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Lengnau

Autos bereiten Sorge

Die Planungen für den Bau einer neuen Fabrik des Biopharma-Konzern CSL Behring stossen auf wenig Widerstand. Kritik gibt es vorderhand am möglichen Verkehrsaufkommen.

Die Pharma-Fabrik von CSL Behring soll am Rande der Lengnauer Industriezone, zwischen Autobahn und Leugene, gebaut werden. c:BT/Carole Lauener

Fabian Maienfisch

Die Ansiedlung von CSL Behring in Lengnau ist von nationaler Bedeutung: Es ist das grösste industrielle Ansiedlungsprojekt im Kanton Bern überhaupt und eines der grössten der letzten Jahre in der Schweiz. Kein Wunder, hoffen nicht nur die Manager des australischen Biopharma-Konzerns auf einen reibungslosen Ablauf der Vorbereitungsarbeiten – auch Bund, Kanton und Gemeinde liegt viel an einem zügigen Voranschreiten der Planung.
Gestern ist die Mitwirkungsfrist zur kantonalen Überbauungsordnung für die geplante Produktionsstätte der Firma abgelaufen, am Donnerstag informiert der Kanton in Lengnau über die Ergebnisse.
Elf Parteien haben Fragen und Kritik zum Projekt geäussert: Sechs Privatpersonen, der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS), Pro Natura, die BKW und die Gemeinde Pieterlen haben Eingaben gemacht. Diese würden geprüft und, wo möglich, in das Projekt aufgenommen, um so Einsprachen zuvorzukommen, wie Arthur Stierli, Vorsteher des kantonalen Amts für Gemeinden und Raumordnung, sagt. Wenn der Plan des Kantons aufgeht, kann bereits im Frühjahr 2015 die Baubewilligung erteilt werden.

«Inhaltlich nicht problematisch»
Er hätte eigentlich mit mehr privaten Eingaben gerechnet, sagt Arthur Stierli. Die kleine Anzahl deute darauf hin, dass das Projekt auf Akzeptanz stosse. Lengnaus Gemeindepräsident Max Wolf (parteilos) sieht das ähnlich: «Für ein so grosses Vorhaben sind das eher wenig Eingaben.» Denn man müsse sich bewusst sein, dass die geplanten Gebäude das Ortsbild von Lengnau verändern werden – was gemäss den Eingaben bei einem Teil der Bevölkerung tatsächlich einiges Unbehagen auslöst.
Er ist aber froh, dass die meisten der elf Eingaben «inhaltlich nicht problematisch» seien, sagt Wolf weiter. Die Mehrzahl kämen von Privatpersonen aus dem Dorf, die persönliche Interessen eingebracht hätten. Mit ihnen werde der Kanton noch einige Diskussionen führen müssen.
Weiter wird etwa die Befürchtung geäussert, dass die Fabrik zu nahe am Dorfbach Leugene gebaut werden könnte. Dazu Wolf: «Der Mindestabstand von sieben Metern wird in jedem Fall eingehalten, das macht uns keine Probleme.»

Verkehr bereitet Sorgen
Schliesslich geht es bei den Eingaben noch um die Verkehrssituation. Wenn die Fabrik erst einmal in Betrieb ist, wird mit einem zusätzlichen Verkehrsaufkommen von 200 000 Autofahrten pro Jahr gerechnet. «Das macht uns Sorgen», sagt Brigitte Sidler (parteilos), Gemeindepräsidentin von Pieterlen.  Im Dorf ist man überzeugt, dass Angestellte von CSL Behring künftig unter anderem auch in Pieterlen wohnen werden. Daher wünscht man sich, dass der ÖV ausgebaut wird. Insbesondere brauche es eine Busverbindung von Pieterlen nach Lengnau, ist Sidler überzeugt. Diverse Anträge sind beim Kanton immer gescheitert, da beide Dörfer durch die Eisenbahn verbunden sind (das BT berichtete mehrmals). Diesen Punkt werde man weiterhin genau beobachten, man wolle sich aktiv in die Diskussionen einschalten, sagt die Gemeindepräsidentin.
Bereits im September meldete sich der VCS Biel zu Wort. Grundsätzlich begrüsst man dort die kantonale Überbauungsordnung, denn es handle sich um ein «wirtschaftlich bedeutendes Projekt», teilte der VCS Biel mit. Mit einem «intelligenten Mobilitätskonzept» könne aber sicherlich mehr als die Hälfte der vorgesehenen 200 000 Autofahrten pro Jahr eingespart werden, erhofft man sich. Konkret fordert der VCS genügend gedeckte Veloabstellplätze, keine Gratisautoparkplätze, Sammeltransporte und allenfalls eine Bushaltestelle in der Nähe der Überbauung.

Es soll rasch gehen
Bei CSL Behring will man noch keine Stellung zu den diversen Eingaben nehmen. Es wird auf den kommenden Donnerstag verwiesen. Über die Ergebnisse der Mitwirkung und das weitere Vorgehen wird dann der Kanton gemeinsam mit der Gemeinde Lengnau und der CSL Behring informieren. Die Veranstaltung findet ab 19 Uhr in der Aula des Schulhauses Dorf statt und ist öffentlich.
Arthur Stierli verspricht, dass man proaktiv auf die Bevölkerung zugehen und möglichst detailliert informieren wolle. «Alle haben ein Interesse daran, dass die Planungen rasch abgeschlossen werden», sagt er. Geht es nach dem Kanton, der in der Causa Behring federführend ist, dann soll die überarbeitete kantonale Überbauungsordnung mit dem Baugesuch schon im Januar 2015 aufliegen. Wenn es keine Einsprachen gibt, kann der Berner Regierungsrat anschliessend im Frühjahr die Überbauungsordnung genehmigen.

Grosskonzern mit Ambitionen
Im Dezember 2011 machte der Biopharma-Konzern CSL Behring bekannt, dass er einen neuen Standort für eine Fabrik sucht. Weltweit sichtete er 45 Gemeinden, darunter auch Lengnau. Von August 2013 bis Mai 2014 besichtigten australische Delegationen noch fünf Standorte. Sie besuchten auch den Kanton Bern und trafen sich mit dem Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements, Bundesrat Johann Schneider-Ammann (FDP). Am 13. Mai, nach intensiver Prüfung, entschied sich der Verwaltungsrat der CSL Ltd. für Lengnau, letzter Gegner der Schweizer war Singapur gewesen. Geplant ist die grösste industrielle Ansiedlung im Kanton Bern seit jeher: Investitionen von mehreren Hundert Millionen Dollar und mindestens 300 Arbeitsplätze. Kritik indes wurde immer wieder wegen möglicher Steuererleichterungen laut. In diesem Punkt halten sich die Behörden aber bedeckt. Die Produkte, die in Lengnau hergestellt werden sollen, erfordern ein komplett neues Produktionsverfahren. In einigen Jahren sollen Medikamente für Bluter produziert werden. Diese werden nicht wie üblich aus Blutplasma hergestellt, sondern mittels gentechnischer Methoden. Die Markteinführung für die verschiedenen Medikamente ist zwischen 2016 und 2018 vorgesehen. Bis die Grossanlage in Lengnau bereit ist, kommen die Präparate aus der Kleinproduktionsanlage in Australien. Diese reicht vorerst noch aus. Weltweit ist der Konzern auf Expansionskurs und macht mittlerweile fünf Milliarden Franken Umsatz.

Stichwörter: CSL Behring, Lengnau, Pharma

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Demokrat

„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werden die Lengnauer feststellen, dass man Geld nicht essen kann.‘‘ Weisheit der Cree-Indianer!


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