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Riskanter Medikamentenkrieg

Fast ein Drittel der Apotheken erzielen zu wenig Gewinn, um rentabel zu sein. Apotheker aus der Region fürchten um die Zukunft ihres Berufsstandes und kritisieren unter anderem die Ärzteschaft.

Laut einer von Pharmasuisse in Auftrag gegebenen Studie erzielen 30 Prozent der Apotheker nicht mehr genügend Gewinn. Bild: Keystone

Mélanie Brenzikofer/rw

Online-Apotheken mit ihrem Postversand und die Ärzte, die selber Medikamente abgeben, sind eine grosse Konkurrenz für traditionelle Apotheken. Die Apotheker sind nicht mehr die Einzigen, die Medikamente verkaufen. Sie fürchten deshalb um ihren Berufsstand. Ein Überblick.

Zahlreiche Preissenkungen Wie eine von Pharmasuisse in Auftrag gegebene Studie des Konjunkturforschungszentrums der ETH Zürich zeigt, erzielen über 30 Prozent der Apotheken, die sich an der Umfrage beteiligten, nicht mehr genügend Gewinn, um rentabel zu sein. Bedingt ist dies durch die zahlreichen Preissenkungen bei den Medikamenten, die das BAG seit mehreren Jahren veranlasst. Möglich wurden sie dank der Marktliberalisierung. Weitere Faktoren sind die Ärzte, die selber Medikamente abgeben, und Versandapotheken wie «Mediservice» oder «Zur Rose».

Der Ärzte-Apotheke «Zur Rose» wirft Pharmasuisse vor, eine «aggressive Geschäftspolitik» zu betreiben. «Diese OnlineApotheken nehmen den gewöhnlichen Apotheken ihre Kundschaft weg und gaukeln den Krankenkassen übertriebene Rabatte vor. Auch die Ärzte locken sie mit Rabatten», erklärt der Bieler Apotheker Yves Boillat entrüstet.

Der Online-Medikamentenverkauf ist in der Schweiz unter gewissen Bedingungen zulässig. Unter anderem wird ein Arztrezept verlangt. Für ihren Verkauf sind die Online-Apotheken somit auf die Hilfe der Ärzteschaft angewiesen, die wiederum für jedes ausgestellte Rezept eine Entschädigung erhält. «Man muss sich wirklich fragen, ob die Ärzte auf ein solches Zusatzeinkommen angewiesen sind, um über die Runden zu kommen», stellt Yves Boillat fest. Seiner Ansicht nach wäre es für das Wohl der Patienten von Vorteil, wenn beide Berufsstände konstruktiv zusammenarbeiten würden. Sie sollten keine Konkurrenten darstellen, sondern sich gegenseitig ergänzen. «Jedem sein Beruf, jedem seine Rolle. Der Apotheker verzichtet auf Diagnosen und der Arzt verkauft keine Medikamente», lautet die Devise des Apothekers.

Auswirkungen für Patienten Auch Daniel Salzmann, Apotheker in Malleray, bedauert die Auswirkungen, die mit dem Medikamentenverkauf durch OnlineApotheken verbunden sind. «Mit diesem System ist die Patientenbetreuung nicht gewährleistet. Somit lässt sich nicht feststellen, wie viele Leute ihre Medikamente auch tatsächlich einnehmen.» Daniel Salzmann weist auch auf die wichtige Rolle des Apothekers hin, der für die Unterstützung und Betreuung chronisch Kranker zuständig ist. Zudem betont er, alle regionalen Apotheken würden ebenfalls einen GratisLieferdienst gewährleisten.

Nebst dem Online-Verkauf gibt es auch die Fälle, in denen ein Arzt seinen Patientinnen und Patienten die Medikamente direkt abgibt. Laut dem kantonalen Gesetz ist ein solches Vorgehen nur unter gewissen Bedingungen erlaubt. Dies gilt insbesondere in Notfällen, wenn die Apotheken nicht geöffnet sind.

Von der Schliessung bedroht Auch Hugo Figueiredo, Apotheker in Neuenstadt und St-Imier, stellt ein solches Vorgehen der Ärzteschaft in Frage. Das Problem habe ein solches Ausmass erreicht, dass eine seiner Apotheken von einer Schliessung bedroht sein könnte. «Es stellt sich sogar die Frage, ob in Neuenstadt überhaupt eine Apotheke bestehen kann. Die im Dorf angesiedelten Ärzte haben den direkten Medikamentenverkauf stark ausgebaut. Da sie zu wenig mit uns zusammenarbeiteten, schafften wir als Erstes den Bereitschaftsdienst ab.»

Mehrere tausend Rezepte würden nicht mehr verschrieben. Nebst den finanziellen Auswirkungen könne das auch zur Folge haben, dass die Stellen in diesem Bereich bedroht seien. Solche Vorgehensweisen würden die Apotheken daran hindern, ihren Auftrag als Gesundheitsfachleute zu erfüllen. «Wie wollen wir die notwendige Sicherheit gewährleisten, wenn wir nicht einmal wissen, welche Medikamente die Ärzte ihren Patientinnen und Patienten abgeben? Wer übernimmt die Verantwortung, wenn trotz aller Vorsichtsmassnahmen Fehler passieren?», fragt sich Figueiredo.

Zeit in Rechnung stellen Sollte sich die Lage noch mehr verschlechtern, müssten viele Leute einen hohen Preis zahlen. Betroffen wären nicht nur die Fachleute. Auf dem Spiel stünden auch Gratisleistungen, die gegenüber der Kundschaft erbracht werden. «Wenn wir unser Brot nicht mehr mit dem Medikamentenverkauf verdienen können, werden wir möglicherweise gezwungen sein, die für die Kundschaft aufgewendete Zeit in Rechnung zu stellen. Bei den Ärzten ist dies mit Tarmed bereits der Fall», sagt Yves Boillat.

 

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