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«Wie Sie sehen, läuft es bestens»

Heute tritt in der Lysser Kulturfabrik der Gitarrenvirtuose Steve Vai auf. Der vierfache Grammy-Award Gewinner beschäftigt sich neben seiner Kunst auch mit philosophischen Fragen.

Spielt das Unspielbare: Steve Vai (53 Jahre) tourte mit Frank Zappa, heute ist er in der Kufa Lyss. Bild: zvg

Interview: Pascal Vuille/pl

Steve Vai, wie ist Ihre Europatournee bisher verlaufen?
Steve Vai: Diese Tournee umfasst 34 Konzerte. Letztes Jahr bin ich 97 Mal aufgetreten, und in naher Zukunft sind weitere 140 Konzerte gebucht. Wie Sie sehen, läuft alles bestens. Überall werde ich herzlich empfangen. Tatsächlich war ich in den letzten 10 bis 15 Jahren nicht mehr so oft auf Tournee, weil meine Kinder, die in dieser Zeit zur Schule gingen, mich zu Hause brauchten. Nun aber entdecke ich die Faszination der Bühne aufs Neue, und das bereitet mir grosse Freude.

Ihr neuestes Album heisst «The Story of Light». Enthält dieses konzeptuelle Werk eine Botschaft an Ihr Publikum?
Ich schätze an der konzeptionellen Kunst, dass sie den Menschen die Wahl überlässt, auf welche Weise sie sich ein Werk zu eigen machen möchten. So käme auch eine Botschaft, die aus meiner Sicht klar erschiene, bei anderen Personen sehr unterschiedlich an. Ich glaube, dass ich mein Ziel immer dann erreiche, wenn es mir gelingt, einigen Menschen mit meiner Musik etwas Mut zu machen und wenn ich ihnen dabei helfe, die Sorgen des Alltags für ein paar Augenblicke zu vergessen.

Sie sagen von sich, Sie seien ein Suchender auf dem Weg zur Wahrheit. Haben Sie Antworten auf Ihre Fragen gefunden?
Je länger ich mich mit solchen Fragen beschäftige, desto mehr erkenne ich, dass alles einem steten Wandel unterworfen ist. Ich muss mich damit abfinden, dass meine Wahrnehmung der Wirklichkeit nicht zwangsläufig von anderen Menschen geteilt wird. Ebenso stösst die Suche nach der letzten Wahrheit nicht nur bei mir, sondern bei jedem Individuum an ihre Grenzen. Was der Einzelne nämlich als Wahrheit empfindet, ist ein persönlich gefärbtes Patchwork von Glaubenssätzen, die sich im Laufe seiner einzigartigen Lebenserfahrung herausgebildet haben. So betrachtet ist Lebensgefühl reines Bewusstsein, das aus der Summe unserer Wahrnehmungen schöpft; die Wahrheit hingegen steht ausserhalb dieser verstandesmässigen Prozesse. Diese Erkenntnis erlebte ich als wundervollen Aufbruch im Leben.

Sie haben einmal erklärt, dass Sie mit Musik und persönlichem Einsatz zu einer besseren Welt beitragen möchten. Gilt das noch?
Ich glaube, wer die Welt zum Besseren verändern möchte, muss bei sich selbst anfangen. Die Fähigkeit zur Anteilnahme am Schicksal anderer steht im Mittelpunkt. Ein solcher Entwicklungsprozess verändert alle unsere Beziehungen und öffnet einen neuen Blick auf die Dinge des Lebens. Weder die Kunst noch die Musik oder gar die Politik sind imstande, aus sich heraus solche Veränderungen zu bewirken.

Sie führen eine langjährige Ehe. Gibt es ein Geheimnis für den Bestand dieser Partnerschaft?
Wir sind tatsächlich seit 35 Jahren zusammen. Dabei gelten für beide Partner bestimmte Werte, die wir pflegen: Toleranz, Bereitschaft, den anderen so anzunehmen, wie er ist, einander Mut zusprechen und Trost spenden, die freie Meinungsäusserung zulassen. Trotzdem gewähren wir uns gegenseitig ein hohes Mass an Freiheit. Diese Haltung verlangt, dass beide Partner an sich selbst arbeiten. Jeder gilt dabei sozusagen als Spiegel für den anderen. Keiner von uns beiden macht sein eigenes Glück vom Partner abhängig. Ebenso wenig darf man darauf bauen, dass sich der andere verändert. Diese Erwartungen führen fast zwangsläufig zu Misserfolg und Leid.

Gibt es einen Künstler, der Sie besonders beeindruckt hat?
Das Schaffen anderer zu analysieren und kritisch zu beurteilen ist mir nicht fremd. Trotzdem beschäftigt mich das nur ganz am Rande. Viel lieber gebe ich meiner unmittelbaren Freude Raum, wenn ich einen Künstler auf der Bühne beobachte. Mich bewegt vor allem, wenn jemand seine Grenzen überwindet, denn das versuche ich ja selbst immer wieder.

Info: Steve Vai ist mit seiner «The Story of Ligth Tour» heute in der Kufa in Lyss zu Gast, 20 Uhr (Türöffnung 19:00 Uhr). www.kufa.ch

 

Zur Person
Steve Vai wurde 1960 in New York geboren. 1974 entdeckte er Led Zeppelin und nahm daraufhin während drei Jahren Gitarrenunterricht bei Joe Satriani. 1979 erlangte er das Diplom am Bostoner Berklee College of Music. Nachdem er durch seine Transkriptionen komplexer Partituren von Frank Zappa aufgefallen war, trat er in dessen Band ein. Zwischen 1983 und 2013 veröffentlichte Steve Vai neun Solo-Alben, die 15 Millionen Mal verkauft wurden und dem Künstler zwei Grammy-Awards einbrachten. Der Musiker ist seit 1988 mit der ehemaligen Bassistin von Vixen, Pia Maiocco, verheiratet. Das Paar hat zwei Söhne.

Gemeinsam mit dem Hersteller Ibanez entwickelte Vai 1990 eine Gitarre mit sieben Saiten. Zwischen 1997 und 2005 nahm der Gitarrenvirtuose an drei Ausgaben der G3-Tournee teil (mit Joe Satriani, Eric Johnson, John Petrucci, Yngwie Malmsteen und Steve Morse).
2000 wurde Steve Vai die Ehrendoktorwürde in Musikwissenschaften des Berklee College of Music verliehen.    pv/pl

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