Sie sind hier

Abo

Kantonswahlen

Noch nie kandidierten so viele fürs Kantonsparlament

Über 2200 Frauen und Männer bewerben sich für einen der 160 Sitze, die es am Wahltag vom 27. März zu besetzen gilt. Das «Bieler Tagblatt» gibt einen ersten Überblick – inklusive exotischer Liste und prominenten Abgängen.

Ein begehrter Saal: Allein aus Biel und dem Seeland möchten 427 Kandidierende in Bern mitreden. Keystone
von Carmen Stalder
 
Worum geht es am 27. März?
Im Kanton Bern stehen an diesem Tag die alle vier Jahre stattfindenden Regierungsrats- und Grossratswahlen an. Gewählt werden einerseits sieben Mitglieder für den Regierungsrat, die oberste leitende und vollziehende Behörde (Exekutive) im Kanton Bern. In der laufenden Legislatur setzt sich dieser aus Vertreterinnen und Vertretern der SP, SVP, Grüne, FDP und Mitte zusammen. Noch läuft die Anmeldefrist für die neue Regierung. Andererseits werden Ende März die 160 Sitze des Grossen Rates neu vergeben. Der Grosse Rat ist das Parlament, die gesetzgebende Behörde (Legislative) des Kantons. 
 
Was hat es mit den Wahlkreisen auf sich?
Die Wahl der 160 Mitglieder erfolgt in neun Wahlkreisen. Die einzelnen Mandate werden den Wahlkreisen entsprechend ihrer Einwohnerzahl zugeteilt. Der Wahlkreis Biel-Seeland schwingt mit 27 Sitzen obenaus – das ist sogar noch einer mehr als bisher. Die Stimmberechtigten geben ihre Stimmen jeweils ausschliesslich für die Kandidatinnen und Kandidaten ihres Wahlkreises ab. Der Wahlkreis Berner Jura erhält fest zwölf Mandate zugeteilt und ist damit bewusst überproportional vertreten. Ausserdem wird der französischsprachigen Minderheit des Wahlkreises Biel-Seeland speziell garantiert, dass sie gemäss ihrem Anteil an der Bevölkerung vier Mandate erhält.
 
Welche Listen sind im Wahlkreis Biel-Seeland heuer vertreten?
Insgesamt haben die verschiedenen Parteien und Organisationen 22 Listen eingereicht, das sind vier weniger als 2018. Grössere Parteien treten oft mit mehreren Listen an: die SP etwa mit einer Frauen- und einer Männerliste, die FDP mit einer für Biel und einer fürs Seeland. Eine neue Taktik hat die SVP gewählt: Sie tritt erstmals mit einer deutsch- und einer französischsprachigen Liste an. Auf letzterer finden sich zwar nicht ausschliesslich Romands, allerdings hätten alle darauf gelisteten Kandidierenden versichert, auf Französisch politisieren zu können, sagt Grossrat Martin Schlup aus Schüpfen. Die Taktik hinter diesem Manöver ist klar: Man will damit im Rennen um die Garantiesitze für die französischsprachige Bevölkerung mitmischen. Bisher taten dies nur die SP (Parti socialiste romand) und die FDP (Les radicaux romands).
 
Gibt es auch exotische Listen?
Am augenfälligsten ist wohl der Verein Aufrecht Schweiz, der im Wahlkreis Biel-Seeland mit einer deutsch- und einer französischsprachigen Liste mit insgesamt 23 Kandidierenden antritt. Unter dem Namen Aufrecht Schweiz haben sich Ende November letzten Jahres Gegnerinnen und Gegner der Corona-Massnahmen schweizweit zusammengetan und einen Verein gegründet. Ihre Absicht sei «die Wiederherstellung der verfassungsrechtlichen Grund- und Menschenrechte», hiess es damals in einer Medienmitteilung. Nun will die Bürgerbewegung den Einzug in die Politik schaffen. Auf der Aufrecht-Liste des Wahlkreises Biel-Seeland findet sich unter anderem Christoph Jakob, Vorstandsmitglied im Verein seeland.biel/bienne und im Dezember abgewählter Gemeindepräsident von Hagneck.
 
