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Lyss braucht mehr Treffpunkte für Junge

Die Lysser Parteien sind sich einig: In der Gemeinde fehlen Begegnungsorte für Menschen zwischen 14 und 18 Jahren. Darüber, was man dagegen unternehmen kann, gehen die Meinungen auseinander.

Bild: bt/a

Sarah Grandjean

Wo in Lyss würden Sie sich mit Ihren Freunden und Freundinnen treffen, wenn Sie zwischen 14 und 18 Jahre jung wären? Am Wochenende gingen Sie vielleicht in die Kufa. Aber wenn dort nichts läuft oder zumindest nichts, was Sie interessiert? Dann wird es schwierig.

Die FDP Lyss ist der Meinung, in der Gemeinde fehle es an Begegnungsorten für Jugendliche. Letzten November hat die Fraktion eine Motion eingereicht, über die der Grosse Gemeinderat am Montag abstimmen wird. Diese fordert, ein Angebot zu schaffen, damit sich die Jungen in der Freizeit treffen können. In diesem Zusammenhang stellt die FDP dem Gemeinderat mehrere Fragen: Wie will er die physische und psychische Gesundheit dieser Altersgruppe erhalten und fördern? Wie schätzt er die Situation im öffentlichen Raum in Bezug auf Vandalismus und Littering ein, was nach Ansicht der FDP ein Problem darstellt? Was will er unternehmen, um die Situation zu verbessern? Die FDP führt die Möglichkeit von Kamera-Überwachungen ins Feld.

 

Mehr begleitete Begegnungsräume

Nun liegt die Antwort des Gemeinderats vor. Auch er ist der Meinung, dass Handlungsbedarf besteht. Er verweist auf eine kantonale Studie, die zeigt, dass besonders Jugendliche ab 14 Jahren unter der Pandemie leiden (siehe Zweittext). Gerade für sie ist der Kontakt mit Gleichaltrigen sehr wichtig.

Grundsätzlich sei die Gemeinde mit Fachstellen wie etwa der Schulsozialarbeit und der offenen Kinder- und Jugendarbeit gut aufgestellt, ist zu lesen. «Die Pandemie hat jedoch ohne Zweifel die Auslastung dieser Fachstellen teils an ihre Grenzen gebracht.» Der Jugendtreff sei zu klein und biete gerade für Jugendliche ab 13 Jahren zu wenig Möglichkeiten. Nebst diesem und der Kufa gibt es in Lyss keine weiteren fixen Begegnungsorte für 14- bis 18-Jährige.

Die Gemeinde könne sich indirekt für den Erhalt der physischen und psychischen Gesundheit der Jungen einsetzen, indem sie mehr begleitete Begegnungsräume schaffe, schreibt der Gemeinderat.

Auf diese Weise würde nicht nur der Austausch mit Gleichaltrigen gefördert, sondern auch ein niederschwelliges Angebot geschaffen, um mit Fachpersonen wie Sozialarbeiterinnen in Kontakt zu treten.

Littering und Sachbeschädigungen hätten im Sommer tatsächlich zugenommen, heisst es weiter. Auf Kamera-Überwachungen von Plätzen und Gebäuden habe man aber bisher bewusst verzichtet. Der Gemeinderat setze auf Prävention durch Dialog. Treffe die Polizei etwa eine Gruppe auf einem Schulareal an, sensibilisiere sie diese auf Littering. Wenn nötig, schicke sie sie weg. Bei Sachbeschädigungen werde jeweils Anzeige erstattet. Allerdings sei die Gemeindeverwaltung zu wenig mit den Jugendlichen verbunden, weshalb man sich vorstellen könne, Streetwork, also Sozialarbeit auf der Strasse, einzuführen.

FDP-Fraktionspräsident Thomas Lötscher sagt, man sei grundsätzlich zufrieden mit der Antwort des Gemeinderats. Er räumt ein, dass man nicht genau sagen könne, wer für Sachbeschädigungen und Littering verantwortlich ist. Man habe aber aus der Bevölkerung vernommen, dass ein Grossteil von Jugendlichen verursacht würde. Was die Idee von Kamera-Überwachung angeht, so beharre man nicht auf einer bestimmten Massnahme und sei offen für Vorschläge des Gemeinderats.

