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Pieterlen

Ihr Zuhause ist drastisch geschrumpft

Thomas und Susanne Hoffmann haben ihr Haus in Pieterlen verkauft und im ehemaligen Garten ein neues kleines Zuhause gebaut. Es besteht aus unbehandeltem Fichtenholz und ist einem Schopf nachempfunden.

  • 1/5 Thomas Hoffmann und seine Frau werden künftig auf rund 60 Quadratmetern wohnen. Bilder: Matthias Käser
  • 2/5 Thomas Hoffmann und seine Frau werden künftig auf rund 60 Quadratmetern wohnen. Bilder: Matthias Käser
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  • 5/5 Thomas Hoffmann und seine Frau werden künftig auf rund 60 Quadratmetern wohnen. Bilder: Matthias Käser
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  • Dossier
Sarah Grandjean
 
Das kleine Haus steht auf einem gepflasterten Platz unterhalb der Alten Landstrasse in Pieterlen. Davor ist eine ungewöhnliche Baustellentafel aufgestellt: Mit gelbem Klebeband sind die Logos der am Bau beteiligten Firmen befestigt, ausserdem eine Zeichnung, die zwei Kinder und eine Holzhütte zeigt. Daneben steht geschrieben: «Hier entsteht ein ‹Wastl›. Bauherrschaft: Gromi und Gropi». «Gropi», so nennt sich Thomas Hoffmann, und er hat merklich Freude am Wort «Wastl». Dieses stammt aus dem Kinderbuch «Der Xaver und der Wastl» von Heidrun Petrides. Die Geschichte handelt von zwei Kindern, die in einem Hochhaus wohnen. Das eine sieht von der Dachwohnung aus nur Himmel, das andere von der Kellerwohnung aus nur Beine. Gemeinsam richten sich die beiden in einer alten Baubaracke ein gemütliches Zuhause ein. Sich selbst ein Haus bauen, das sei doch der Traum jedes Kindes, sagt Hoffmann. Er und seine Frau Susanne Hoffmann haben sich diesen Traum mit 70 Jahren erfüllt: Im September werden sie in ihr 60 Quadratmeter kleines «Wastl» ziehen.
 
Früher haben die beiden mit ihren zwei Kindern im Bauernhaus mit grossem Garten auf der anderen Strassenseite gewohnt. 1994 haben sie dieses zusammen mit einer befreundeten Familie gekauft, erzählt Hoffmann. Das Haus war heruntergekommen und musste renoviert werden. Sie haben Tapeten herausgerissen, Farbe von den Decken geschliffen und aus den ehemals drei Wohnungen zwei gemacht. Dann sind nach und nach die Kinder ausgezogen. «Die Bewohner wurden immer weniger und das Haus wurde immer grösser», sagt Hoffmann. Das Gebäude und den Garten zu unterhalten, blieb aufwendig. Weil keines der Kinder das Haus übernehmen wollte, entschieden die Familien, es zu verkaufen. Das ist nun etwas über ein Jahr her.
 
Zustimmung der Nachbarn
 
Erst danach kam Hoffmann auf die Idee, ein kleines Haus in den früheren Garten zu bauen. Da die 160 Quadratmeter grosse Parzelle zur Bauzone gehört, entschieden seine Frau und er, den Versuch zu wagen. Heimatschutz und Denkmalpflege gaben ihr Einverständnis. Weiter brauchten die beiden eine Ausnahmebewilligung der Nachbarn, da es nicht möglich war, die vorgegebenen drei Meter Abstand vom geplanten Gebäude zum Nachbargrundstück einzuhalten. Am meisten Sorgen habe ihm aber die Frage bereitet, ob sich das Grundstück überhaupt an Wasser-, Abwasser- und Stromleitungen anschliessen liesse. Aber alles habe problemlos geklappt. Zusammen mit seinem Schwiegersohn, der Holzbauplaner ist, und einem befreundeten Architekten hat er das kleine Haus entworfen. Die Holzbau-Firma Haudenschild aus Niederbipp hat den Rohbau fabriziert und im Frühling aufgebaut.
 
Nun stehen die Schlussarbeiten an. Mehrere Handwerker sind im und am «Wastl» zugange, Bohrer surren und eine Säge kreischt. Das Dach besteht aus zerschlagenen Ziegeln und soll später bepflanzt werden. Wo die Aussenwände noch fehlen, ist dicke Isolation zu sehen. Im Haus riecht es nach Holz. Der Boden ist mit einer Schutzfolie abgedeckt, darauf liegen Metallrohre, eine Kabelrolle und eine Trittleiter. In der Küchenzeile fehlt noch eine Schublade. In der Mitte des Wohnzimmers klafft an der Stelle ein Loch in der Decke, wo später ein Cheminéeofen stehen wird. Geheizt wird mit einer Wärmepumpe. Das Haus ist aus Schweizer Fichtenholz gebaut, als Verbindungsteile dienen Aluminiumstifte. «Würde man es verbrennen, bliebe nur ein Häufchen Aluminium zurück», sagt Hoffmann.
 
Das Gebäude ist einem Holzschopf nachempfunden. Das Holz ist roh und einzig mit einem UV-Schutzmittel behandelt, damit es nicht vergilbt. Die Stromleitungen verlaufen offen an der Decke entlang. Die Art der Lichtschalter und Steckdosen in Metallgehäusen würde man eher in einer Industriehalle als in einem Wohnhaus erwarten. Als Lampen dienen Glühbirnen in einer Plastikhülle, wie man sie von Ställen kennt. Hoffmann sagt, er sei schon als Kind gerne im Schopf seiner Eltern gewesen. Ausserdem faszinierten ihn seit jeher Gebäude, die anders genutzt werden als ursprünglich vorgesehen, wie etwa umgebaute Mühlen.
 
Übergangslösung Studio
 
Noch wohnen seine Frau und er in einem Studio in der Nähe, das nur etwa halb so gross ist wie ihr «Wastl». Deshalb komme ihnen dieses nun riesig vor, lacht Hoffmann. Zu eng werde es ihnen im Studio nicht – wohl auch deshalb, weil sie wissen, dass sie bloss für eine begrenzte Zeit dort wohnen werden. Einen Teil ihres Hausrats haben sie in einer Scheune im Nachbarhaus gelagert. Den Rest haben sie verschenkt oder in die Brockenstube gebracht. Wenn er die Dinge einer Bekannten weitergeben konnte, habe er keine Mühe gehabt, sich davon zu trennen, so Hoffmann. Geschmerzt hätten ihn allerdings die Bücher, die er wegwerfen musste, weil niemand sie haben wollte.
 
Hätten sie ihr Häuschen nicht bauen könnten, hätten sich Hoffmanns in der Bieler Altstadt eine Wohnung gesucht oder wären vielleicht aus der Region weggezogen. Aber für ihn sei dies die bestmögliche Lösung, sagt Thomas Hoffmann. Nach all den Jahren fühle er sich in Pieterlen zuhause. Mit 70 Jahren habe er nicht unbedingt an einem neuen Ort nochmal von vorne anfangen wollen. Und wie fühlt es sich an, in einen Holzschopf neben das Haus zu ziehen, in dem man 25 Jahre lang gelebt hat? Anfangs sei es manchmal hart gewesen, weil er gespürt habe, dass eine Lebensphase vorbei war. Inzwischen sei das anders. «Manchmal staunen wir selbst: Wir sind jeden Tag da, sehen unser altes Zuhause, aber es tut nicht weh.» Weniger zu besitzen und nicht mehr dauernd etwas erledigen zu müssen, mache freier. «Das ist der Gewinn», sagt Hoffmann.

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