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Kulturleben

Zurück zu Streaming und ... Shopping?

Abgesagt, verschoben, geschlossen: Die Agenda der Region ist praktisch inexistent. Und diejenigen, welche legal offen sein könnten, verzichten nicht selten von sich aus auf ihr Programm. Ein Überblick über Inseln im Lockdown-Ozean.

Bild: bt/a

Clara Gauthey

Die Kurzfilmtage Winterthur finden dieses Jahr bis am 15. November online statt und gratis, Streamings statt Leinwanderlebnis muss auch die Cinevital AG im Kanton Bern anbieten. Im Angebot sind unter anderem 99 Filme pro Jahr für 9 Franken pro Monat. Edna Epelbaum von der Cinevital sagte im BT, Kinos sollten nicht die ersten, sondern die letzten Orte der Begegnung sein, die geschlossen würden. Zumal es in den Sälen bislang zu keiner Ansteckung gekommen sei und das Schutzkonzept nachweislich funktioniere.

Die Kufa Lyss sagt indes schon einmal präventiv das Konzert von Puts Marie am 12. Dezember ab. Via Ticketanbieter werden bereits gekaufte Karten für abgesagte Veranstaltungen rückerstattet. Das Kulturjahr scheint gelaufen zu sein.

 

Galerien empfangen Besuch

In der Alte Krone ging Ende Oktober die Ausstellung von Primo Richards zu Ende. Noch an zwei Wochenenden, bis am 15. November, kann man hingegen die Ausstellung «Sinnlich» in der Galerie Mayhaus in Erlach besuchen, ebenfalls offen ist die Galerie mnArt am Beundenring 43 in Nidau. Per Doodle-Eintrag wird dort verhindert, dass mehr als zehn Personen zugleich hineinkommen. Fotos von Olaf Veit und Gemälde von Marcel Neuenschwander ergeben «Foto-morphosen» und sind noch bis am Sonntag, 14 bis 18 Uhr, zu sehen.

Hin- und hergerissen zeigt sich Martin Jegge von der Gewölbegalerie. Zur Ausstellung, die am 20. November starten soll, gibt es keine Vernissage, auch Einladungen hat er nicht verschickt. «Wir wollen, jetzt wo Museen und Theater zu sind, nicht provozieren.» Zeigen will man die Skulpturen und Bilder des Bürener Künstlers tonyl allerdings, soweit es behördlich zugelassen ist. Ebenfalls geöffnet bis am 14. November hat die Galerie am Marktplatz in Büren mit «Impression-Expression» von Jean-Robert Schafftner.

 

«Meidet Kultur, geht shoppen!»

Ansonsten wird vor allem abgesagt, auch dort, wo eine Ausstellung potenziell unter Auflagen möglich gewesen wäre: Galeristin Noëmie Sandmeier von der Galerie Art-Etage findet, es sei einfach kein gutes Gefühl, jetzt eine Ausstellung zu eröffnen und dann Polizist spielen zu müssen in engen Durchgangspassagen. «Es ist wenig lustvoll und die Sicherheit geht ohnehin vor. Es wird um Distanz gebeten, also machen wir Distanz, auch wenn es mir für die Künstlerinnen sehr leidtut.»

Entsprechend wird das Programm vom 13. November, das Florance Plojoux, Christiane Lenz und Anna Neurohr vereint hätte, abgesagt. Zumal Letztere aktuell in einem Atelier in Graubünden weilt, und nicht hätte anreisen können, um an der Vernissage anwesend zu sein.

Immerhin sei die Ausstellung von Adrian Streun dieses Jahr ein Erfolg auf allen Ebenen gewesen. «Jetzt warten wir einfach auf bessere Zeiten.» Auch die Nidau Gallery verschiebt ihre Ausstellung von Naturfotografien aus Finnland auf unbestimmte Zeit, ebenfalls abgesagt ist die für den 22. November geplante Ausstellung in der Voirie oder die Ausstellung zu «Sterben und Tod» in der Kulturmühle Lyss. Und Chri Frautschi empfiehlt nicht ohne Zynismus: «Avoid culture, go shopping» – «Vermeidet Kultur, geht shoppen» und schliesst sein Lokal.int.

 

Keinen «Verhältnisblödsinn»

Auch das «Le Singe» macht unfreiwilligen Urlaub: Mitte November hätte uns Sarah Hakenberg mit ihrem Programm «Dann kam lange nichts mehr» über die ostwestfälische Provinz schmunzeln lassen sollen.

Aber nomen est omen, da kommt nun wohl lange nichts mehr. Ebenso wie im Literaturcafé, dem Nebia und Nebia Poche oder der Kulturfabrik Lyss oder dem Kulturkreuz Nidau. Anna-Barbara Rothen vom Theater und Orchester Biel Solothurn (Tobs) betont: «Wir wehren uns nicht gegen die pandemiebedingten Verordnungen, versuchen das Beste daraus zu machen und wollen, dass die Bevölkerung gesund bleibt.» Allerdings wurde auch bei Tobs bislang kein einziger Infektionsfall im Publikum bekannt.

Für die laufende Woche gebe es einzelne Veranstaltungen von Max Merkers «All you can be!», natürlich nur in Solothurn und nur für jeweils 30 Zuschauerinnen und Zuschauer. Die Opernaufführung «Casanova in der Schweiz» mit über 50 Beteiligten aufzuführen für 30 Leute im Saal sei allerdings «Verhältnisblödsinn». Und die Handvoll Theatervorstellungen, die es noch gebe, werden ohnehin unter den bereits bestellten Karteninhabern vergeben, bevorzugt an die 2273 Abonnenten von Tobs.

Parallel befindet sich das Theater in den Endproben zu «Romeo und Julia», das im Frühjahr nach drei Vorstellungen abgebrochen werden musste. Das Stück werde wie geplant für den 20. November «bühnenreif» gemacht, wie es weitergehe, stehe in den Sternen. Möglicherweise werde man den Zuschauerinnen bald eine Videoaufzeichnung der Oper «Casanova in der Schweiz» (Besprechung im BT vom Montag) zur Verfügung stellen können.

 

«Wir sind fassungslos»

Charlotte Huldi vom Theater La Grenouille lud am Sonntag zu einer Zoom-Konferenz mit Schauspielern und virtuellem Publikum, um den Kontakt und den Austausch nicht ganz abbrechen zu lassen. Einzelne Stücke dürfen aktuell in Liechtenstein und Basel als Gastspiele gespielt werden, während im Kanton Bern bis mindestens am 24. November nichts geht. «Wir sind fassungslos, wie man mit der Kultur umgeht, während die Einkaufsmeilen voll sind.» Mit einer 50er-Grenze könne man leben, das sei eine Perspektive.

Vorerst wartet die Szene aber auf Hilfsmassnahmen, welche diesmal schnell greifen müssten.

Info: Weil die Kultur im Kanton Bern zum Vergessen ist, starten wir in den nächsten Tagen eine Mini-Serie zum «Vergessen».

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