Sitz in Sachsenheim bei Stuttgart, einem weiteren Standort in der Nähe und einem Werk in Tokod, Ungarn (vgl. BT vom 8- Dezember). Am Montag haben die zuständigen Wettbewerbsbehörden grünes Licht für die Übergabe gegeben, nun wird die Integration in Angriff genommen. Heute stellt sich Knut Zimmer an den deutschen Standorten vor, morgen wird er dies in Ungarn tun. 
Feintool lässt sich die Übernahme einiges kosten: Bald wird eine Kapitalerhöhung von 200 Millionen Franken durchgeführt, wobei der Hauptaktionär, die Artemis-Gruppe von Michael Pieper, seine vollen Bezugsrechte ausüben wird. Damit wird einerseits der Kauf refinanziert, anderseits sollen damit weitere Investitionen möglich sein. 
Kienle + Spiess ist kein kleiner Fisch: Die Firma hat 900 Mitarbeitende und erzielt einen Umsatz von 200 Millionen Franken. Doch warum ist die Übernahme für Feintool so wichtig? 
 
Neue Absatzmärkte
Es handle sich um eine «hochstrategische Akquisition», sagt Zimmer. Kurz gesagt: Feintool ist mit Kienle + Spiess zusammen viel besser positioniert in der gegenwärtigen Transformation der Antriebstechnologie des Automobilsektors – und als zweiter Effekt verringert Feintool die Abhängigkeit von diesem, weil Kienle + Spiess auch andere Märkte in der Industrie beliefert. Die Firma produziert auch Teile, die in industriellen Motoren, Windkraftwerken, Pumpen und Ventilatoren zum Einsatz kommen. Dieser Bereich macht bei Kienle + Spiess 52 Prozent des Umsatzes aus, der Automobilbereich 44 Prozent – darin aber nur in Anwendungen, die in den zukünftigen Antriebstechnologien zum Einsatz kommen. Hauptprodukte sind die Kernkomponenten von Elektromotoren:Rotoren und Statoren. 
Feintool dagegen liefert zu 90 Prozent Umsatzanteil in den Automarkt, davon noch zur Hauptsache in die Verbrennertechnologie, wovon allerdings ein Drittel des Umsatzes mit Produkten für hybride Fahrzeuge erzielt wird. Nach der Integration von Kienle + Spiess werden sich die Gewichte verschoben haben: Die «neue» Feintool erzielt 21 Prozent ihres Umsatzes von neu knapp 800 Millionen Franken in der Industrie, 45 Prozent im herkömmlichen Automobilmarkt (wovon ein Drittel mit Hybriden) und 35 Prozent im Markt für E-Autos. 
Innert weniger Jahre hat sich der Lysser Konzern damit neu ausgerichtet, wie die Zusammenfassung zeigt. Zimmer unterscheidet dabei zwischen «zukunftsorientiertem Umsatz» und jenem, der mit Teilen für den reinen Verbrennermotor erzielt wird. Letzterer hat 2017 noch 70 Prozent ausgemacht und im letzten Jahr 65. Die «neue» Feintool dagegen erzielt mehr als die Hälfte des Umsatzes im «zukunftsorientierten» Bereich. 
 
Nachhaltiger produzieren
Diese Transformation findet ihren Ausdruck auch in der Feintool selber. Das Unternehmen hat konkrete Ziele formuliert, die ihm zu mehr Nachhaltigkeit verhelfen und seinen CO2-Fussabdruck verringern sollen. So sollen die CO2-Emissionen in der Produktion bis 2030 um die Hälfte sinken, in weiteren Bereichen – etwa beim Bezug des Stahls – werden bis 2023 Daten erhoben, um das Reduktionspotenzial zu eruieren. Der Anteil der Verkäufe für potenziell CO2-neutrale Anwendungen – also beispielsweise für Elektrofahrzeuge – soll bis 2030 auf 70 Prozent aller Verkäufe steigen. Weiter vorgesehen sind die entsprechenden Zertfizierungen in den Bereichen Umwelt, Personalwesen und Arbeitssicherheit. 
Zum Erreichen dieser Ziele seien alle Werke weltweit eingebunden, so Feintool-CEO Knut Zimmer. Er ergänzt: «Und wenn wir uns was vornehmen, dann erreichen wir das auch.»
 

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