Sie sind hier

Abo

Erlach

Zusammen Neuland entdecken – und sich überraschen lassen

In der aktuellen Ausstellung in der Galerie Mayhaus zeigen Lis Blunier und Anastasia A. Wolf mit ihren neuen Arbeiten, dass Unterschiedliches sehr wohl zusammen funktionieren kann.

  • 1/3
  • 2/3
  • 3/3
zurück

Simone K.Rohner
Es scheint, als wäre es gewollt – ein kultureller Austausch als Ausstellungskonzept. Zwei Künstlerinnen machen gemeinsame Sache, stellen gemeinsam aus – und sind doch so unterschiedlich. Die eine – Anastasia A. Wolf, Deutsche aber schon lange in Biel lebend. Die andere – Lis Blunier, Bernerin, die aber lange weg war – und zwar in Berlin. Seit einem Jahr lebt sie nun in Biel. Wer ist jetzt hier mehr in Biel zuhause? Diese Frage geht einem immer mal wieder durch den Kopf, wenn man durch die aktuelle Ausstellung «Known and Unknown» der beiden Künstlerinnen in der Galerie Mayhaus geht. Es ist, Corona-bedingt, die zweite Ausstellung im Residence-Modell. Das heisst: Die Galeristen halten sich raus, lassen machen, stellen die ganze Infrastruktur des Hauses zur Verfügung. Im Gegenzug bezahlen die Kunstschaffenden aber für die Räume. Dafür gehen die Verkäufe zu 100 Prozent an die Kunstschaffenden. Beide Künstlerinnen begrüssen dieses Konzept und die damit verbunden Freiheiten.

Greifvögel und Gras
Die Kunst von Blunier und Wolf könnte unterschiedlicher nicht sein. Und trotzdem tun sich einem Schnittpunkte auf, wenn man solche denn sucht. Beide begehen mit der Ausstellung unbekanntes Terrain. Anastasia A. Wolf arbeitet erstmals dreidimensional. Ihrer technisch bestechenden Malerei – im grossen wie im kleinen Format ausgestellt – stellt sie Gipsskulpturen gegenüber. Beizvögel mit der typischen Haube über dem Kopf, stehen wartend im kleinen Raum, in der Kapelle. Es ist das menschliche Dominanzverhalten, worauf Wolf hier anspielen will. Und das löst Unbehagen bei der Betrachtung aus, denn die Vögel sind nicht die einzigen mit der sichtraubenden Haube – gleich im ersten Raum steht, dieselbe Kopfbedeckung tragend, ein menschlicher Kopf. Wie auch in ihrer Malerei spielt der Mensch eine zentrale Rolle. Ähnlich intensiv, wie sich Wolf mit dem Menschlichen beschäftigt, tut Blunier dies mit der Natur ihrer Heimat. Wenn auch auf eine ganz andere, subtilere und reduziertere Weise. Dafür kommt sie der Natur auch physisch sehr nahe. Wie beispielsweise dem Gras, das in der Ausstellung in verschiedenen Formen zu sehen ist. Lis Blunier zeigt Naturdrucke und Fotografien. Sind die «Gräser» in den feinen Drucken noch relativ gut erkennbar, in den Fotografien erkennt man sie kaum noch als solche.

Das Herzstück unterm Dach
Die Tatsache, dass es möglich ist, den Dachstock des Hauses zu bespielen, stellt wohl die grösste Bereicherung der Galerie dar – und kommt den beiden Künstlerinnen zu gute. Dort befindet sich das Herzstück der Ausstellung. Drei grossformatige Drucke von Blunier (Bild oben) bekommen dort den nötigen Platz, um ihre Kraft zu entfalten. Wirken sie von Weitem wie filigrane Zeichnungen, offenbaren sie ihr wahres Antlitz bei näherem Betrachten: eine Wiese. Und nicht irgendeine, sondern die Wiese aus Bluniers Kindheit. Das Bienenwachs, das Blunier verwendet, gibt den Arbeiten eine Struktur, die sich je nach Blickwinkel verändert und so mit dem Lichteinfall, der sich im Raum ergibt, spielt.
Anastasia A. Wolf zeigt im Dachstock mit ihrer langen Tafel, dass sich ihre Beschäftigung mit Objekten lohnt. Der lange Tisch, gedeckt für zwei und bestückt mit übergrossen, weissen Objekten, unter anderem einem Schwan, einem Granatapfel – eine kulturgeschichtlich symbolträchtige Frucht – wirkt gleichermassen beklemmend wie verspielt. Denn ebenso findet sich ein beinahe lächerlich wirkender Schosshund darauf und eine Seifenblasenmaschine läuft auf Hochtouren.
Als wären drei Stockwerke voll mit Objekten und Bildern nicht genug, wollten sich die Künstlerinnen noch mehr überraschen lassen und überraschen – ganz im Sinne des Ausstellungstitels. So haben sie mehr als 30 weitere Kunstschaffende eingeladen mitzutun. Im Eingangsbereich der Galerie hängen verspielt durcheinander die Werke der Gäste. Man trifft dort auf bekanntere Namen der Region sowie auch auf Kunstschaffende aus Berlin oder Köln.

Info: «Known and Unknown» bis 2. August, jeweils Freitag bis Sonntag. www.galerie-mayhaus.ch

Nachrichten zu Kultur »