Wie viele Kandidierende haben sich aufstellen lassen?
In diesem Punkt gibt es einen Rekord zu verbuchen: Insgesamt kandidieren 2213 Personen (2018: 2111), das sind mehr als jemals zuvor. Davon stammen 427 Kandidierende aus dem Wahlkreis Biel-Seeland (2018: 403).
 
Wie hoch ist der Frauenanteil?
Über den ganzen Kanton gesehen liegt der Frauenanteil mit 879 Bewerberinnen bei 39,7 Prozent (2018: 34,6 Prozent). Aus der Region wollen 166 Frauen (2018: 129) den Einzug ins Parlament schaffen, das entspricht einem Anteil von 38,9 Prozent (2018: 32 Prozent). Es gibt also immer mehr Frauen auf den Listen, eine ausgeglichene Auswahl präsentiert sich der Stimmbevölkerung aber noch lange nicht. Auffällig ist der grosse Unterschied zwischen den verschiedenen Parteien. Die meisten Frauen können im Wahlkreis Biel-Seeland die SP (53,6 Prozent), die Grünen (50 Prozent) und die EVP (49 Prozent) vorweisen. Düster sieht es dagegen aus bei der Partei der Arbeit (20 Prozent), der Mitte (18,5 Prozent) und der SVP (17,1 Prozent).
 
Welche Bisherigen treten nicht mehr an?
Von den amtierenden Grossratsmitgliedern aus Biel und dem Seeland treten nicht alle zur Wiederwahl an. Die SVP muss gleich drei Abgänge verkraften: Willy Marti aus Kallnach, Fritz Wyss aus Wengi und Fritz Ruchti aus Seewil geben ihre Sitze ab. Letzterer begründet dies mit seinem Alter: «Ich war 16 Jahre lang im Grossen Rat. Jetzt ist es an der Zeit, Jüngeren Platz zu machen», so der 70-Jährige. Pierre-Yves Grivel gab bereits 2020 bei der Abgabe des Präsidiums der kantonalen FDP bekannt, dass er seine politische Laufbahn diesen Sommer definitiv beenden wolle. Nicht zuletzt zieht Jan Gnägi (Die Mitte) aus Aarberg die Konsequenzen aus seiner Nichtnomination fürs Regierungsamt: Er tritt nicht mehr zu den Wahlen an und gibt das Mitte-Parteipräsidium ab.
 
Wer gehörte bei den letzten Wahlen zu den Gewinnern, wer zu den Verlierern?
Die SVP bleibt nach dem 25. März 2018 die wählerstärkste Partei im Kanton Bern. Allerdings musste sie damals drei Sitze abgeben und stellt seither 46 Grossräte. Gross war die Freude bei der SP, die fünf Mandate dazu gewonnen konnte und seither auf 38 Sitze kommt. Auch die FDP konnte zulegen, und zwar um drei Sitze. Federn lassen mussten die Grünen (-1), die BDP (-1), die EVP (-2) und die PSA (-1). Im Wahlkreis Biel-Seeland verhielt es sich mit den Gewinnern und Verlierern ähnlich wie im restlichen Kanton: Während SVP und EVP je einen Sitz verloren, gewannen SP und FDP je ein Mandat dazu. Im Regierungsrat blieb das Kräfteverhältnis bei den Wahlen 2018 unverändert. Beatrice Simon (BDP) war damals die best gewählte Regierungsrätin.
 
Info: Alle Listen und alle Namen der Kandidierenden können ab sofort unter der Adresse www.be.ch/wahlen2022 nach Wahlkreisen geordnet aufgerufen werden. Für die Wahl des Regierungsrates läuft die Anmeldefrist am Montag, 24. Januar, ab.

Nachrichten zu Seeland »