 

Streetworker statt Kameras

Dass man die Problematik angehen muss, ist bei den Lysser Fraktionen unbestritten. Für Kinder gebe es genügend Begegnungsmöglichkeiten, für Jugendliche hingegen wenige bis keine, sagt etwa GLP-Fraktionspräsident Thomas Hunziker. «Man kann nicht alles auf die Kufa abschieben», findet auch SVP-Fraktionspräsident Martin Eggli.

«Die Antwort des Gemeinderats ist ganz in unserem Sinn», sagt Katrin Meister, Fraktionspräsidentin SP + Jungi. Es brauche mehr Raum für Jugendliche, wo sie sich treffen können, ohne etwas konsumieren zu müssen. Littering sei wohl schon vor allem auf diese Altersgruppe zurückzuführen, bestätigt sie die Aussage der FDP. Zumindest an jenen Orten, wo sich die Jugendlichen mangels Alternativen oft treffen, etwa bei den Schulhäusern. Nicht einverstanden mit der FDP ist die SP hingegen mit der Idee von Video-Überwachung. Sinnvoller fände sie die Einführung von Streetwork, wie sie auch der Gemeinderat in Betracht zieht.

Bei der letzten Parlamentssitzung haben die Fraktionen SP + Jungi, Mitte und GLP deshalb eine Motion eingereicht, die genau das fordert. Die Patrouillengänge der Polizei seien zwar wichtig, doch präventive Aufgaben seien nicht deren Aufgabe, heisst es darin. Dazu brauche es Streetworkerinnen. Die Motionäre erhoffen sich, dass Jugendliche dadurch, dass ihre Bedürfnisse erkannt werden, gar keinen Grund mehr haben, öffentliche Infrastruktur zu beschädigen.

Von der Idee von Streetwork ist wiederum die FDP nicht begeistert. «Wir sind nicht dezidiert dagegen», sagt Thomas Lötscher zwar. Man glaube aber nicht, dass Streetwork allein das Problem lösen wird. Es brauche verschiedene Massnahmen, und man müsse sich auch finanzielle Überlegungen machen.

Falls die Motion der FDP am Montag als erheblich erklärt wird, wovon auszugehen ist, ist es aber erst einmal am Gemeinderat, konkrete Lösungsvorschläge zu erarbeiten und dem Parlament vorzulegen.

 

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Mehr Angst und Depression

Im Sommer hat die Universität Bern in einer Studie untersucht, wie sich die Coronapandemie auf Kinder und Jugendliche auswirkt. Dazu hat sie über 3500 Personen zwischen 11 und 21 Jahren befragt. Mitgemacht haben 14 Gemeinden, darunter auch Lyss und Biel. Gemäss Studie haben psychische und physische Probleme bei Jugendlichen seit Beginn der Pandemie zugenommen. Angst und Depression (weinen, sich wertlos fühlen, Sorgen haben) um 31 Prozent, Rückzug und Depression (lieber allein sein, wenig Freunde haben, traurig sein) um 23 Prozent, körperliche Probleme (Kopf- und Bauchschmerzen, Schwindel) um 22 Prozent und aggressives Verhalten (streiten, schreien, wütend sein) um 19 Prozent. Bei einem kleineren Teil der Befragten haben diese Belastungen abgenommen. Besonders betroffen sind Jugendliche ab 14 Jahren. Oft haben sie Zukunftsängste, gerade wenn es um den Übergang in eine Lehre oder ins Berufsleben geht. Als wichtigste Bezugspersonen geben die meisten Gleichaltrige an. Für die Identitätsfindung und fürs Selbstvertrauen ist es für Jugendliche und junge Erwachsene zentral, dass sie sich mit anderen treffen und austauschen können. sg

Stichwörter: Lyss, Jugend, Ausgang

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